Christian Lindner beim Dreikönigstreffen welcher Liberale: Arbeit, Alptraum, Denkzettel


Ist das schon der Denkzettel? FDP-Chef Christian Lindner in der Stuttgarter Oper

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FDP-Chef Christian Lindner stimmt beim Dreikönigstreffen der FDP in der Stuttgarter Oper eine Arie auf die deutsche Wirtschaft an und bringt sich als „der schlimmste Alptraum des links-grünen Mainstreams“ in Stellung

In außerparlamentarischen Übungen hat die FDP Erfahrung, wenn auch keine linken. In den Hallen des Berliner Postbahnhofs hat sie das schon einmal vorbereitet, als sie 2013 spektakulär aus dem Bundestag flog und Wunden leckte. „Wir werden die berechtigte Empörung schüren über das, was im Parlament läuft“, prophezeite der damalige Politstar der Jungliberalen, Johannes Vogel, auf dem Parteitag. Nach zehn Jahren noch geschmeidiger, gibt sich der zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden aufgestiegene Politiker in Interviews optimistisch. Keine APO!

Sein Wort im Ohr seines Parteichefs. Denn dafür soll wie bei der Bundestagswahl 2017 noch einmal der FDP-Vorsitzende Christian Lindner sorgen, Generationsgenosse Vogels und noch eloquenter, wie er beim Dreikönigstreffen, nach leichten Anlaufschwierigkeiten, wieder einmal bewiesen hat. Die freiheitsrechtlichen Lorbeeren der Ampel – unter anderem die Rücknahme der Verschärfung des § 218, ohne zu erwähnen, dass das Projekt seiner Streichung momentan auch an der FDP scheitert! – überließ Lindner seinem Kampagnenmanager Marco Buschmann, bis vor Kurzem noch Justizminister.

Um dann, dem Ambiente der Stuttgarter Oper würdig, in eine Arie auf das Können deutscher Ingenieure, die, Prometheus gleich, die deutsche Wirtschaft auf Schultern tragen, zu verfallen. Arbeit, Leistung, das Tremolo. Arbeit, die den Alltag strukturiert, Gebrauchtwerden zu Sinnstiftung und Stolz der Deutschen. Und zitiert den Baggerführer, der durch das deutsche Arbeitszeitgesetz daran gehindert würde, zwölf Stunden am Tag zu arbeiten, weil das so Spaß mache. Wo hat der Mann denn den aufgegabelt? Im subversiven DDR-Song vom Baggerführer Willibald? Und wann hätte Lindner je mehr als eine Promiminute auf einem Bagger gesessen?

Christian Lindner bringt sich in Stellung

„Falsch abgebogen“ ist die rhetorische Figur, wenn Lindner über die Ampel redet. Bei der Wirtschafts- und Arbeitspolitik, beim Staat und überhaupt. Das eine ins Elend getrieben, das andere „dysfunktional“. Der übliche Sermon. Aber wer an Standortqualität verliert wie die Bundesrepublik, dem geht der Einfluss flöten: nicht nur in Europa, sondern in der Welt. „Deutschland hat unvorstellbar Gewicht in der Welt verloren.“ Wer mitspielen will, muss liefern. Lindner beschwört eine „neue Ära“. Den Begriff kennt er aus den liberalen Geschichtsfibeln. Die preußischen Liberalen hatten ab 1858 über das parlamentarische Budgetrecht einen Verfassungskonflikt vom Zaun gebrochen, vielleicht war das Lindners Vorbild als Finanzminister.

Überhaupt keinen Grund sieht der FDP-Vorsitzende, das falsche Abbiegen seiner Partei aus der Ampel zu kritisieren. Die Annahme des Kanzlerultimatums hätte dem Land schlimmen Schaden zugefügt. Die lange währenden „Mitte-links-Koalitionen“ – darunter zählt er auch die Angela Merkels – müssten durch „Disruption“ beendet werden. Lindner bietet sich an, diesen Notstand zu beenden, und gleichzeitig nicht in gefährliche Koalitionsfahrwasser mit AfD oder BSW zu geraten. Wie in den USA wollen sich die Deutschen aus der Bevormundung befreien, glaubt er. Dort haben sie sich Trump eingehandelt, in Deutschland könne das die FDP verhindern. Wenn sie denn gewählt würde. Aber natürlich geht es gar nicht um die Partei, sondern „das Land“ und den „Charakter der Demokratie“. „Ich bin der schlimmste Alptraum des links-grünen Mainstreams“, bringt sich Lindner in Stellung.

Was aber sind die schlimmsten Alpträume der Liberalen? Der Grüne Habeck, der keine Ahnung von der Stabilisierung des Euro hat? Oder der Kanzler, der ohnehin nur „Karnevals-Kamellen“ verteilt? Der schlimmste Alptraum wären AfD und BSW, die durch ihre Stimmanteile dafür sorgen, dass die Liberalen aus dem Parlament verschwinden und womöglich nie mehr aus der Asche auferstehen. Sollten sich FDP und Linke am Ende in der APO wiederfinden und die Populisten triumphieren, wäre das kein gutes Zeichen für die Demokratie. Aber ein verdienter Denkzettel für die Liberalen.