Krieg in Israel und Gaza: Vereinte Nationen stellen Lebensmittelverteilung in Rafah ein

Die Vereinten Nationen haben ihre Lebensmittelverteilungen in Rafah wegen Versorgungsengpässen und Unsicherheiten gestoppt. Das teilten das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA und das UN-Welternährungsprogramm WFP am Dienstag mit. Über einen von den USA eingerichteten Behelfshafen sind nach UN-Angaben seit zwei Tagen keine Hilfsgütertransporter mehr angekommen. WFP-Vertreter warnten, das 320 Millionen Dollar teure Hafenprojekt könne scheitern, wenn Israel keine Bedingungen schaffe, unter denen Hilfsgruppen sicher arbeiten können.

WFP-Sprecherin Abeer Etefa sagte, ihre Organisation habe die Verteilung in Rafah eingestellt, nachdem deren Vorräte aufgebraucht waren. Das WFP setze eine „begrenzte Verteilung“ von reduzierten Lebensmittelpaketen im zentralen Gazastreifen fort, aber „die Vorräte an Lebensmittelpaketen werden in den nächsten Tagen aufgebraucht sein“.

Gleichzeitig versuchte Israel die Auswirkungen von Anträgen des IStGH-Chefanklägers Karim Khan einzudämmen, der Haftbefehle gegen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Joaw Galant erwirken will. Khan wirft ihnen den Einsatz von Hunger als Methode der Kriegsführung vor. Khan hat auch Haftbefehle gegen drei Hamas-Führer beantragt. Ob die Haftbefehle ausgestellt werden, muss ein Gremium aus drei Richtern des Internationalen Strafgerichtshofs entscheiden.

Etefa sagte, die humanitären Maßnahmen im Gazastreifen stünden kurz vor dem Zusammenbruch. Wenn die Versorgung mit Lebensmitteln und anderen Hilfsgütern im Gazastreifen nicht „in großen Mengen“ wieder aufgenommen werde, würden sich hungersnotähnliche Zustände ausbreiten.

Probleme bei Verteilung von Hilfsgütern über provisorische Anlegestelle

Die Verteilung der Hilfsgüter über den von den USA errichteten Pier verläuft nach Angaben der UN zudem schleppend. Am Samstag hätten 16 Lastwagen den
schwimmenden Pier verlassen, sagte UN-Sprecher Stéphane Dujarric. „Aber elf dieser Lastwagen schafften es nie bis zum
Lagerhaus“, sagte er. 

An verschiedenen Stellen auf dem Weg hätten
Menschenmassen die Lastwagen angehalten. Diese Lastwagen seien durch
Gebiete gefahren, in denen es keine Hilfe gegeben habe. Daher hätten
sich die Menschen genommen, was sie konnten. Seitdem seien keine neuen
Lastwagen mehr auf dem schwimmenden Pier angekommen. Das WFP prüfe jetzt Logistik und Sicherheitsmaßnahmen und schaue sich nach alternativen Lieferrouten in Gaza um, sagte Etefa.

Ein weiterer WFP-Sprecher, Steve Taravella, warnte vor weiteren Stürmungen von Hilfskonvois. „Wenn nicht genügend
Hilfsgüter in den Gazastreifen gelangen, werden diese Probleme weiter
auftauchen. Die Akzeptanz der Gemeinschaft und das Vertrauen, dass es
sich nicht um ein einmaliges Ereignis handelt, sind für den Erfolg
dieser Operation unerlässlich“, schrieb Taravella in einer E-Mail an die Nachrichtenagentur AP. „Wenn
wir nicht die nötige Freigabe und Koordinierung für die Nutzung
zusätzlicher Routen erhalten, wird diese Operation möglicherweise nicht
erfolgreich sein.“

US-Regierung verweist auf „komplexe Operation“

Die US-Regierung wies Kritik zurück. „Man darf auch nicht vergessen, dass es sich um ein Kampfgebiet und eine komplexe Operation handelt“, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Pat Ryder. Das US-Militär sei an der Verteilung der Lieferungen im Gazastreifen nicht beteiligt.

Laut dem US-Militär sind bisher 569 Tonnen Hilfsgüter über den provisorischen Hafen angekommen. Ryder gab allerdings zu bedenken, dass es sich um Hilfsgüter handele, die noch weiterverteilt werden müssten. Auf die Frage, ob davon auch schon Güter an die Menschen im Gazastreifen ausgeliefert worden seien, sagte er: „Mit Stand heute – ich glaube nicht.“ Die US-Regierung gehe davon aus, dass die Hilfe in den kommenden Tagen verteilt werde, sofern die Bedingungen es zuließen.

Bis Anfang Mai hatten etwa 1,3 Millionen Menschen in Rafah Zuflucht gesucht, von denen viele vor den Kämpfen in anderen Teilen des Gazastreifens flüchteten. Seit Israel mit dem Einmarsch in die Stadt begonnen hat, sind mindestens 810.000 von ihnen geflohen. Die Flüchtenden haben sich über den südlichen Gazastreifen verstreut, wo sie ausgedehnte Zeltlager errichteten oder sich in UN-Schulen drängten, die durch Israels frühere Offensiven bereits stark beschädigt waren.