Frauentag: Männer unter Frauen

Gibt es nun Unterschiede in der Unternehmensführung, im Umgang miteinander zwischen Chefin und Chef? Niestegge muss ein bisschen überlegen. Die Aufgabenteilung allein sei schon „geschlechtertypisch“. Sie ist die Fashion-Frau, betreut den Einkauf, KOB und DOB. Er kümmert sich um die Finanzen und die Warenwirtschaft, die Buchhaltung und das Büro. Frau Schmidt macht das Emotionale, Herr Schmidt das Rationale. Sie steht in der Öffentlichkeit, repräsentiert nach außen. Er hält sich eher im Hintergrund.

„Mein Chef ist ruhiger, ist viel im Büro. Meine Chefin ist sehr extrovertiert, sehr präsent, steht jeden Tag auf der Fläche.“ Katharina Schmidt ist bekannt in Borken. Die zweifache Mutter engagiert sich in Politik, Kindergarten, Kirche. „Sie holt ein jüngeres Publikum ins Haus, auch weil sie in den sozialen Medien sehr aktiv ist. Dieses Emotionale macht auch den Unterschied zu Moritz in der Führung aus.“

So weit, so klischeehaft. Aber genau diese Mischung mache das Duo so erfolgreich, meint Niestegge. „Die beiden ergänzen sich perfekt. Männer sind weniger emotional, haben mehr die Zahlen im Blick. Aber Mode braucht viel Bauchgefühl“, erzählt er. Merkwürdig findet er beispielsweise, dass im Vertrieb der Damenwäsche so viele Männer arbeiten.

„Das könnten Frauen ja wirklich besser. Aber ansonsten beobachte ich auch, dass es gerade in der Modebranche immer noch diese klassische Aufteilung gibt: Im Verkauf viele Frauen, in den Chef-Etagen viele Männer. In unserer Erfa-Gruppe der HAKA-Leiter verschiedener Modehäuser sind acht Männer und zwei Frauen.“ Ganz anders als in seinem Modehaus Cohausz auf der Fläche.

So sieht es auch am anderen Ende Deutschlands, 500 Kilometer südlich in Schorndorf bei Riani aus. Hier sitzt Branko Arandjelovic an seinem Schreibtisch in der Konfektion und schaut sich die Produktionsvorläufe für den neuen Plissee-Rock genau an. Auch er ist umgeben von Frauen. Und das liebt er. „Ich kann mich absolut nicht beklagen, alles tolle Kolleginnen, die Atmosphäre ist super respektvoll, einfach schön alles.“

Der 33-Jährige hat gleich drei Chefinnen, seine direkte Vorgesetzte, die Teamlead für die Produktion. Und ganz oben sind die Geschäftsführerinnen Martina und ihre Tochter Mona Buckenmaier. Ein paar Kollegen gibt es im Unternehmen noch. In IT und Logistik. Und den Chefdesigner, den Koch und den Hausmeister, zählt Arandjelovic auf. Die Frauenquote bei Riani liege bei 80 %, schätzt er.

Viele Freunde beneiden ihn. Sein bester Kumpel, den er seit der Ausbildung zum Textiltechniker kennt, habe bei seiner Nadelfabrik mehr männliche Kollegen. Er würde gern wechseln. „Weil ich ihm viel von meinem guten, familiären Betriebsklima erzähle. Dass es so entspannt ist, liegt auch an der hohen Frauenquote, glaube ich“, sagt er. Und daran, dass Riani ein Familienunternehmen ist.

Arandjelovic kennt es auch anders. Direkt nach seinem Studium war er als Multijobber tätig, gründete mit Freunden eine eigene Brand, arbeitete in einem veganen Restaurant, war bei Bestseller Verkäufer und regionaler Leadership-Trainer und für eine kurze Zeit im HAKA-Einkauf.

Er hatte mehrere Chefs und eine Chefin. Was war anders? „Der Chefin war der Team-Zusammenhalt sehr wichtig, die gute Atmosphäre. Den Chefs ging es mehr um Ziele, Zahlen, KPIs.“ Mit Frauen sei es direkter, emotionaler und persönlicher. Einfach angenehmer. Weibliche Vorgesetzte seien für ihn generell ein besserer Motivator.

„Sie sind mehr interessiert am Menschen, nicht nur am Ergebnis. Sie fragen öfter nach, wie es mir geht. Es sind viele Momente, in denen ich denke: Wow!, das ist doch anders.“ So genau kann er es gar nicht in Worte fassen. Die gesamte Unternehmenskultur sei bei Riani anders. „Man begegnet sich regelmäßig im Headquarter, verbringt auch mal gemeinsam die Mittagspause, kann sich jederzeit austauschen.“ Die Chefinnen seien immer offen für neue Inspirationen und Projekte. „Ich kann mich jederzeit kreativ einbringen und habe viel Eigenverantwortung. Beim vorherigen Arbeitgeber war die Führung stärker durch Konzernrichtlinien geprägt.“