Flatex-Gründer probt den Aufstand: Ihm sauer aufstoßen die Vorstands-Boni

Bernd Förtsch lässt an der Leitung des Unternehmens, das er selbst 1999 zu Zeiten des Neuen Marktes unter dem Namen Pre-IPO gegründet hat, kein gutes Haar. Nachdem der fast zehn Jahre amtierende Vorstandschef Frank Niehage am 22. April entnervt von Förtschs Kritik seinen Rücktritt ankündigte, ist für den Verleger aus Kulmbach („Der Aktionär“) nun der Tag der Abrechnung mit Aufsichtsratschef Martin Korbmacher gekommen.

An diesem Dienstag auf der virtuellen Hauptversammlung von Flatex-Degiro will Förtsch Korbmacher, der wie alle Aufsichtsräte noch bis zur Hauptversammlung des Jahres 2025 gewählt ist, abwählen lassen. Dafür braucht Förtsch eine Dreiviertelmehrheit. Nach der Übernahme von Degiro im Jahr 2019 gehören ihm aber nur noch 19,3 Prozent der Aktien.

Um weitere Aktionäre hinter sich zu scharen, hat Förtsch allerhand Argumente aufgeboten. Bisher noch nicht so bekannt ist seine Kritik an der Vergütung des Vorstandes. Dessen Boni hängen an der Entwicklung des Aktienkurses und weiteren Komponenten, was dazu führte, dass zum Beispiel Vorstandschef Niehage zusätzlich zu seinem Festgehalt von 500.000 Euro in den Jahren 2021 und 2022 jeweils 1 Million Euro an Boni erhielt und für das Jahr 2023 immerhin 800.000 Euro.

Der im Aprll 2024 zurück getretene Flatexdegiro-Chef Niehage
Der im Aprll 2024 zurück getretene Flatexdegiro-Chef NiehagePicture Alliance

Die Verringerung des Bonus von Niehage um 20 Prozent kam offenbar nur deshalb zustande, weil der Aufsichtsrat auf eine Sonderprüfung der Bankenaufsicht verwies, in der Flatex Mängel in der Geschäftsorganisation nachgewiesen wurden. Ansonsten seien alle Ziele erreicht worden, heißt es im Vergütungsbericht. Das ist erstaunlich angesichts des stark schwankenden, zwischen Sommer 2021 und Jahresende 2022 sogar stark gefallenen Aktienkurses.

Onlinebroker gehörten zu den größten Profiteuren der Corona-Pandemie. Während in Amerika im Januar 2021 Kleinanleger gegen Großanleger wetteten und die Aktie des weitgehend wertlosen Unternehmens Gamestop auf nicht für möglich gehaltene Kurshöhen trieben, entdeckten auch viele Deutsche auf dem Sofa den Aktienmarkt.

Für die Corona-Aktieneuphorie war Flatex nach dem Kauf von Degiro im Jahr 2019, mit dem der Broker Zugang zu achtzehn Ländern erhielt, gut positioniert. Die im S-Dax enthaltene Aktie kletterte von kaum mehr als 5 Euro im März 2020 auf nahezu 30 Euro im Juni 2021. Im Dezember 2022 aber hieß es für viele zwischenzeitlich eingestiegene Aktionäre fast: wie gewonnen, so zerronnen. Die Flatex-Aktie kostete zeitweise nicht einmal mehr 7 Euro, aber auch das vom Tief ein Plus von 40 Prozent. Dass Niehage dennoch für 2022 wegen Erreichung der mit ihm vereinbarten Ziele 1 Million Euro Bonus erhielt, stößt vielen Aktionären auf. Auf der letzten Hauptversammlung stimmten nur rund 63 Prozent für das Vergütungssystem.

Aufsichtsratschef Korbmacher hat die Regeln zum Bonus überarbeiten lassen und stellt sie nun auf der Hauptversammlung zur Abstimmung. Neben der Entwicklung des Aktienkurses soll es nur noch einen weiteren wichtigen Faktor für den Bonus geben – die Entwicklung des Unternehmensgewinns je Aktie. Förtsch hat auch für diesen Tagesordnungspunkt 9 einen Gegenantrag eingereicht, weil für Vorstand und „normale“ Mitarbeiter ein gemeinsames Aktienoptionsprogramm als Bonus vorgesehen ist. Darin sieht Förtsch eine „völlig unverhältnismäßige Bevorzugung des Vorstands im Verhältnis zur Mitarbeiterzahl“, es entstehe der Eindruck, „dass hier der Vorstand über Gebühr bedacht werden soll“, heißt es in seinem Gegenantrag. Förtsch kritisiert auch, dass es für einen Bonus genügen soll, wenn der Aktienkurs eine bestimmte Hürde einmalig in drei Jahren nimmt, das habe mit einer langfristigen Erfolgsorientierung wenig zu tun.

Mit dieser Kritik scheint Förtsch viele Mitarbeiter hinter sich scharen zu wollen, die Aktien ihres Arbeitgebers besitzen. Manche sind enttäuscht von Förtsch, teilen sie doch dem Vernehmen nach vieles an seiner Kritik, werfen ihm aber vor, sich in den vergangenen Jahren wenig um „sein altes“ Unternehmen gekümmert zu haben. Auch stellt Försch zwei von fünf Aufsichtsratsmitgliedern der Kapitalseite und ist damit bei einem Aktienanteil von 19,3 Prozent überrepräsentiert. Er hätte also bisher schon stärker Einfluss auf die Unternehmensleitung nehmen können.

Doch nun will Förtsch es auch persönlich noch einmal wissen. Er beabsichtigt, am Dienstag selbst wieder in den Aufsichtsrat gewählt zu werden, und hat mit dem früheren UBS-Deutschland-Chef Axel Hörger zusätzlich einen vorzeigbaren Kandidaten als Ersatz für Korbmacher. Korbmacher, ein früherer Investmentbanker der Credit Suisse, ist als Versammlungsleiter gerade im virtuellen Raum im Vorteil und hat sich in der Öffentlichkeit – anders als Förtsch – im Vorfeld zurückgehalten. Nun zählt es. Die Aktionäre werden am Dienstag auch darüber entscheiden, ob ihnen der Sinn nach Revolte oder nach behutsamer Veränderung steht.

Source: faz.net