Inflation | Scholz will Mehrwertsteuer hinauf Lebensmittel senken: Butter für jedes 2,35 statt 2,39 Euro

Obst, Gemüse, Milch und Eier: Wenn es nach dem Kanzler geht, soll die MwSt. auf Grundnahrungsmittel sinken. Würde das unserer armutsbetroffenen Autorin helfen? Warum die Idee von Scholz noch unter dem liegt, was Markus Söder einst vorhatte


Für Eier zahlt man sieben Prozent Mehrwertsteuer – zu viel, findet Olaf Scholz

Foto: Kurt Bauer / Connected Archives



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Olaf Scholz (SPD) verkündet als Wahlversprechen, die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel von sieben auf fünf Prozent zu senken. Als ich das las, war ich nicht nur überrascht, sondern auch verwundert: Ob der Bundeskanzler diese Idee wohl von der Linkspartei kopiert hat? Als Grund nannte er, dass man kurzfristig etwas tun müsse zur Entlastung der einkommensschwachen Haushalte. Doch wird sein Vorschlag dem gerecht?

Wir alle merken den Anstieg der Lebenshaltungskosten an unseren monatlichen Ausgaben: bei Mietzahlungen, Energiekosten und bei den Ausgaben für Lebensmittel. Das Bundesamt für Statistik teilte kürzlich mit, dass die Inflationsrate erstmals seit Juli 2024 wieder die Zwei-Prozent-Marke überschritten hat. Als Preistreiber nennt das Handelsblatt Lebensmittel und Dienstleistungen. Für Nahrungsmittel müssen Verbraucher 1,8 Prozent mehr zahlen als ein Jahr zuvor. Besonders sticht hier die Preissteigerung bei Butter hervor, mit einer Teuerungsrate von über 35 Prozent.

Für folgende Lebensmittel gilt in Deutschland der Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent: Getreide, Backwaren, alle Obst- und Gemüsesorten, viele tierische Produkte wie Eier, Milch und Milchprodukte, Fleisch, Fisch und Honig. Wäre eine Absenkung auf fünf Prozent hier wirklich eine Hilfe?

Vier Cent Ersparnis bei Butter!

Grundsätzlich ja, denn gerade finanziell schwache Haushalte geben das meiste Geld für Lebensmittel aus, die armutsbetroffene Bevölkerung könnte durchaus profitieren. Für mich würde sich dadurch vieles verbessern: Endlich würde ich mehr Obst und Gemüse einkaufen können und hätte den „Luxus“, mir zumindest einmal im Monat ein frisches Brot vom Bäcker zu gönnen. Momentan ist es so, dass die Zutaten für einen Kuchen für mich bereits eine finanzielle Belastung darstellen, die ich in meine Ausgaben einkalkulieren muss. Vor den Lebensmittelpreisanstiegen habe ich öfter gebacken und frisches Gemüse gekocht. Es würde einen Unterschied für mich machen.

Es ist Fakt, dass jeder gesparte Euro für einen armutsbetroffenen Menschen eine große Rolle spielt: Habe ich am 20. des Monats kaum noch Geld, um mir Frisches zu kaufen? Oder ist das Geld am 25. des Monats aufgebraucht? Natürlich wäre der Vorstoß von Scholz eine Hilfe. Aber auch ein Tropfen auf den heißen Stein: Eine Butter, die derzeit 2,39 Euro kostet, würde mit nur fünf Prozent Mehrwertsteuer 2,35 Euro kosten. Vier Cent Ersparnis! Ein Minutensteak, das man derzeit für 3,79 Euro erwerben kann, würde dann „nur“ noch 3,72 Euro kosten. Ist es am Ende doch eine billige Wahlkampfidee des Kanzlers?

Die Linkspartei ist jedenfalls konsequenter und fordert eine komplette Streichung der Mehrwertsteuer bei Lebensmitteln, Hygieneprodukten und Bahnfahrkarten. Und sogar Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte 2023 ein Aussetzen der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel in den Raum gestellt – Fleisch, Fisch und Milch inklusive. Scholz liegt also sozialpolitisch unter CSU-Niveau. Das ist längst nicht das einzige Problem.

Studie: Finanzielle Entlastung kommt nicht bei Verbrauchern an

Im Jahr 2020 wurde der Mehrwertsteuersatz auf Hygieneprodukte für Menstruierende von zehn auf sieben Prozent gesenkt. Eine im August 2024 veröffentlichte Studie zeigt, dass die finanzielle Entlastung nicht bei den Verbrauchern angekommen ist, weil die Hersteller die Preise erhöht haben. Das Gleiche kann uns mit den Lebensmitteln passieren. Es gäbe genug andere Themen, die die SPD aufgreifen könnte.

Zum Beispiel käme es armutsbetroffenen Familien entgegen, wenn das Kindergeld und der Unterhalt nicht auf das Bürgergeld und die Grundsicherung angerechnet werden würden. Damit wäre etwas gegen die Kinderarmut getan – wenn man schon die Kindergrundsicherung scheitern lässt.

Die „hart arbeitende Mitte“ möchte Steuerentlastungen. Okay. Doch mit einer Absenkung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel wird ihnen die Abstiegs- und Existenzangst nicht genommen. Dass der Preis für das Deutschlandticket im Januar auf 58 Euro steigt, ist ärgerlich genug, aber dass die Finanzierung darüber hinaus nur bis 2025 steht, ist ein Skandal. Gut, dass ab dem 1. Januar zumindest der Mindestlohn auf 12,82 Euro pro Stunde steigt. Womit auch immer uns die Parteien im Wahlkampf noch behelligen werden: Ich lasse mich gerne positiv überraschen.

Janina Lütt ist freitag.de-Kolumnistin. Sie bestreitet das Leben für sich und ihre Tochter mit Erwerbsminderungsrente auf Bürgergeld-Niveau und engagiert sich im Netzwerk #ichbinarmutsbetroffen.