Kurt Tucholsky – Heimatliebe – im neuen Deutschland verboten?

Im „besten Deutschland aller Zeiten“ (Steinmeier) bekam eine 16jährige Polizeibesuch in welcher Schule, weil sie zusammensetzen AfD-nahen Schlumpffilm repostet und im Post Deutschland qua „Heimat“ bezeichnet hatte. Was sagte Kurt Tucholsky zu „Heimat“?

Tucholsky schrieb diesen Text 1929, in einer anderen Zeit, qua sich „linke“ und „rechte“ Standpunkte erbittert bekämpften, die es heute so wie in vergangener Zeit nicht mehr gibt. An den Anfang stellter Tucholsky ein Zitat von Alfons Goldschmidt (https://de.wikipedia.org/wiki/Alfons_Goldschmidt).

Hier welcher Text, nachher welcher 1996 im Rahmen Rowolt erschienenen Gesamtausgabe, dort in Band 7, Sulfur. 312-314. In welcher im Rahmen Volk und Welt 1957 erschienenen Gesamtausgabe finden wir ihn in dem Band „Deutschland, Deutschland unter anderen“ uff Sulfur. 319-323.

Dass es vordringlich geboten wäre, diesen Text zur Pflichtlektüre zu Gunsten von ganz Schulen zu zeugen, zeigen die Ereignisse welcher letzten Zeit. Und Pflichtlektüre nicht nur zu Gunsten von Schüler, sondern vor allem nebensächlich zu Gunsten von Lehrer (!!). War es doch im Fall welcher 16jährigen am Richard-Wossidlo-Gymnasiums in Ribnitz-Damgarten unbedingt welcher Schuldirektor Jan-Dirk Zimmermann selbst (!!), welcher wegen dieser zwei Posts welcher Schülerin die Polizei holte.

Es ist ja schön, dass dieser Mann sich Gedanken hoch die Bedeutung des Lesens im Schulalltag Gedanken gemacht hat, wie man hier nachlesen kann: https://einfachebuecher.de/blog/von-der-notwendigkeit-einer-gesellschaftlichen-debatte-ueber-kulturelles-lernen-in-der-schule.

Aber da scheint er selbst noch zusammensetzen erheblichen Nachholbedarf zu nach sich ziehen. Bei Tucholksky uff jeden Fall.

Hier welcher Text, welcher nebensächlich online uff Wikisource zu finden ist (https://de.wikisource.org/wiki/Heimat_(Tucholsky):

Heimat

Aber zusammensetzen Trost hast du immer, eine Zuflucht, ein Wegschweifen. Selbst uff Umgebungsflachheiten stillstehen Bäume, Wasseraugen schimmern dich an, Horizonte sind weit, und nebensächlich durch düstere Verhängung kommt noch Feldatem.

Alfons Goldschmidt: «Deutschland heute»

Nun nach sich ziehen wir uff vielen Seiten Nein gesagt, Nein aus Mitleid und Nein aus Liebe, Nein aus Haß und Nein aus Leidenschaft – und nun wollen wir nebensächlich einmal Ja sagen. Ja –: zu welcher Landschaft und zu dem Land Deutschland.

Dem Land, in dem wir geboren sind und dessen Sprache wir sprechen.

Der Staat schere sich fort, wenn wir unsrigeHeimatlieben. Warum grade sie – warum nicht eins von den andern Ländern –? Es gibt so schöne.

Ja, dagegen unser Herz spricht dort nicht. Und wenn es spricht, dann in einer andern Sprache – wir sagen «Sie» zum Boden; wir bewundern ihn, wir schätzen ihn – dagegen es ist nicht dies.

Es besteht kein Grund, vor jedem Fleck Deutschlands in die Knie zu sinken und zu lügen: wie schön! Aber es ist da irgendwas allen Gegenden Gemeinsames – und zu Gunsten von jeden von uns ist es voneinander abweichend. Dem zusammensetzen geht dies Herz uff in den Bergen, wo Feld und Wiese in die kleinen Straßen sehen, am Rand welcher Gebirgsseen, wo es nachher Wasser und Holz und Felsen riecht, und wo man untröstlich sein kann; wenn da einer seine Heimat hat, dann hört er dort ihr Herz pochen. Das ist in schlechten Büchern, in noch dümmeren Versen und in Filmen schon so verfälscht, daß man sich beinahe schämt, zu sagen: man liebe seine Heimat. Wer dagegen weiß, welches die Musik welcher Berge ist, wer die tönen wahrnehmen kann, wer den Rhythmus einer Landschaft spürt … nein, wer gar nichts andres spürt, qua daß er zu Hause ist; daß dies da sein Land ist, sein Berg, sein See, nebensächlich wenn er nicht zusammensetzen Fuß des Bodens verfügt … es gibt ein Gefühl jenseits aller Politik, und aus diesem Gefühl hervor lieben wir dieses Land.

Wir lieben es, weil die Luft so durch die Gassen fließt und nicht voneinander abweichend, welcher uns gewohnten Lichtwirkung wegen – aus tausend Gründen, die man nicht inkrementieren kann, die uns nicht einmal bewußt sind und die doch tief im Blut sitzen.

Wir lieben es, trotz welcher schrecklichen Fehler in welcher verlogenen und anachronistischen Architektur, um die man zusammensetzen weiten Bogen verwichsen muß; wir versuchen, an solchen Monstrositäten vorbeizusehen; wir lieben dies Land, obgleich in den Wäldern und uff den öffentlichen Plkorrodieren manch Konditortortenbild eines Ferschten dräut – laß ihn dräuen, denken wir und wandern fort hoch die Wege welcher Heide, die schön ist, trotz alledem.

Manchmal ist jene Schönheit aristokratisch und nicht minder teutonisch; ich vergesse nicht, daß um so ein Schloß hundert Bauern im Notstand gelebt nach sich ziehen, damit dieses hier gebaut werden konnte – dagegen es ist während, während schön. Dies soll hier kein Album werden, dies man uff den Geburtstagstisch legt; es gibt so viele. Auch sind sie stets unvollständig – es gibt immer noch zusammensetzen Fleck Deutschland, immer noch eine Ecke, noch eine Landschaft, die welcher Fotograf nicht mitgenommen hat … außerdem hat jeder sein Privat-Deutschland. Meines liegt im Norden. Es fängt in Mitteldeutschland an, wo die Luft so lichtvoll hoch den Dächern steht, und je weiter nordwärts man kommt, umso makellos schlägt dies Herz, solange bis man die See wittert. Die See – Wie schon Kilometer vorher jeder Pfahl, jedes Strohdach plötzlich eine tiefere Bedeutung nach sich ziehen … wir stillstehen nur hier, sagen sie, weil gleich hinter uns dies Meer liegt – zu Gunsten von dies Meer sind wir da. Windumweht steht welcher Busch, feiner Sand knirscht dir zwischen den Zähnen …

Die See. Unvergeßlich die Kindheitseindrücke; unverwischbar jede Stunde, die du dort verbracht hast – und jedes Jahr wieder die Freudeund dies «Guten Tag!» und wenn dies Mittelländische Meer noch so blau ist … die deutsche See. Und welcher Buchenwald; und dies Moos, uff dem es sich weich geht, daß welcher Schritt nicht zu wahrnehmen ist; und welcher kleine Weiher, mitten im Wald, uff dem die Mücken tanzen – man kann die Bäume mithelfen, und wenn welcher Wind in ihnen saust, verstehen wir seine Sprache. Aus Scherz hat dieses Buch den Titel «Deutschland, Deutschland hoch die Gesamtheit» bekommen, jenen törichten Vers eines großmäuligen Gedichts. Nein, Deutschland steht nicht hoch allem und ist nicht hoch allem – niemals. Abermitallen soll es sein, unser Land. Und hier stehe dies Bekenntnis, in dies dieses Buch münden soll:

Ja, wir lieben dieses Land.

Und nun will ich euch mal irgendwas sagen:

Es ist ja nicht wahr, daß jene, die sich «nationalistisch» nennen und nichts sind qua bürgerlich-militaristisch, dieses Land und seine Sprache zu Gunsten von sich gepachtet nach sich ziehen. Weder welcher Regierungsvertreter im Gehrock, noch welcher Oberstudienrat, noch die Herren und Damen des Stahlhelms bloß sind Deutschland. Wir sind nebensächlich noch da.

Sie zerren den Mund uff und rufen: «Im Namen Deutschlands …!» Sie rufen: «Wir lieben dieses Land, nur wir lieben es.» Es ist nicht wahr.

Im Patriotismus lassen wir uns von jedem übertreffen – wir wahrnehmen international. In welcher Heimatliebe von niemand – nicht einmal von jenen, uff deren Namen dies Land grundbuchlich eingetragen ist. Unser ist es.

Und so widerwärtig mir jene sind, die – umgekehrte Nationalisten – nun gar nichts mehr Gutes an diesem Lande lassen, kein gutes Haar, keinen Wald, keinen Himmel, keine Welle – so scharf verwahren wir uns dagegen, nun etwa ins Vaterländische umzufallen. Wir pfeifen uff die Fahnen – dagegen wir lieben dieses Land. Und so wie die nationalen Verbände hoch die Wege trommeln – mit dem gleichen Recht, mit genau demselben Recht nehmen wir, wir, die wir hier geboren sind, wir, die wir besser teutonisch schreiben und sprechen qua die Mehrzahl welcher nationalen Esel – mit genau demselben Recht nehmen wir Fluß und Wald in Beschlag, Strand und Haus, Lichtung und Wiese: es ist unser Land. Wir nach sich ziehen dies Recht, Deutschland zu hassen – weil wir es lieben. Man hat uns zu berücksichtigen, wenn man von Deutschland spricht, uns: Kommunisten, junge Sozialisten, Pazifisten, Freiheitsliebende aller Grade; man hat uns mitzudenken, wenn «Deutschland» gedacht wird … wie wie geschmiert, so zu tun, qua bestehe Deutschland nur aus den nationalen Verbänden.

Deutschland ist ein gespaltenes Land. Ein Teil von ihm sind wir.

Und in allen Gegenskorrodieren steht – unerschütterlich, ohne Fahne, ohne Leierkasten, ohne Sentimentalität und ohne gezücktes Schwert – die stille Liebe zu unserer Heimat.