Breuninger schockt die Modewelt: Möglicher Verkauf

Die Nachricht, dass das Stuttgarter Traditionshaus Breuninger zum Verkauf steht, hat den Handel und die Modewelt am Dienstagabend völlig überrascht. „Das ist natürlich ein emotionaler Schock. Die Hintergründe sind im Detail noch nicht bekannt. Die zahlreichen namhaften Interessenten zeigen aber, dass der stationäre Einzelhandel und auch Breuninger absolut zukunftsträchtig sind“, sagt Sabine Hagmann, Hauptgeschäftsführerin des Handelsverbands Baden-Württemberg. Auch Klaus-Dieter Koch von Brandtrust, der seit Jahren als Berater die Modebranche beobachtet, hat damit nicht gerechnet: „Breuninger hat sich etabliert, während viele Konkurrenten Insolvenz anmelden mussten.“

Die hinter dem Unternehmen stehenden Eigentümerfamilien wollen das Unternehmen nach Informationen der „Wirtschaftswoche“ verkaufen – und zwar sowohl das Handelsgeschäft als auch die dazugehörigen Immobilien. Bereits im Juni sei der Verkaufsprozess „Projekt Keystone“ angestoßen worden. Das Magazin beruft sich auf eine Aufstellung der Investmentbank Macquarie, nach der es 31 Interessenten für das im Jahr 1881 gegründete Handelsunternehmen gebe.

Breuninger selbst äußerte sich nicht zu den Plänen und war auch von Vertretern von Mode und Handel am Dienstag und Mittwoch schwer zu erreichen. Nach dem Bekanntwerden eines möglichen Verkaufs der Warenhauskette Breuninger sieht die Gewerkschaft Verdi erst einmal keine größere Gefahr für die insgesamt 6500 Arbeitsplätze in Deutschland.

Zahlreiche Interessenten

Zum Teil greifen direkte Konkurrenten nach dem Traditionshaus: Wie die „Wirtschaftswoche“ berichtet, zählen zu den Interessenten Unternehmen wie die spanische Warenhauskette El Corte Inglés oder der französische Luxushändler Galeries Lafayette, für die vor allem das Handelsgeschäft interessant ist, aber auch Frankfurter Fondsgesellschaften seien unter den potentiellen Käufern, denen es um die Immobilien gehe.

Manche wollen aber auch beides, sowohl Immobilien als auch Handelsgeschäft. Dazu zählen die Beteiligungsgesellschaft des amerikanischen Investors Richard Baker, die im Frühjahr die Warenhauskette Galeria Kaufhof aus der Insolvenz herausgekauft hat, und die thailändische Central Group, die nach der Signa-Pleite des Österreichers René Benko die Luxuskaufhäuser KaDeWe in Berlin, Oberpollinger in München und Alsterhaus in Hamburg übernommen hat.

Hinter Breuninger stehen vor allem zwei Familien, die jeweils rund 40 Prozent an dem Handelsunternehmen halten: zum einen die Familie des langjährigen Breuninger-Chefs Willem van Agtmael, der die Expansion des Kaufhauses maßgeblich vorangetrieben hat, und den der 1980 gestorbene Heinz Breuninger, Enkel des Unternehmensgründers, zu seinem Nachfolger aufgebaut hatte. Und zum anderen die Familie von Wienand Meilicke, dem Testamentsvollstrecker von Heinz Breuninger. Helga Breuninger, das einzige Kind des Gründerenkels, hatte ihre Anteile 2004 an van Agtmael und Meilicke verkauft.

Ein Fels in der Brandung

Die Stuttgarter gelten als Ausnahmeerscheinung in der Modewelt. „Ein Leuchtturm“ des Modehandels ist Breuninger in den Augen von Hermann Hutter, Präsident des Handelsverbands Baden-Württemberg. Ob Peek & Cloppenburg, das Damenbekleidungshaus Hallhuber, der fränkische Modeversender Madeleine oder Luxusmodelabels wie Escada – sie alle meldeten Insolvenz an.

Während es laut dem Statistischem Bundesamt im Jahr 2000 noch 35.300 Einzelhandelsunternehmen in der Modebranche gab, waren es 2022 nur noch 12.700. Breuninger konnte diesem Abwärtsstrudel bisher trotzen. Im Jahr 2023 steigerte das Unternehmen seinen Umsatz um 7 Prozent auf rund 1,5 Milliarden Euro – das bedeutete nahezu eine Verdreifachung seit 2013. Der Konzerngewinn kletterte laut Bundesanzeiger von acht Millionen Euro im Jahr 2013 auf zwölf Millionen Euro im Jahr 2021.

Wie haben die Stuttgarter das geschafft? Yasin Maloglu von der Unternehmensberatung Marktlink führt den Erfolg Breuningers vor allem auf zwei Gründe zurück: eine erfolgreiche digitale Transformation und eine Kundenbindung durch Exklusivität. Der Drahtseilakt eines stationären Modehändlers liege darin, beides miteinander zu versöhnen. „Breuninger hat früher als andere in den Aufbau eines Onlineshops investiert“, sagt Maloglu.

Online erfolgreich

Und dieser Schritt war im Nachhinein betrachtet goldrichtig: Im Jahr 2000 betrug der Marktanteil des Onlinehandels im Modehandel laut dem Kölner Handelsinstitut IFH noch etwa 0,2 Prozent – im Jahr 2023 waren es 42 Prozent. Als Modehändler mit stationärer DNA liegt Breuninger deutlich darüber, mittlerweile macht das Onlinegeschäft etwa die Hälfte des Umsatzes aus. Mehr noch: Breuninger spreche eine Kundschaft an, die bereit ist, hohe Preise zu zahlen. „Exklusivität macht vor allem im Luxusbereich den Unterschied“, sagt Unternehmensberater Maloglu.

Der Modefachmann Klaus-Dieter Koch stimmt dem prinzipiell zu. Zugleich zeigt er sich mit Blick auf den potentiellen Verkaufspreis skeptisch: „Wenn Breuninger nach Abzug der Schulden zwei Milliarden Euro haben möchte und sich 1,8 Milliarden Euro auf Immobilienwerte beziehen, kann kaum von einem Modeüberflieger die Rede sein“, sagt er. Dass die Eigentümer jetzt darüber nachdenken, das Traditionshaus zu verkaufen, sieht er eher als Zeichen der Schwäche. Die Botschaft, die sich hinter den Verkaufsgedanken verstecke: „Wir glauben nicht mehr an die Innenstadt.“

Zumindest von Hamburg scheint Breuninger felsenfest überzeugt zu sein. Im Oktober soll im Westfield Überseequartier eines der größten Einkaufszentren Nordeuropas mit einer Verkaufsfläche von 14.000 Quadratmetern entstehen. Als Ankermieter will Breuninger dort Luxusmarken unter die Kunden bringen. Zur Einweihungsparty wird Breuninger wohl wieder Champagner anbieten – und womöglich mit potentiellen Investoren anstoßen.