Wärme aus dem Internet
Die nötige Kapazität von Rechenzentren steigt massiv an – und damit auch ihr Energieverbrauch und die Abwärme. Hewlett Packard Enterprise und Danfoss setzen auf modulare Datenzentren in Containern, die auch in die kommunale Energieversorgungen integriert werden können.
Bertjan de Herder nimmt sein Smartphone in die Hand und sagt: „Das hier ist natürlich einer der wichtigsten Treiber.“ Aber natürlich ist die Dauerpräsenz von Hunderten Millionen Menschen im Internet nicht der einzige und vielleicht auch nicht der wichtigste Grund dafür, dass weltweit immer neue, gigantische Kapazitäten an Rechenzentren aufgebaut werden: „Ganz wesentlich ist vor allem auch der das rapide Wachstum bei der Nutzung der Künstlichen Intelligenz“, sagt de Herder.
Der Niederländer ist beim US-Unternehmen Hewlett Packard Enterprise (HPE) zuständig für die Entwicklung und internationale Vermarktung von modularen Rechenzentren – Serverstationen in Containern, die flexibel ausgebaut werden können. HPE hat sich mit dem dänischen Klima- und Wärmetechnikkonzern Danfoss zusammengetan, um die Abwärme von Rechenzentren zu nutzen. „Wir vermarkten unsere modularen Serverzentren seit diesem Jahr in Europa und bereiten uns auf den US-Markt vor“, sagt de Herder WELT am Rande einer Fachkonferenz in Hamburg. Das Besondere an der neuen Generation von Hochleistungsservern: Sie sind wassergekühlt, ihre Abwärme lässt sich mithilfe von Wärmetauschern für industrielle Prozesse oder für kommunale Fernwärmenetze nutzen.
Die Internationale Energieagentur (IEA) geht davon aus, dass sich der globale Strombedarf für Rechenzentren von 2022 bis 2026 auf 1000 Terawattstunden mehr als verdoppeln wird. Für Europa kalkuliert die IEA einen Anstieg von 76,8 auf 98,5 Terawattstunden. Der Anteil der Rechenzentren am gesamten europäischen Strombedarf stiege damit von 2,7 Prozent im Jahr 2018 auf 3,2 Prozent im Jahr 2030 – bei einem durch die steigende Elektrifizierung insgesamt stark wachsenden Strombedarf.
Die zweite Seite dieser Entwicklung ist die stark zunehmende Abwärme auch durch Rechenzentren. Danfoss schätzt, dass bei der gesamten Energienutzung in Europa insgesamt jährlich etwa 2860 Terawattstunden Energie als Abwärme ungenutzt freigesetzt werden – eine Größenordnung, die dem gesamten Heiz- und Warmwasserbedarf Europas entspricht.
Bislang werden Rechenzentren fast durchweg mit Luft gekühlt. Und sie werden in der Regel da gebaut, wo günstig viel Platz zur Verfügung steht, etwa in Gewerbegebieten. Die Abwärme geht verloren. Modulare, wassergekühlte Systeme hätten mehrere Vorteile: „Die Server lassen sich leichter und stabiler herunterkühlen, das senkt zugleich auch ihren Energieverbrauch“, sagt de Herder. „Abwärme in einem flüssigen Medium lässt sich zudem besser nutzen. Modulare Rechenzentren in Containern lassen sich außerdem sehr flexibel platzieren.“
Das Unternehmen GP Joule mit Sitz in Reußenköge in Nordfriesland wächst seit Jahren mit integrierten Energielösungen. „Rechenzentren sind große Stromverbraucher. Sie sind ideal geeignet, um Spitzenlasten aus erneuerbaren Energien wie dezentralen Solar- oder Windparks aufzunehmen“, sagt Felix Schwahn, Geschäftsführer von GP Joule Wärme. „Voraussetzung ist dabei natürlich eine jederzeit stabile Stromversorgung der Rechenzentren durch das Stromnetz des Grundversorgers.“ Die Abwärme von Rechenzentren ließe sich in kommunalen Netzen ebenso nutzen in größeren Wohnblöcken – Energie aus etwa 45 bis 50 Grad warmem Wasser, das bei Bedarf noch weiter erwärmt werden könnte.
Industrieunternehmen oder auch Müllverbrennungsanlagen leiten ihre Abwärme längst in kommunale Wärmenetze, etwa der Kupferhersteller Aurubis in Hamburg. „Abwärme aus Rechenzentren bietet ein riesiges und wachsendes Potenzial“, sagt Danfoss-Sprecherin Andrea Voigt, „das bislang aber praktisch nicht genutzt wird.“
Source: welt.de