Bundesbankpräsident Nagel: „Wir werden in diesem Jahr Preisstabilität glücken“

Die Europäische Zentralbank (EZB) könnte ihr Ziel, eine Inflationsrate von zwei Prozent, offenbar schneller erreichen als bislang angekündigt. Diese Einschätzung hat Bundesbankpräsident Joachim Nagel, der für Deutschland im EZB-Rat sitzt, in einem Interview mit dem britischen Sender BBC vertreten. „Wir werden in diesem Jahr Preisstabilität erreichen“, sagte der Bundesbankpräsident. „Wir sind am Ende dieses Jahres wieder bei unserem Ziel – das ist eine gute Nachricht.“ Diese Aussage ist auch deshalb bemerkenswert, weil sie offenbar etwas mit den wieder niedrigeren Preisen für Energie und Öl zu tun hat und diese wiederum jedenfalls nicht vollkommen unabhängig von der Politik Donald Trumps zu sein scheinen.
Die Inflation im Euroraum hatte nach einer ersten Schätzung des europäischen Statistikamtes Eurostat im Februar 2,4 Prozent betragen, nach 2,5 Prozent im Januar und 2,4 Prozent im Dezember 2024. In Deutschland hatte die Inflationsrate nach dem Harmonisierten Verbraucherpreisindex HVPI, der für Vergleiche mit anderen Ländern verwendet wird, noch etwas höher gelegen, nämlich bei 2,8 Prozent. In Frankreich dagegen war die Inflation mit 0,9 Prozent deutlich niedriger.
Die EZB strebt ihr Inflationsziel von zwei Prozent mittelfristig an. Sie hatte zuletzt die Formulierung, dass dies noch „im Laufe dieses Jahres“ zu erreichen sei, nicht mehr verwendet. Die bislang jüngste Prognose der EZB-Ökonomen aus der März-Zinssitzung in der vergangenen Woche sah vor, dass die Inflation etwas höher bleiben wird als zuvor gedacht. Die Prognose für die Inflationsrate in diesem Jahr war hochgesetzt worden von 2,1 auf 2,3 Prozent. Die für das nächste Jahr blieb bei 1,9 Prozent, und die für 2027 wurde von 2,1, auf 2,0 Prozent gesenkt. Auf Nachfrage hatte EZB-Präsidentin Christine Lagarde in der Pressekonferenz nach der Zinsentscheidung gesagt, die neue Prognose der Notenbank sehe jetzt nicht mehr vor, dass das Inflationsziel im Laufe dieses Jahres erreicht werde, sondern erst Anfang des kommenden Jahres. Sie hatte zugleich angedeutet, die Prognose sei nicht mehr ganz taufrisch, seither seien die Energiepreise beispielsweise gesunken.
Energie nicht mehr ganz so teuer
Die Anhebung der Inflationsprognose und der Verzicht auf die Formulierung, das Inflationsziel noch in diesem Jahr zu erreichen, war von der EZB vor allem mit den höheren Energiepreisen begründet worden. Genau da knüpft offenbar jetzt auch die abermalige Wende an, die keine offizielle Prognose darstellen soll, aber eine Einschätzung.
Zu dem Zeitpunkt, zu dem die Inflationsprognose erstellt wurde, waren die Energiepreise offenbar höher, als sie sich jetzt zuletzt darstellten. Der Ölpreis notiert nur noch um die 70 Dollar je Barrel (Fass zu 159 Liter) der Nordseesorte Brent und zeitweise sogar darunter. Und auch die Benzinpreise in Deutschland waren in den vergangenen Wochen spürbar gefallen und haben nach Zahlen des Autoklubs ADAC in dieser Woche sogar ein Jahrestief erreicht. Ein Liter Super E10 kostete im Schnitt 1,686 Euro, ein Liter Diesel 1,624 Euro. „Preiswerter als jetzt war Tanken letztmals Ende 2024“, schreibt der ADAC.
Weil der Ölpreis so stark schwankt, hebt die EZB immer hervor, dass sie für ihre Geldpolitik nicht ausschließlich auf die sogenannte „Headline inflation“, die Gesamtinflation blickt, in der die stark schwankenden Energie- und Nahrungsmittelpreise enthalten sind, sondern auch auf die sogenannte zugrundliegende Inflation, die stärker die strukturellen Faktoren der Teuerung berücksichtig. Allerdings bleibt auch die nicht auf Dauer von Änderungen des Ölpreises unbeeinflusst.
Trumps Rolle bei den Energiepreisen
Interessant ist, dass der aktuell niedrige Ölpreis zumindest nicht vollkommen unabhängig von der neuen Politik Donald Trumps ist, wie Ölfachleute eigentlich recht übereinstimmend sagen. „Die OPEC plus und der US-Präsident haben den Ölpreis nach unten geschickt“, sagte Frank Schallenberger, Ölfachmann der Landesbank Baden-Württemberg. Dabei wird die Entscheidung der OPEC-Staaten, trotz des niedrigen Preises von April an mehr Öl zu fördern, zumindest zum Teil auf politischen Druck Trumps zurückgeführt. Eine andere Erklärung könnte eine Reaktion auf die stärkere Ölförderung in Kasachstan sein, schreiben die Analysten der Commerzbank. Trump hatte im Wahlkampf angekündigt, den Verbrauchern in Amerika durch einen niedrigeren Ölpreis Entlastung bei der Inflation verschaffen zu wollen, und mit seinem Amtsantritt die Regulierungen der Förderung in den USA gelockert.
Viele Fachleute hatten gesagt, es sei sehr unwahrscheinlich, dass das funktioniere, weil ein niedrigerer Preis sowohl die Ölunternehmen in Amerika als auch die Golfstaaten eher dazu animieren würde, weniger zu fördern. Am Angang waren die Erfolge, gerade was den Benzinpreis betrifft, auch nicht groß. Offenbar spielt am Ölmarkt aber mittlerweile auch die Erwartung eine wichtige Rolle, dass die US-Zollpolitik den Welthandel bremsen wird – und auf diese Weise die Ölnachfrage schwächer ausfällt.
Source: faz.net