Schuldenbremse: Städte fordern mehr finanzielle Spielräume

Die deutschen Kommunen warnen vor einer akuten Finanznotlage. Sie hätten bald kein Geld mehr, warnte der Deutsche Städtetag am Montag in Berlin. „Es gibt eine völlige Überlastung der
kommunalen Haushalte“, sagte Markus Lewe (CDU), Präsident des Deutschen
Städtetages und Oberbürgermeister von Münster kurz vor der Bundestagswahl. Die neue
Bundesregierung werde große Räder drehen müssen, damit die Kommunalfinanzen
nicht komplett zusammenbrechen. 

Laut einer Umfrage werden in diesem Jahr voraussichtlich
nur sechs Prozent der Städte einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen – also
nicht auf Rücklagen zugreifen. 95 Prozent der Städte schätzten ihre
Haushaltslage als „eher schlecht“ bis „sehr schlecht“ ein. Das Problem gebe es
schon seit vielen Jahren, doch inzwischen seien sogar Städte betroffen, die
gemeinhin als reich galten. So habe zum Beispiel München eine
Investitionssperre über eine Milliarde Euro verhängt. „Wir stehen oft im
Verdacht, nach Geld zu rufen“, sagt Städtetag-Vize Burkhard Jung (SPD),
Oberbürgermeister von Leipzig. „Doch dieses Mal ist es wirklich ernst.“

Steigende Sozialausgaben

Grund für die finanzielle Misslage der Städte sind unter
anderem die steigenden kommunalen Sozialausgaben. Dazu gehören Kinderbetreuung,
Hilfen für Menschen mit Behinderung oder Altenpflege. In allen drei Bereichen
seien die Kosten seit 2013 um ein Drittel gestiegen, sagte die Bonner
Oberbürgermeisterin Katja Dörner (Grüne), Vizepräsidentin des Städtetages. Ausgaben in den letzten zehn Jahren sogar
verdoppelt
, sagte
Dörner,
von
deutschlandweit knapp 33 Milliarden auf gut 67 Milliarden Euro. Das hänge zum
einen mit dem Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz, aber auch mit dem Ausbau von Ganztagsangeboten zusammen. Die Kommunen erbringen laut Dörner etwa 85 Prozent
der Kosten. „Diese Maßnahmen sind dringend notwendig“, sagte Dörner, „aber
bringen unsere städtischen Haushalte komplett an die Grenzen.“

Inzwischen sei die Finanzlage so angespannt, dass man
Stellen abbauen müsse, sagte Jung. Er werde in Leipzig versuchen, in den
nächsten Jahren etwa 500 Stellen einzusparen. Dabei herrsche eigentlich
Fachkräftemangel. „Das können Bund und Länder doch nicht wollen!“

Der Sparzwang wird spürbar

Die Auswirkungen der schlechten Finanzlage der Städte sieht
man schon jetzt. Während die Fahrgastzahlen im ÖPNV boomen,
überlegen Großstädte wie Dresden, Linien zu streichen oder Fahrpläne zu
kürzen
. Auch wie die Kommunen
Investitionen in Klimaschutz und beispielsweise die Wärmewende stemmen wollen,
sei ungeklärt, sagte Städtetagspräsident Lewe. Alle Kommunen sind seit Januar 2024 gesetzlich dazu verpflichtet,
einen Plan für ihre zukünftige klimafreundliche Wärmeversorgung zu erstellen.

Auch in den Bereichen Sport und Kultur sei der Sparkurs schon
spürbar. „Die ganze Angebotspalette steht auf dem Prüfstand“, sagt Lewe. Das
betreffe Schwimmbäder,
aber auch die Ausstattung von Schulen. In Leipzig werde man in den kommenden
zwei Jahren 100 Millionen Euro an Zuschüssen für Ämter und Beteiligungsverwaltung
sparen, sagt Oberbürgermeister Jung. Die Bürgerinnen und Bürger merkten,
wenn die Vereinsbeiträge hochgingen und die Kulturträger ihre Angebote
einstampften.

Eine Reform der Schuldenbremse soll helfen

Der Deutsche Städtetag hat konkrete Forderungen, um eine Trendwende zu schaffen. Zum einen solle der Bund keine neuen Aufgaben mehr
auf die Städte übertragen, wenn die Finanzierung nicht geklärt sei, insbesondere
im sozialen Bereich. Maßnahmen wie die 2023 beschlossene Wohngeldform würden etwa
immer mehr Personal binden, was dann an anderer Stelle fehle. Auch die Cannabis-Teillegalisierung führt
laut Markus Lewe zu Problemen: „Wer soll das alles kontrollieren?“, fragte er mit Blick auf die komplizierten
Abstandsregelungen
, die den Konsum regeln. 

Zudem stehen steuerpolitische
Erleichterungen im Forderungskatalog des Städtetages. So fordert er
einen neuen Schlüssel, wie Bund, Länder und Kommunen Steuern wie die Umsatzsteuer
untereinander aufteilen.

Im Hinblick auf den aktuellen Bundestagswahlkampf
dürfte eine weitere Forderung besonders interessant sein: eine Reform der Schuldenbremse,
um neue Investitionen zu ermöglichen. Der Münsteraner Bürgermeister Lewe lässt durchblicken, dass seine CDU einer Reform der Schuldenbremse
skeptisch gegenübersteht
. „Ich würde den Begriff gar nicht so in den
Vordergrund rücken“, sagte er auf Nachfrage. Danach stellte jedoch Dörner von
den Grünen klar: „Es ist Position des Deutschen Städtetages, dass wir die
Reform der Schuldenbremse für notwendig erachten.“ Die Diskussion über die Schuldenbremse
wird also auf kommunaler Ebene ähnlich vehement geführt wie auf
Bundesebene.