Rheinmetall-Chef Papperger: „Der Bundeswehr fehlt es an allem“

Der Vorstandsvorsitzende des Rüstungskonzerns Rheinmetall sieht die Politik in der Pflicht, die Militärausgaben langfristig zu steigern, damit Deutschland verteidigungsfähig wird. „Man muss deutlich sagen, dass das Geld fehlt“, sagte Armin Papperger am Donnerstagabend vor der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung (WPV) in Düsseldorf. So müsse der deutsche Verteidigungshaushalt von derzeit 52 Milliarden Euro um mindestens 30 Milliarden Euro aufgestockt werden. „Wenn diese 30 Milliarden nicht investiert werden in Deutschland, dann wird die Zeitenwende scheitern“, sagte Papperger. Nur damit könne langfristig Deutschlands Verpflichtung erfüllt werden, als NATO-Staat 2 Prozent der Wirtschaftsleistung in Verteidigung zu stecken.

Die Industrie vertraue nun darauf, dass die Politik ihr Wort halte und mehr bestelle, Rüstungsunternehmen hätten in den vergangenen Monaten viele Investitionen freigegeben ohne auf der anderen Seite die Aufträge dafür zu haben. Nachdem Russland die Ukraine angegriffen hatte, sprach Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Bundestag von der „Zeitenwende“, der Bund stellte ein Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro bereit. Das Geld sei aber schon verplant, argumentiert der Rheinmetall-Vorstandsvorsitzende. Deutschland habe ungefähr 350 Milliarden Euro durch die Friedensdividende in den vergangenen Jahrzehnten eingespart. „Diese Einsparung war zu viel. Der Bundeswehr fehlt es immer noch an allem“, sagte Papperger.

Selbst Millionen Schuss reichen nicht

Zwar habe Rheinmetall die Produktion von Artilleriemunition seit Kriegsbeginn auf derzeit rund 700.000 Schuss verzehnfacht und baue das weiter aus. Doch gehe derzeit so gut wie alles direkt in die Ukraine. „Wir haben so gut wie nichts in den zwei Jahren in die eigenen Lager schaffen können“, sagte Papperger. Um die Depots soweit zu füllen, dass Deutschland verteidigungsfähig sei, würde es rund 10 Jahre dauern. Auch in anderen europäischen Ländern wie Italien, Spanien oder Frankreich sei die Lage nicht besser. Hinzu käme, dass sich die Ukraine auch in Zukunft weiter gegen einen Aggressor an der Ostflanke verteidigen müsse, sofern das Land den Krieg nicht verliere. Die 4 Millionen Artilleriegeschosse, die im Land vor Kriegsbeginn vorhanden waren, seien lange verschossen. Alleine ein Viertel davon zu ersetzen, koste schnell 4 Milliarden Euro.

Als ein großer Munitionshersteller profitiert Rheinmetall freilich von der gestiegenen Munitionsnachfrage. In diesem Jahr rechnet der Konzern mit einem Umsatzwachstum von rund 40 Prozent auf mehr als 10 Milliarden Euro, der Auftragsbestand soll zum Jahresende auf 60 Milliarden Euro klettern. Langfristig erwartet der Rheinmetall-Vorstandsvorsitzende auch eine verbesserte Profitabilität, eine Ebit-Marge von 20 Prozent hält Papperger nicht für ausgeschlossen. Dabei gehe es nicht darum, dass man die Preise erhöhe, sondern bei größeren Stückzahlen in der Produktion bessere Ergebnisse erzielen könne.

Marktkapitalisierung seit Kriegsbeginn verfünffacht

Daher glaubt Papperger auch nicht daran, dass mit der aktuellen Börsenbewertung von 22 Milliarden Euro – was einer Verfünffachung seit Kriegsausbruch entspricht – für Rheinmetall schon das Ende des Höhenflugs erreicht sein könnte. „Ich habe den Laden bei 800 Millionen Euro Marktkapitalisierung übernommen“, sagte Papperger, der das Unternehmen seit 2013 als Vorstandsvorsitzender führt. „Ich glaube, dass wir ihn auf 50 Milliarden bekommen. Und dann sind wir bei den ganz Großen dabei.“

Schon jetzt verdoppelt Rheinmetall in seinen Werken in Deutschland, Südafrika und Spanien die Kapazität in seinen Pulverwerken, ein neues entsteht in Rumänien. Mit Indien und den Vereinigten Staaten gebe es ebenfalls erste Gespräche über neue Munitionswerke. Gerade aus dem größten Rüstungsmarkt der Welt erhofft sich der Rheinmetall-Chef Wachstumschancen. In den USA ist der Bedarf neuer Munitionswerke hoch, die Produktionskapazität in dem Land solle auf 1 Millionen Schuss jährlich vervierfacht werden.

Hoffnung auf Panzerauftrag

Zudem ist Rheinmetall im Finale im Bieterwettkampf um die Nachfolge der Bradley-Schützenpanzer, ein Auftrag, der potentiell ein Volumen von mehr als 45 Milliarden Dollar haben könnte. Er glaube, dass Rheinmetall gute Chancen auf den Zuschlag habe, sagte Papperger. Zudem schaue man sich vor Ort auch nach Zukäufen um, damit die amerikanische Tochtergesellschaft schlagkräftiger werde. „Wir sind im weltweit größten Markt für Defense viel zu klein“, sagte Papperger. Grundsätzlich arbeiten dort nur Amerikaner, für Rüstungsprojekte gelten strikte Regeln – auch deshalb werde Rheinmetall nicht als deutscher Konzern angesehen.

Eine transatlantische Konsolidierung schließt Papperger eher aus. „Die Vereinigten Staaten von Amerika würden niemals eine Führung von Europa akzeptieren“, sagte Papperger. Naheliegender wären dort schon Kooperationen etwa mit den Franzosen von KNDS oder den Italienern von Leonardo. Allerdings gebe es eben immer unterschiedliche Eigentümer, mal staatliche, mal Familien oder Aktiengesellschaften wie bei Rheinmetall. Das erschwere Absprachen und manchmal verzögerten nationale Interessen auch gemeinsame Projekte. „Ich glaube daran, dass es sinnvoll wäre, ein europäisches Systemhaus zu gründen“, sagte Papperger. Das sollte dann einen Umsatz von 35 Milliarden Euro machen, um mit den Amerikanern konkurrieren zu können.