Plötzlich Freud: Mitmachtheater kann traumhaft sein

Immer wieder höre ich im Theaterparkett den Satz „O Gott! Wir sitzen zu weit vorne! Na, hoffentlich muss man hier nicht mitmachen!“, gefolgt von nervösem Gekicher. Ich habe welche Angst nie verstanden, denn wenig scheint mir im deutschsprachigen Theater so sicher zu sein wie die Tatsache, dass man im runtergedimmten Saal nun erst mal pro eine Weile seine Ruhe hat. Anders ist nicht zu verdeutlichen, dass wenige Menschen sich unbedingt dies Theater dazu erkoren nach sich ziehen, um gleich nachdem Ankunft im Sessel ins wohlverdiente Nickerchen zu plumpsen.

Nun, vor Kurzem war ich in Wien im Akademietheater, einer Spielstätte des Burgtheaters. Ich war neugierig aufwärts die Bühnenadaption von Sigmund Freuds Traumdeutung. Die Produktion welcher aus Dublin kommenden Theatergruppe Dead Centre hatte schon 2020 Premiere, ist im Gegensatz dazu solange bis heute in Wien ein Hit. Im Nachhinein betrachtet, hat die kluge und witzige Umsetzung genau die beiden beschriebenen Aspekte zur Grundlage ihres Abends gemacht: den Theaterschlaf und die Angst vor dem Mitmachenmüssen. Alles basierte aufwärts welcher Idee, die Inszenierung denn Albtraum anzulegen, nämlich: „Ich habe geträumt, ich bin ins Theater gegangen und musste aufwärts die Speicher“.

Saallicht an! Geschocktes Gemurmel – welcher Horror!

Dabei fing was auch immer noch harmlos an. Eine Schauspielerin lag aufwärts welcher berühmten Couch und erzählte in die Kamera, dass es seit alters ihr Traum gewesen sei, aufwärts einer Speicher zu stillstehen; besser noch: den berühmten Sigmund Freud zu spielen. Jetzt erfülle sich dieser Traum (sie zog sich um: Bart, Brille, Zigarre) und um zu beweisen, wie gut sie die Rolle verkörpern könne, sollten jetzt im Publikum mal sämtliche aufstehen, weil sie Leute bräuchte, deren Träume sie auswerten könne. Saallicht an! Geschocktes Gemurmel – welcher Horror! Einige, unsanft erwacht, fanden sich nun in ihrem schlimmsten Albtraum wieder (siehe oben). Männer könnten sich wieder setzen, fuhr sie fort, schließlich seien die Patientinnen von Freud meistens Frauen gewesen. Die Hälfte des Saals plumpste erleichtert zurück in den Sitz. Ich stand weit hinten und schwor, mich aufwärts keinen Fall zu melden, überlegte im Gegensatz dazu taktgesteuert, welchen Traum ich erzählen könnte. Und während ich davon zu träumen begann, einmal in welcher Theaterstadt Wien aufwärts welcher Speicher zu stillstehen und womöglich im Anschluss berühmt zu werden (you never know) – kam mir und allen anderen eine Zuschauerin zuvor und drängelte aufwärts die Speicher. Also wieder hinsetzen mit dem Gefühl welcher verpassten Chance. Narzisstische Kränkung!

Der Fortlauf des Abends bezog nun sein Vergnügen aus dem Umstand, dass sich die junge Freiwillige aufwärts welcher Speicher so bewegte, denn sei sie in einem Traum gefangen. Die Schauspielerin erklärte nämlich die Zuschauerin kurzerhand zu Freud, übergab ihr die notwendigen Requisiten (Bart, Brille, Zigarre) und dies Freud’sche Behandlungszimmer kam aufwärts die Speicher gefahren, in dem die Zuschauerin nun hereinstürzende Charaktere empfangen musste. Jetzt schlief im Saal niemand mehr. Alle waren nun gespannt, wie die Zuschauerin ihre Rolle meistern würde. Ein Freund von „Siggi“ kam herein, dankte ihm pro den „Tipp mit dem Kokain“ und weihte ihn in die Kunst des Sniffings ein. Freuds Ehefrau nahm ihm ein Keuschheitsgelübde ab, nachdem sie sich droben seinen ungebrochenen Sexualtrieb beschwert hatte. Ein anderer Freund fiel in Ohnmacht, Freud sollte ihn wiederbeleben. Das Publikum amüsierte sich natürlich wie verrückt droben welche Einlagen – es war, denn sähe man welcher Zuschauerin zu, während sie träumte, oder denn wäre die Speicher wirklich und wahrhaftig welcher Ort des Traums geworden, welches natürlich eine sehr schöne Theatermetapher ist.

Auch die Zuschauerin hatte verdongeln so offensichtlichen Spaß daran, ihren Traum vom Bühnenstar zu leben, dass sie am Ende weder noch mehr erwachen wollte. Nächstes Mal setze ich mich jedenfalls ganz weit nachdem vorne.

Eva Marburg studierte Theater- und Literaturwissenschaften in Berlin und New York. Nach Arbeiten denn freie Dramaturgin und Autorin am Theater, studierte sie Kulturjournalismus an welcher UdK in Berlin und ist seither 2018 Fachredakteurin pro Theater im Rahmen SWR2. Zum Besten von den Freitag schreibt sie regelmäßig dies Theatertagebuch.