Regisseur von Oscar-Gewinner „No other Land“ von israelischen Siedlern angegriffen

Kurz nachdem die palästinensischen Bewohner ihr tägliches Ramadan-Fasten beendet hatten, drangen Dutzende von maskierten israelischen Siedlern in das Dorf Susiya im Westjordanland ein, wie Zeugen berichten. Einige der Siedler waren mit Schlagstöcken bewaffnet, andere trugen Messer und einer von ihnen hatte ein M16-Gewehr in der Hand, berichteten Zeugen dem Guardian. Unter ihnen befand sich eine Gruppe israelischer Soldaten, die die Siedler in das Dorf begleiteten.

Minuten später gingen die Siedler direkt zum Haus von Hamdan Ballal, einem der vier Regisseure des mit dem Oscar ausgezeichneten Dokumentarfilms No Other Land, der die Zerstörung von Dörfern im Westjordanland dokumentiert – ein Film, der in Israel verurteilt und vom Kulturminister des Landes als „trauriger Moment für die Welt des Kinos“ bezeichnet wurde. Die Siedler begannen laut Zeugenaussagen, Steine gegen sein Haus zu werfen, jagten Ballal zu seinem Haus, schlugen ihn und übergaben ihn schließlich dem Militär. In Handschellen und mit verbundenen Augen wurde der am Kopf blutende Ballal zu einem Militärfahrzeug gebracht.

Am Dienstagnachmittag wurden Ballal und zwei weitere Palästinenser aus einer Polizeistation in Kiryat Arba im besetzten Westjordanland entlassen, wo sie die Nacht auf dem Boden verbrachten. Sie erlitten bei dem Angriff schwere Verletzungen. Guardian hat Videos und Fotos von Aktivisten des Center for Jewish Nonviolence (CJNV) ausgewertet, die vor Ort waren und mit Zeugen gesprochen – darunter Basel Adra, ein weiterer Direktor von No Other Landund die israelischen Verteidigungskräfte kontaktiert, um Licht in den Vorfall zu bringen, der weltweit Wut ausgelöst hat.

Fünf jüdisch-amerikanische Aktivisten von CJNV versuchten, Ballal zu helfen, als er von den Siedlern geschlagen wurde. Bevor die maskierten Angreifer in das Dorf eindrangen, hatte laut Zeugenaussagen eine andere Gruppe von Siedlern, meist Jugendliche, die Feierlichkeiten zum täglichen Fastenbrechen für den muslimischen heiligen Monat Ramadan gestört. Sie schrien Palästinenser an, schubsten und teilten Schläge aus.

Laut Zeugen habe die Polizei nicht eingegriffen

„Sie wurden schließlich von den maskierten Siedlern verfolgt, die begannen, Steine zu werfen“, so eine Erklärung von CJNV. Auf einem von CJNV zur Verfügung gestellten Video ist zu sehen, wie ein maskierter Siedler zwei Aktivisten auf einem staubigen Feld in der Nacht schubst und mit den Fäusten schlägt. Die Aktivisten eilen zurück zu ihrem Auto.

„Sie zerstörten unser Auto mit Steinen und schlitzten einen der Reifen auf; alle Fenster und Windschutzscheiben waren kaputt“, erzählte einer der Aktivisten am Tatort, Josh Kimelman, dem Guardian. Währenddessen ging eine andere Gruppe von Siedlern zu Ballals Haus und warf Steine auf sein Auto und sein Haus. Ballals Frau hörte, wie ihr Mann draußen verprügelt wurde und dabei schrie: „Ich sterbe.“

Zeugen berichteten, dass ein israelischer Polizeiwagen am Tatort eintraf, die Beamten sich jedoch weigerten, aus dem Fahrzeug auszusteigen und einzugreifen. Stattdessen begannen sie, die jüdisch-amerikanischen Aktivisten zu verhören. „Die Polizei war von Anfang an dabei und hat nicht eingegriffen“, sagte Adra. „Während die Soldaten ihre Waffen auf uns richteten, begannen die Siedler, die Häuser der Palästinenser anzugreifen.“

„Hamdan versuchte, seine Familie zu schützen, und die Siedler griffen ihn an“, fügte der Regisseur hinzu. „Die Soldaten begannen in die Luft zu schießen, um zu verhindern, dass jemand Hamdan hilft. Er hat um Hilfe geschrien. Sie ließen zu, dass die Siedler ihn angriffen, dann wurde er von der Armee entführt.“

Regisseur Hamdan Ballal – mit blutiger Kleidung aus der Polizeiwache

Mitglieder der Aktivistengruppe betraten daraufhin Ballals Haus und sahen Blut auf dem Boden, das nach Angaben eines Familienmitglieds floß, als er auf den Kopf geschlagen wurde. Verletzt, in Handschellen und mit verbundenen Augen, wurde Ballal von den Soldaten zu einem Militärfahrzeug gebracht.

Das israelische Militär erklärte, es habe eine gewaltsame Konfrontation zwischen Palästinensern und Israelis gegeben, nachdem „Terroristen“ Steine auf israelische Bürger geworfen hätten.

„Letzte Nacht [Montag] haben mehrere Terroristen Steine auf israelische Bürger geworfen und ihre Fahrzeuge in der Nähe von Susiya beschädigt. Daraufhin kam es zu einer gewaltsamen Konfrontation, bei der sich Palästinenser und Israelis gegenseitig mit Steinen bewarfen“, heißt es in der Erklärung.

Und weiter: „Die Einsatzkräfte nahmen drei Palästinenser fest, die verdächtigt wurden, sie mit Steinen beworfen zu haben, sowie einen israelischen Zivilisten, der an der gewalttätigen Auseinandersetzung beteiligt war. Die Festgenommenen wurden zur weiteren Befragung durch die israelische Polizei gebracht.“

Regisseure von „No other Land“: Tägliche Angriffe seit der Oscar-Verleihung

Am Dienstag gab Ballals Anwältin Lea Tsemel bekannt, dass er zusammen mit zwei anderen Palästinensern, die bei dem Vorfall festgenommen wurden, Nasser Shreiteh und Khaled Muhammad Shnaran, freigelassen wurde. Journalisten der Associated Press sahen, wie der Regisseur die Polizeistation verließ, in der er in Gewahrsam genommen wurde. Ballal hatte blaue Flecken im Gesicht und Blut auf seiner Kleidung.

Es ist nicht das erste Mal, dass Regisseure und Crewmitglieder von No Other Land sowie palästinensische Bewohner von Susiya von Siedlern angegriffen werden. Die Organisation CJNV berichtete von mindestens 43 Übergriffen auf das Dorf seit Anfang des Jahres, ausgeübt von gewalttätigen Siedlern. „Seit der Oscar-Verleihung werden wir jeden Tag angegriffen“, sagte Adra. „Das könnte ihre Rache sein, dass wir den Film gemacht haben. Es fühlt sich wie eine Bestrafung an.“

No Other Land, der mit dem Oscar für den besten Dokumentarfilm ausgezeichnet wurde, schildert den Kampf der Bewohner der Region Masafer Yatta, die das israelische Militär davon abhalten wollen, ihre Dörfer abzureißen. Ballal und Adra, beide aus Masafar Yatta, haben die palästinensisch-israelische Gemeinschaftsproduktion mit den israelischen Regisseuren Yuval Abraham und Rachel Szor gedreht.