EU-Iran Verhältnis: Die Chance pro eine neue Iran-Politik wäre jetzt

Am vergangenen Sonntag verschwand der Hubschrauber mit dem iranischen
Präsidenten an Bord vom Himmel
. Am Tag danach wurde eine Interimsregierung
zusammengesetzt, nun geht im Iran die Suche nach einem neuen Präsidenten los.
Es ist auch ein Moment für die Europäische Union, ihr Verhältnis zum Iran zu
überdenken.

Wo dieses zurzeit steht, zeigte sich kurz nach dem Absturz
des Hubschraubers: Da bot der EU-Kommissar für Krisenmanagement, Janez
Lenarcič, bei der Suche nach dem Verschollenen die Hilfe des europäischen
Satellitensystems Kopernikus an. Den entsprechenden Eintrag bei X versah er mit
dem Hashtag #EU-Solidarity. Am Montag wurde der Tod Raissis bestätigt. Da
drückte Ratspräsident der EU, Charles Michel, im Namen der Union sein
„aufrichtiges Mitleid“ aus.

Beide Männer sind dafür scharf kritisiert worden – sehr zu
Recht. Denn Ebrahim Raissi war ein Hardliner der Islamischen Republik Iran. Als
Staatsanwalt war er in den Achtzigerjahren verantwortlich für die Hinrichtung Tausender Gefangener. Er war Präsident eines Landes, zu dessen Staatsräson die
Vernichtung Israels gehört und die mit dem Aggressor Wladimir Putin eine enge Waffenbrüderschaft
eingegangen ist. Raissi ging hart gegen jede innere Opposition vor. Die Protestierenden, die nach dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini im September 2022 auf
die Straße gingen, ließ Raissi niederknüppeln und ins Gefängnis werfen. Der
Mann kannte keine Gnade, er war ein Schlächter.

Beileidsbekundungen mit außenpolitischem Risiko

Und so einem kondoliert der Ratspräsident der EU
„aufrichtig“? Das ist zynisch und schadet der Reputation der Union. Was sollen die
Iraner über die EU denken, die gestern noch die Unterdrücker verurteilte und
heute ihr Mitgefühl mit eben jenen ausdrückt? Michels Beileid hat gewiss auch die
Ukrainer aufhorchen lassen. Wenn die EU heute zu Raissis Tod kondoliert, was
könnte sie morgen über Putin sagen? Und weiter: Wie fest steht die EU überhaupt
an unserer Seite? Können wir uns auf sie verlassen, wenn sie einen Schlächter
mit warmen Worten ins Jenseits begleitet?

Nun könnte man freilich sagen: Charles Michels hat schon häufiger
eine schlechte Figur gemacht. Ihm fehlt der politische Instinkt und der
politische Verstand. Klügere Politiker hätten in dieser Lage geschwiegen. Er ist
der falsche Mann auf dem falschen Platz. Man könnte zudem einwenden, dass
Michel nicht im Namen der EU spricht, und Lenarcič kein gewichtiger Kommissar
ist. Das stimmt alles, aber es ist eben nicht die ganze Wahrheit.

Michels Beileidsbekundung und Lenarčičs Hilfsangebot sind
Reflexe, die auf etwas Tieferes verweisen. Unterdrückung, Waffenlieferung an
Russland oder die Vernichtung Israels hin oder her. Im innersten diplomatischen
Herzen der EU sitzt der Wunsch, trotz allem irgendwie mit der Islamischen
Republik Iran ins Gespräch zu kommen.