Klimaziele für jedes 2030 in Gefahr: Expertenrat widerspricht Habeck

Der Expertenrat für Klimafragen der Regierung sieht die deutschen Klimaziele für 2030 in Gefahr und widerspricht Klimaschutzminister Robert Habeck. Eine Ziel-Erreichung bei den Treibhausgas-Emissionen von 2021 bis 2030 könne man nicht bestätigen, im Gegenteil gehe man von einer Zielverfehlung aus, erklärten die Experten am Montag nach Prüfung der erwarteten Emissionen bis 2030.

Die Experten empfahlen der Ampel-Regierung, schnell neue Klimaschutz-Instrumente zu prüfen, besonders im Bau- und Verkehrssektor. Noch im März hatte das Umweltbundesamt auf Basis dieser sogenannten Projektionsdaten geurteilt, das Ziel 2030 könne erreicht werden. „Deutschland ist auf Kurs – erstmals“, hatte Habeck daraufhin gesagt. Dies wird durch das Urteil des Expertenrats nun fundamental infrage gestellt.

Das Urteil des Expertenrats ist entscheidend

Dem Expertenrat ist im Klimaschutzgesetz die Rolle zugewiesen, die Daten unabhängig zu überprüfen. Sein Urteil ist maßgeblich. Im neuen Klimaschutzgesetz, das kürzlich von Bundestag und Bundesrat beschlossen wurde, wird der Rat sogar noch gestärkt. Obwohl das Gesetz formal noch nicht in Kraft ist, hatte der Expertenrat die Aufgabe, vor dem Hintergrund des neuen Gesetzes die Daten zu prüfen.

Nach dem neuen Klimagesetz ist das Urteil des Expertenrats entscheidend dafür, ob Deutschland beim Klimaschutz mit weiteren Instrumenten nachsteuern muss. Dies greift allerdings erst, wenn der Expertenrat dies mit Blick auf die Daten bis 2030 zweimal infolge feststellt. Sollte dies 2025 erneut geschehen, wäre dann doch noch die bisherige Ampel-Regierung gefordert, mehr beim Klimaschutz zu tun. Allerdings fiele das Urteil dann in die heiße Phase des Bundestagswahlkampfes 2025.

Deutschland ist verpflichtet, bis 2030 65 Prozent weniger Klimagas auszustoßen als 2030. 2023 hatte Deutschland seine Vorgabe insgesamt erfüllt, die Einzelsektoren Verkehr und Bau aber ihre gerissen. Nach dem neuen Gesetz müssen die Sektoren nun aber keine Sofortprogramme mehr auflegen, um wieder auf Kurs zu kommen. Entscheidend ist, dass Deutschland insgesamt seine jeweiligen Jahresziele erreicht und auch 2030 den Projektionsdaten zufolge schafft.

Das Problem mit der EU

Ihr Urteil zum Ziel 2030 begründeten die Experten mit einer Unterschätzung der zu erwartenden Treibhausgas-Emissionen in mehreren Sektoren. Das gelte etwa für die Industrie, die zuletzt wegen der Wirtschaftsschwäche weniger CO2 produziert hatte. Aber auch bei allen übrigen Sektoren bis auf Land- und Abfallwirtschaft seien die vom Umweltbundesamt übermittelten Daten zu optimistisch.

Zudem zeichne sich damit ab, dass Deutschland auch nach 2030 nicht auf Kurs zur Klimaneutralität bis 2045 sein werde. Allerdings müsse darauf nach dem neuen Klimaschutzgesetz erst Ende des Jahrzehnts reagiert werden. Dies sei unverständlich. Für ein Handeln werde dann die Zeit zu knapp.

Ähnliches gelte dafür, dass auch mit Blick auf 2030 nach erstmaliger Feststellung der Verfehlung nicht bereits gehandelt werde. „Vor diesem Hintergrund empfehlen wir, nicht auf das abermalige Eintreten einer Zielverfehlung zu warten, sondern die zeitnahe Implementierung zusätzlicher Maßnahmen zu prüfen“, riet der Gremium-Vorsitzende Hans-Martin Henning. Erschwerend komme hinzu, dass die Verantwortung innerhalb der Regierung im neuen Klimagesetz nicht klar geregelt sei. Während bisher die Minister für die Bereiche, die ihre Sektorziele verfehlt hatten, handeln müssten, sei jetzt die gesamte Regierung in der Verantwortung. Es sei aber unklar, wer die Federführung habe.

Nicht gelöst sei zudem das aufziehende Problem mit der Europäischen Union: Während die Sektorziele für Verkehr, Bau- oder Landwirtschaft in Deutschland mit dem neuen Gesetz an Bedeutung verloren hätten, sei dies in der EU nicht der Fall. Verfehlt ein Land hier seine Vorgaben, muss es Emissionsrechte in anderen Ländern zukaufen, die ihre Ziele übererfüllen. Praktisch sind dies Strafzahlungen, die in kommenden Jahren Milliarden-Beträge für Deutschland ausmachen könnten