Salzgitter-Chef: Grüne Leitmärkte sichern dasjenige Überleben des Standortes D – WELT
Die deutsche Stahlindustrie bekommt für ihre grüne Transformation hohe staatliche Subventionen. WELT-Chefökonomin Dorothea Siems kritisiert dies als „Planwirtschaft und Irrweg“. Gunnar Groebler, Salzgitter-Chef und Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, widerspricht vehement.
Die Stahlindustrie in Deutschland steht unter massivem Druck und ist auf Unterstützung angewiesen, um den Weg in Richtung Klimaneutralität zu schaffen. Trotz der milliardenschweren Unterstützung durch Wirtschaftsminister Robert Habeck wird deutlich, dass diese Maßnahmen allein nicht ausreichen, um die tiefgreifenden strukturellen Herausforderungen unserer Stahlindustrie in der Transformation zu einer klimaneutralen Produktion vollständig zu bewältigen.
Die Branche steht vor komplexen Aufgaben, die weit über finanzielle Förderungen hinausgehen und zusätzliche politische Weichenstellungen erfordern, um langfristig wettbewerbsfähig und nachhaltig agieren zu können. Klar ist: Ohne staatliche Unterstützung ist der Umbau der Stahlindustrie nicht machbar!
WELT hat sich in einem Kommentar kritisch geäußert über diese staatlichen Hilfen. Die Autorin spricht von der größten Subventionsrunde für eine Industriebranche, die es je in Deutschland gab, und bezeichnet sie als Planwirtschaft und Irrweg. Belohnt werde damit nicht Innovationsfreude, sondern die beste Lobbyarbeit.
Abnahmegarantien in Form grüner Leitmärkte würden zudem andere Wirtschaftszweige in ihrer Wettbewerbsfähigkeit schwächen und die Stahl-Konzerne träge machen. Deutschland verkomme damit zum Industriemuseum – und der Steuerzahler müsse dafür bluten. Dieser Ansicht widerspreche ich vehement.
Doch, die Umstellung auf grünen Stahl ist notwendig! Die Umstellung auf CO₂-armen Stahl ist von entscheidender Bedeutung, um Deutschlands Klimaziele zu erreichen. Ohne grünen Stahl können keine nachhaltigen Produkte hergestellt werden – weder Elektroautos noch Windkraftanlagen.
Der Anteil der Emissionen, die durch Stahl verursacht werden, ist beträchtlich. Und, um es mit aller Deutlichkeit zusagen, die Stahlunternehmen haben bereits selbst Milliarden investiert, um ihre Produktion auf Klimaneutralität umzustellen.
Förderung ist kein Almosen
Entgegen der Behauptung, dass grüne Leitmärkte ein „gefährlicher Irrweg“ seien, sind sie volkswirtschaftlich notwendig, um die Transformation zu beschleunigen. Um die deutsche Volkswirtschaft in die Klimaneutralität zu führen, ist dieser Umbau von entscheidender Bedeutung: Ohne grünen Stahl können keine nachhaltigen Produkte erzeugt werden.
Bei einem Elektroauto stammen rund ein Fünftel der bei der Herstellung erzeugten Emissionen vom verbauten Stahl, bei einer Windkraftanlage sind es rund 80 Prozent.
Wer also klimaneutralen Stahl einkauft, kann auf diese Weise seinen eigenen CO2-Fußabdruck senken, kann damit die eigenen Klimaziele erreichen und kann bei Kunden mit einem zertifiziert nachhaltigen Produkt im Angebot punkten.
Und das, ohne in die Umstellung einer Produktionsanlage investieren zu müssen – denn das hat die Stahlindustrie als Basisindustrie schon erledigt: Die Unternehmen haben seit Jahren schon Milliarden in ihre eigenen Produktionsumstellungen investiert, um die Grundlage für klimaneutrale Produkte zu schaffen.
Staatliche Unterstützung ist eine strategische Investition. Wer Kritik äußert, dass Subventionen und Abnahmegarantien Unternehmen träge machen, ignoriert völlig die Realität. Diese Förderungen sind keine Almosen, sondern strategische Investitionen in die Zukunft der Industrie. Wir müssen uns vor Augen halten: Standortentscheidungen, die heute getroffen werden, entscheiden über die globalen Wertschöpfungsketten von morgen.
Etwa ein Viertel der deutschen Wirtschaftsleistung kommt aus der Industrie – ein Alleinstellungsmerkmal, das Deutschland von anderen westlichen Volkswirtschaften unterscheidet. Stahl ist das Rückgrat vieler Schlüsselindustrien. Der Verlust der heimischen Stahlproduktion würde nicht nur zehntausende Arbeitsplätze kosten, sondern auch Deutschlands eng verflochtene Industriecluster und deren Innovationskraft zerstören.
Ein solcher Schaden wäre kaum wieder gutzumachen. Eine resiliente Standortpolitik sichert indes die strategische Souveränität Deutschlands und verhindert Abhängigkeiten von Ländern, die weniger demokratische Ambitionen und weniger strenge Klimavorgaben haben.
Wenn Produktionskapazitäten einmal ins Ausland abgewandert sind, werden sie so schnell nicht zurückkommen. Das Ergebnis: Mehr Emissionen im Ausland und weniger Wertschöpfung bei uns – eine doppelte Niederlage!
Jetzt ist der Moment, in dem Deutschland handeln muss. Die Behauptung, Subventionen würden zu einer planwirtschaftlichen Abwärtsspirale führen, verkennt die Situation. Die Klimaziele sind klar und verbindlich, und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie hängt davon ab, wie schnell sie sich an diese Ziele anpasst.
Jetzt ist der Moment, in dem Deutschland mutig handeln muss, um seine Industrie zu transformieren und dabei gleichzeitig Vorreiter im globalen Klimaschutz zu werden.
Gunnar Groebler ist seit wenigen Wochen Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl. Der 52-Jährige hat an der RWTH in Aachen Ingenieurwissenschaften studiert und zunächst viele Jahre in der Energiebranche gearbeitet, ehe er in die Stahlindustrie gewechselt ist. Seit 2021 ist er Vorstandsvorsitzender der Salzgitter AG.
Source: welt.de