„Tatort“ Köln: Sind Sie von jener Polizei?

Der Kölner Tatort macht da weiter, wo Stuttgart
letzte Woche
aufgehört hat. Auch in Siebte Etage (WDR-Redaktion:
Götz Bolten) steht die Täterin nach gut einer Stunde fest. Anders als in der
Neckarstadt gehörte Jasmin Backes (Antonia Bill) schon die ganze Zeit zum
verdächtigen Personal, das sich in diesem ARD-Sonntagabendkrimi durch ein
Bordell bewegt.

Das erste Opfer ist Malik Zeman (Mehdi Salim), eine Art
Hausmeister im Eroscenter. Er wird gleich am Anfang aus dem titelgebenden
Stockwerk in den Tod gestürzt. Zeman hatte vorher im Stehen neben und auf das
Klo gepinkelt, was so überdeutlich gespielt und gefilmt ist (Kamera: Lukas
Gnaiger), dass es nach
Böswilligkeit gegenüber der Reinigungsfrau (Hella-Birgit Mascus) aussieht. Die
Selbstverständlichkeit eines Mannes, der nicht darüber nachdenkt, wer seinen
Dreck wegmacht, hätte sich auch beiläufiger darstellen lassen.

Zur Strafe jedenfalls schubst ihn Jasmin aus dem Fenster.
Wird dann an der Leiche aber von der hauseigenen Nageldesignerin Chiara Passlak
(Sabrina Setlur)
gefilmt und erpresst, weshalb Jasmin Chiara beim Spaziergang mit dem Hund mit
einem Stein erschlägt. Zum dritten Opfer wird dann der Geschäftsführer vom Eroscenter, den André Eisermann als verrauschtes Echo seines Kinoruhms aus den
1990er-Jahren schön zupackend spielt und in zu engen Hemden (Kostümbild: Genoveva
Kylburg). Jasmin-Kollegin Cosima (Senita Huskić) hatte nämlich aus
Verzweiflung, Alter und Druck einem Freier Sex ohne Kondom angeboten, was im
Eroscenter verboten ist und vom Chef geahndet wird. Wie der davon erfahren hat, ist nicht ganz klar, bestraft
werden muss er aber aus Sicht von Jasmin.

Jasmins Racheengelsgleichheit motiviert der Tatort durch die
Zurücksetzungen, die sie erfahren hat. Wegen ihrer Arbeit als Sexarbeiterin ist
sie für den eigenen Vater (ein Kandidat für die Boris-Pistorius-Rolle im noch
zu drehenden Blockbuster über den kommenden SPD-Wahlkampf: Ralf Drexler)
gestorben, woran auch der Tod der Mutter nichts ändert. Jasmin muss auf dem
Friedhof wieder abdrehen, um später zur Trauerbewältigung „Mamas
Marmorkuchen“ in einem unmotivierten Zeitlupengehampel zu backen.

Es ist vieles recht holzklotzig inszeniert (Regie: Hüseyin
Tabak), auch wenn der Tatort ab und zu in Richtung Kino schielt. Fürs
Finale wird die legendäre
Türszene aus Das Schweigen der Lämmer (1991) zitiert
, auch wenn der
Thrill, den Jasmin verbreitet, sich in Grenzen hält. Die Bilder vom
Polizeirevier sollen schick aussehen, helle, neue Holzrahmen verbreiten das
Gefühl einer Schöner-Wohnen-Musterausstellung und weniger das eines
Büros oder Reviers (Szenenbild: Michaela Schumann).

Das Team aus Ballauf (Klaus J. Behrendt), Schenk (Dietmar
Bär), Förster (Tinka Fürst) und Jütte (Roland Riebeling) sitzt dann in dezenten
und gedeckten Farben in petrolesker
Runde
, was vor allem nicht zu Jütte passt. Der war mal als Arbeitsvermeider entworfen,
als eine Figur, die sich zumindest ansatzweise abheben sollte vom
gravitätischen Ermittlerduo, und dann trägt Jütte hier gravitätischstes
Dunkelgrün. Ein gutes Beispiel dafür, wie dieser Tatort für seine recht
allgemeine Sehnsucht nach einem professionellen Filmlook Eigenheiten in der
Darstellung opfert.


"Tatort" Köln: Kennt Cosima Adam (Senita Huskić) aus alten Zeiten: Oberkommissar Norbert Jütte.

Kennt Cosima Adam (Senita Huskić) aus alten Zeiten: Oberkommissar Norbert Jütte.

Jütte ist als alter Bekannter von Cosima mit dem Fall auch
noch freundschaftlich verbunden, was aber keine großen Effekte für die
Erzählung hat. Cosima wünscht sich Jütte als „Bürgen“ für ihre
Wohnung, und zu den vielen mittellustigen Witzen des Films gehört, dass die
eloquente und normkluge Frau an dieser Stelle und als einzigen Fehler immer
„Bürger“ sagt, selbst als Jütte das richtige Wort benutzt.

Der ärgste Komplex von Siebte Etage ist der sehr
eindimensionale und klischeehafte Begriff von Sexarbeit, den das Drehbuch von
Eva und Volker A. Zahn verbreitet. Der Film verhält sich im Grunde wie Jasmins
Vater, tut aber die ganze Zeit so, als würde er mit den Frauen fühlen, die nur
benutzt werden, um sie dann selbst zu benutzen, indem er sich an ihrem Leid
weidet und sie in ihrer Sexyness
ausstellt. Sexarbeiterinnen müssen in solchen Filmen ja in jeder Sekunde
als solche erkennbar sein durch hotte Kostüme, also auch auf High Heels mit dem
Hund Gassi gehen, wie die dem Haus verbundene Nageldesignerin.

Als besonderes erzählerisches Element dürfen Cosima, Jasmin
und Tani Schiller (Maddy Forst) ihre traurigen Lebensgeschichten irgendwann direkt
in die Kamera sprechen, was eine recht eigenwillige Form von Poesie zur Folge
hat („Ich belüge meine Seele, damit ich nicht andauernd weine“;
„Es ist nicht meine Vagina, die schmerzt, es ist die Lüge“;
„Ihre Schwänze verletzen deine Seele“).

Man kann die Erzählungen
selbstbestimmter Sexarbeit
, die es im medialen Diskurs eher schwer haben,
bestimmt auch für falsch halten, weil es in dem Geschäft viel Gewalt und
Ausbeutung gibt. Aber dann müsste Siebte Etage das ökonomische System,
das hinter so einem Eroscenter steht und in dem die Frauen immer als
Verliererinnen herausgehen, etwas präziser beschreiben als mit drei
Überschlagsrechnungen, die Freddy Schenk sich in sein Notizbuch geschrieben
hat.

Um die
Grobschlächtigkeit des Drehbuchs zu illustrieren, müsste man eigentlich noch
die mühsamste Figur des Films würdigen – Jasmins „Stammfreier“ Kai
(Sascha Göpel), bei dem nie klar wird, was für ein Verhältnis die beiden
eigentlich haben. Und was das für ein Charakter sein soll. Aber irgendwann ist
auch mal gut.