Vermögensteuer pro Milliardäre: Selbst Warren Buffett ist dazu

Die Idee,
Hochvermögende stärker zu besteuern, drängt sich gerade in Zeiten klammer
Kassen und schwachen Wirtschaftswachstums auf. Bisher sind verschiedene
Vorstöße aber immer wieder verpufft. Doch nun liegt ein bemerkenswerter Vorschlag der
Regierung Brasiliens auf dem Tisch
, die in diesem Jahr die Präsidentschaft der
G20, der Vereinigung der 20 größten Volkswirtschaften der Welt, innehat. Sie fordert
die Einführung einer Milliardärssteuer – eine Idee, die viele frühere
Staats- und Regierungschefs unterstützen. Was in der Vergangenheit immer wieder
blockiert wurde, scheint nun zum Greifen nahe. Aber wie fair wäre eine solche Steuer für Milliardärinnen und Milliardäre, ist sie tatsächlich wünschenswert? 

Das Konzept dahinter hat der französische Ökonom
Gabriel Zucman ausgearbeitet
. Demnach sollen alle
Menschen weltweit mit einem Vermögen von mehr als einer Milliarde US-Dollar
(das sind umgerechnet knapp 930 Millionen Euro) in Zukunft jährlich zwei Prozent
ihres Vermögens als Steuern an den eigenen Staat entrichten. Das würde knapp
250 Milliarden Euro an zusätzlichen Steuereinnahmen im Jahr bedeuten, die die
jeweiligen Regierungen in Bildung, Gesundheit, Infrastruktur, Klimaschutz und
andere Dinge investieren oder Bürgerinnen und Bürger entlasten können.

255 Milliardärshaushalte allein in Deutschland

Mein
Kollege Stefan Bach, Steuerexperte am
DIW Berlin
,
hat dies für Deutschland ausgerechnet: Auf Grundlage der Reichenliste des manager magazins gibt es in Deutschland
heute 255 Haushalte mit einem Nettovermögen von mehr als einer Milliarde US-Dollar.
Zusammen besitzen diese Menschen also ein Nettovermögen von 630 Milliarden Euro. Allerdings
haben nicht alle Milliardäre mit deutscher Staatsbürgerschaft ihren Wohnsitz
auch in Deutschland. Das heißt, sie zahlen also auch nicht den Großteil ihrer Steuern
hierzulande. Wenn Deutschland eine solche Milliardärssteuer von zwei Prozent nur
auf die Vermögen der hierzulande ansässigen Milliardäre einführen würde, dann kämen immerhin
knapp 5,7 Milliarden Euro an zusätzlichen Steuereinnahmen jedes Jahr zusammen.
Würde Deutschland diese auf alle Hochvermögenden mit einem Nettovermögen von
mehr als 100 Millionen Euro ausweiten, würden knapp 16,9 Milliarden Euro an
zusätzlichen Steuern eingenommen. Dies ist keine riesige Summe – der
Bundeshaushalt allein enthält Ausgaben von knapp 450 Milliarden Euro pro Jahr –,
aber es ist umfänglich genug, damit der Staat viele Löcher stopfen und
sinnvolle Investitionen anstoßen könnte.

Vier Einwände gegen diese Steuer

Kaum
ist der Vorschlag auf dem Tisch, melden sich die Kritiker und Kritikerinnen zu Wort. Vier
Argumente werden vorgebracht. Zum einen wird eingewendet, eine solche Steuer sei unverhältnismäßig.
Fakt ist jedoch: Es gibt weltweit kaum ein Land, das Arbeit stärker und
Vermögen geringer besteuert als Deutschland. 40 Milliarden Euro, oder knapp ein
Prozent der Wirtschaftsleistung, betragen die vermögensbezogenen
Steuereinnahmen (insbesondere auf Erbschaften, Grund und Boden und Kapital) in
Deutschland – bei privaten Gesamtvermögen von zwischen geschätzt mindestens 7.700
Milliarden Euro, wenn nicht mehr als 10.000 Milliarden Euro. Vermögen wird hierzulande
also mit rund 0,4 Prozent seines Wertes jedes Jahr besteuert. Länder wie die
USA, Frankreich, Kanada oder Großbritannien besteuern private Vermögen drei- bis
viermal stärker. Wenn Deutschland private Vermögen ebenso stark besteuern
würde, stünden jedes Jahr knapp 80 bis 120 Milliarden Euro an zusätzlichen
Steuereinnahmen zur Verfügung.

Ein
zweiter Einwand gegen die Besteuerung von Vermögen ist der administrative
Aufwand. Mein Kollege Stefan Bach schätzt diesen Aufwand auf vier bis acht Prozent
bei Vermögen von ein bis zwei Millionen Euro. Dies ist prozentual nicht mehr
als die Kosten beispielsweise für die Veranlagung der Einkommensteuer. Bei
Milliardenvermögen dürfte der Aufwand sogar deutlich kleiner sein. Die Kosten für die öffentliche Verwaltung können also kein Argument gegen eine Milliardärssteuer
sein, zumal die Berechnungen auf einer ähnlichen Grundlage stattfinden könnten,
wie dies zurzeit für Erbschaften geschieht – so der Vorschlag von Gabriel Zucman und der G20-Präsidentschaft Brasiliens.

Ein
dritter Einwand betrifft die Frage der Gerechtigkeit. Haben sich diese Menschen
ihr Vermögen nicht auch hart erarbeitet? Handelt es sich bei der Milliardärssteuer also um eine Neiddebatte gegen Leute wie Elon Musk, die Großes
für die Menschheit geleistet haben? Dies mag sicherlich für manche Milliardäre
zutreffen, allerdings für viele auch nicht. Die meisten deutschen Milliardäre,
vor allem solche, die in den vergangenen Jahren dazu erst geworden sind, haben ihr
Vermögen Erbschaften zu verdanken und nicht ihrer eigenen Hände Arbeit. Und die
vorgeschlagene Milliardärssteuer von zwei Prozent ist nicht exorbitant und würde
nur einen kleinen Teil des jährlichen Zuwachses der Vermögen abschöpfen. Die
großen Vermögen würden also weiter wachsen, nur eben nicht mehr ganz so
schnell.

Auch Milliardäre unterstützen höhere Steuern

Ein
vierter Kritikpunkt ist der der Substanzbesteuerung, also dass eine solche Steuer
die Milliardäre und ihre Unternehmen so stark schwächen könnte, dass sie nicht
mehr die gleiche Leistungsfähigkeit haben. Auch diese Befürchtung kann leicht
ausgeräumt werden. Der Vorschlag der Milliardärssteuern beinhaltet nämlich, dass
die bereits gezahlte Einkommensteuer gegengerechnet wird. Selbst der bekannte US-Investor
Warren Buffett plädiert seit Jahren für eine stärkere Besteuerung der Superreichen.
Im Jahr 2012 belegte er seine Position sehr eindrucksvoll: Seine Sekretärin
zahle 36 Prozent ihres Einkommens an Steuern, er selbst als Milliardär
lediglich 17 Prozent. Es ist also nicht nur so, dass Milliardäre Steuern auf
ihre Vermögen zahlen, sondern sie haben auch meist die Möglichkeit, ihre
Einkommensteuer zu minimieren. In anderen Worten: Die Milliardärssteuer soll
lediglich sicherstellen, dass wenige Hochvermögende nicht weniger Steuern auf ihr
Einkommen (das heißt Rendite auf ihr Vermögen) zahlen, als Gutverdienende an Steuern
auf ihr Einkommen auf ihre Arbeit zahlen.

Als Rechenbeispiel: Bei einer
jährlichen Rendite von fünf Prozent auf große Vermögen – eine eher konservative
Annahme – würde eine Vermögensteuer von zwei Prozent auf den Wert der Vermögen
also lediglich 40 Prozent des Zuwachses der Vermögen abschöpfen. Dies ist eine
ähnliche Größenordnung wie das, was Spitzenverdienende jedes Jahr an
Einkommensteuer entrichten.

16,9
Milliarden Euro an zusätzlichen jährlichen Einnahmen durch eine Vermögensteuer
für alle Hochvermögenden mit mehr als 100 Millionen Euro ist viel zusätzliches
Kapital, das Politik und Gesellschaft in Bildung, Infrastruktur, Klimaschutz
oder Daseinsfürsorge investieren könnten. Oder sie könnten es nutzen, um die
Startchancen junger Menschen durch ein Lebenschancenerbe oder Grunderbe zu verbessern
.

Obwohl
es kein überzeugendes Argument gegen die Milliardärssteuer gibt, wird sie trotzdem
schwer umzusetzen sein: Denn niemand hat eine stärkere Lobby und mehr
politischen Einfluss als Hochvermögende. Die Hoffnung ist, dass sich mittlerweile
selbst viele der Hochvermögenden für eine stärkere Besteuerung einsetzen
.
Höchste Zeit für die Politik, mit mehr Mut eine solche Milliardärssteuer
umzusetzen.