Für jedes den Elbtower hat dieser Insolvenzverwalter mehrere Angebote

Wird der Elbtower zur größten Bauruine Deutschlands? Das musste man befürchten, seit im Oktober die Arbeiten an der Baustelle eingestellt wurden, nachdem die Handwerker allzu lang auf ihren Rechnungen sitzen geblieben waren: Im strauchelnden Imperium des österreichischen Immobilienjongleurs René Benko war kein Geld mehr aufzutreiben. Bald danach fielen die Dominosteine in Benkos Signa -Holding, und auch für den Elbtower wurde Insolvenz beantragt.

Jetzt aber gibt es deutliche Signale, dass sich Investoren finden. „Wir habe eine Handvoll indikative Angebote, die Hand und Fuß haben“, sagte der vorläufige Insolvenzverwalter Torsten Martini der F.A.Z.

Alle diese potentiellen Investoren seien ernst zu nehmen, betonte er. Sie prüften ernsthaft, wie das Gebäude fertiggestellt und anschließend genutzt werden könnte. „Ich erwarte, dass wir in den nächsten Monaten einen Käufer finden“, lautet Martinis Einschätzung nach der ersten Phase des Investorenprozesses.

Einer der möglichen Retter hat sich schon zu erkennen gegeben

Allesamt seien sie daran interessiert, den Elbtower so fertigzustellen, wie er vom Büro des britischen Stararchitekten David Chipperfield geplant worden sei, als schwungvoll gestaltetes Hochhaus mit 62 Stockwerken, 245 Meter hoch, das drittgrößte Hochhaus Deutschlands. Dafür sind geschätzt weitere Investitionen von mehr als 500 Millionen Euro nötig. Seit Mitte März waren potentielle Interessenten in der ganzen Welt angeschrieben worden in der Erwartung, dass man im Mai oder Juni mit einigen vertieft in Verhandlungen komme.

Einer der möglichen Elbtower-Retter hat sich schon zu erkennen gegeben – der Hamburger Immobilienunternehmer Dieter Becken. „Wir planen, ein Konsortium aus Eigenkapitalgebern zusammenzustellen, um ein Angebot für den Elbtower in Hamburg abzugeben“, bestätigte Becken, nachdem er zuvor seine Absichten in der Wochenzeitung „Die Zeit“ dargestellt hatte. Ziel sei es, spätestens bis Ende 2025 mit dem Weiterbau zu beginnen – „vorausgesetzt, wir erhalten den Zuschlag und können die Vorbereitungsarbeiten wie geplant durchführen“.

Neben Becken habe bisher ein weiteres deutsches Unternehmen, ansonsten aber internationale Investoren Angebote abgegeben, sagte Martini. Im nächsten Schritt geht es darum, dass den Interessenten weitere Informationen zugänglich gemacht werden, damit diese prüfen können, ob ihre Pläne aufgehen. Das dürfte einige Monate in Anspruch nehmen, erwartet der Insolvenzverwalter. So müsse im Einzelnen geklärt werden, mit welchen Baufirmen und sonstigen Lieferanten weitergearbeitet werden kann. Die notwendigen bau- und planungsrechtlichen Genehmigungen dürften kein Pro­blem sein, erwartet Martini. Alle Interessenten seien in Gesprächen mit der Stadt Hamburg.

Die Vermietung ist der Knackpunkt

Ein Knackpunkt dürfte die Frage sein, wie der Elbtower vermietet werden kann. Die Mietverträge, die René Benko als eine der Voraussetzungen für die Grundstücksübergabe durch die Stadt präsentiert hatte, sind mindestens in großen Teilen nicht mehr realisierbar. Schon im Januar war die Hamburg Commercial Bank (HCOB), die als Ankermieter mit mindestens 11.000 Quadratmetern eingeplant war, von ihrem Mietvertrag zurückgetreten.

Vor Kurzem wurde bekannt, dass auch der Risikoberater Aon seinen Mietvertrag über 6300 Quadratmeter storniert haben soll. Insgesamt sind nach den Chipperfield-Plänen 77.000 Quadratmeter Bürofläche auf 48 Stockwerken zu belegen, wobei die kleinste Büroeinheit 1300 Quadratmeter haben soll.

„Da gibt es ganz klare Signale, dass man das sehr wohl wirtschaftlich hinbekommt“, sagte Martini gegenüber der F.A.Z. In den vergangenen Monaten war genau das vielfach in Zweifel gezogen worden. Schon allein dass der Markt für Büroimmobilien nach der Pandemie sich deutlich verändert hat und die erzielbaren Mieten gesunken sind, gilt als wichtiges Argument.

Aber auch der Standort zwischen Hafen und Großmarkt, direkt an den Elbbrücken, über die ein Großteil des Hamburger Straßen- und Schienenverkehrs verläuft, hat seine eigenen Pro­bleme. So ist die Lärmentwicklung dort so hoch, dass beispielsweise Wohnnutzung gar nicht erlaubt wäre.

Deutschland sei kein gutes Pflaster für Wolkenkratzer

Der Hamburger Politiker und Unternehmer Joachim Seeler, der aus Frust über mehrere Fehlentwicklungen in der Stadtpolitik jüngst aus der SPD ausgetreten ist, bezweifelt, dass der Elbtower sich rechnen könnte. „Wolkenkratzer sind in der Erstellung und im Betrieb so teuer, dass man in Deutschland nicht die nötigen Mieten dafür bekommt“, sagte er jüngst im Gespräch mit der F.A.Z. „Der einzige Ort in Deutschland, in dem Wolkenkratzer bisher gebaut wurden, ist Frankfurt. Das sind aber überwiegend selbst genutzte Gebäude der Banken, wo es vor allem um das Prestige des höchsten Gebäudes geht.“ In New York könne man Preise von 50 bis 80 Euro pro Quadratmeter im Monat verlangen, aber in Hamburg habe man schon vor der Corona-Pandemie nur 30 bis 32 Euro pro Quadratmeter erzielen können.

Die Stadt Hamburg habe zudem die Wirtschaftlichkeit des Projekts noch geschmälert, indem sie verschiedene Auflagen gemacht habe – unter anderem eine große Ausstellungsfläche ebenerdig sowie eine öffentlich zugängliche Aussichtsplattform, für die sogar ein eigener Lift notwendig wäre, mit entsprechenden laufenden Kosten. Seeler, der als geschäftsführender Gesellschafter der HSP Hamburg Invest GmbH selbst reichlich Erfahrung mit Immobilienprojekten hat, ist mit seinen Zweifeln nicht allein – und nicht mit seiner Kritik an der Stadt. Auch der aus Hamburg stammende Logistikmilliardär Klaus-Michael Kühne, der in Hamburg schnell als potentieller Investor ins Gespräch gebracht wurde, hat längst Zweifel angemeldet und beklagt, dass sich die Stadt nicht bewege, weshalb er als Investor nicht infrage komme. Kühne war an der Signa Prime beteiligt, die neben anderen, bestehenden und damit rentablen Luxusimmobilien auch in den Elbtower investiert hat und selbst insolvent ist.

Sollte Martini wie geplant in den nächsten Monaten einen Käufer für den Elbtower finden, wird auch das Insolvenzverfahren über die Hamburg Elbtower Immobilien GmbH & Co. KG eröffnet werden können – denn erst dann wird klar sein, ob die Kosten des Insolvenzverfahrens aus der Verwertung des Elbtowers gedeckt werden können. Sicher ist das nicht, denn im Grundbuch stehen vorrangige Gläubiger. So hat der Rohbauunternehmer Lupp eine Bauhandwerkerhypothek über 37 Millionen Euro eintragen lassen. Außerdem hat der Hamburg-Dortmunder Versicherungskonzern Signal Iduna einen frühen Kredit für den Elbtower über 50 Millionen Euro eintragen lassen.

Der Betrag steigt dadurch noch einmal beträchtlich an, dass Signal Iduna das Geld für die Sicherung des aktuell gut 100 Meter hohen Rohbaus zur Verfügung stellt. Ob unter den bisherigen Angeboten solche sind, die über diese Beträge hinausgehen, wollte Martini nicht sagen. Der Vorstandschef von Signal Iduna, Ulrich Leitermann, hat seine Zuversicht mehrfach beteuert: „Das bleibt keine Bauruine über fünf Jahre. So ein Aushängeschild, das kann ich mir nicht vorstellen“, sagte er im März in einer Runde von Wirtschaftsjournalisten und verwies auf die großen Vorleistungen, die schon getätigt wurden: „Wo schon 350 Millionen Euro verbaut sind, wird es jemanden geben, der ein Schnäppchen macht und das zu Ende baut.“