Berichtspflichten: Bürokratiemonster aus dem Hause Buschmann

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) will „den Bürokratie-Burnout“ beenden. Doch der selbst ernannte „Bürokratieabbauminister“ hat ein Problem: Federführend hat er die Umsetzung eines EU-Vorhabens zu verantworten, welches den Unternehmen schon wieder erhebliche Bürokratie aufbürdet. „Die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung ist ein neues Negativbeispiel für maßlosen Verwaltungsaufwand“, kritisierte Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen und Politik, gegenüber der F.A.Z.

Die jährlichen Kosten, die der Wirtschaft mit den neuen Berichtspflichten der „Corporate Sustainability Reporting Directive“ (CSRD) entstehen, werden in dem Referentenentwurf auf 1,4 Milliarden Euro jährlich beziffert. „Aber Rückmeldungen von unseren Unternehmen zeigen, dass die Gesamtkosten am Ende mindestens dreimal so hoch sein werden“, sagt der Interessenvertreter der Familienunternehmen Kirchdörfer.

Statt eines durchschnittlichen jährlichen Mehraufwands von rund 100.000 Euro je Unternehmen, wie ihn die Bundesregierung erwarte, sei nach Berechnungen großer Familienunternehmen in vielen Fällen mit Mehrkosten von 400.000 bis 500.000 Euro zu rechnen. Auch der BDI kritisiert, der Aufwand werde für viele große Unternehmen „deutlich höher“ als in dem Entwurf angegeben.

Berichtspflicht für mehr als 13.000 Unternehmen

Nach den neuen Vorschriften müssen Unternehmen zusammen mit ihrem Jahresabschluss Informationen zu wesentlichen Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit auf Umwelt und Menschenrechte über die gesamte Wertschöpfungskette liefern. Außerdem müssen sie über Abhängigkeiten von natürlichen Ressourcen und Rückwirkungen des Klimawandels auf ihre Geschäftsmodelle informieren. Die Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung soll Transparenz schaffen und letztlich die Entwicklung nachhaltiger Produktionsmuster fördern. So ist daran gedacht, dass Investoren die Nachhaltigkeitsberichte für Anlageentscheidungen nutzen oder Bewerber sich daran bei der Wahl des Arbeitgebers orientieren.

Rund 13.000 deutsche Unternehmen werden berichtspflichtig sein, schätzt das Justizministerium, insbesondere Kapitalgesellschaften, haftungsbeschränkte Personenhandelsgesellschaften und Genossenschaften. Unberücksichtigt bleibe jedoch, dass wegen Angaben aus der Wertschöpfungskette mittelbar auch sehr viele kleine und mittlere Unternehmen betroffen seien, kritisiert die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK).

Verschärfungen gegenüber EU-Vorgaben

Bis spätestens Juli 2024 müssen die EU-Vorgaben in deutsches Recht umgesetzt werden. Im Februar hatte Buschmann den Referentenentwurf vorgestellt. Zur selben Zeit versuchten er und andere führende FDP-Politiker – vergeblich –, das EU-Lieferkettengesetz wegen ausufernder Sorgfaltspflichten für Unternehmen zu stoppen. Im Juni sollen die neuen Vorschriften das Bundeskabinett passieren.

Buschmann legt Wert darauf, die CSRD-Vorgaben eins zu eins umzusetzen: „Die Belastungen aus dem EU-Recht dürfen keinesfalls durch nationalen Regulierungsehrgeiz noch gesteigert werden.“ Gleichwohl enthalte der Referentenentwurf unnötige Verschärfungen gegenüber den EU-Vorgaben, etwa zum Inhalt der erforderlichen Nachhaltigkeitsberichte, kritisiert der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) in seiner Stellungnahme zu der geplanten Novelle.

Wirtschaft fordert mehr Zeit

Buschmann will den Unternehmen entgegenkommen, indem die neuen Berichtspflichten mit denen nach dem deutschen Lieferkettengesetz verzahnt werden. So wolle man vermeiden, dass Unternehmen zwei im Wesentlichen inhaltsgleiche Berichte nach unterschiedlichen Standards und für unterschiedliche Stellen erstellen müssen, bestätigt das Bundesarbeitsministerium, welches federführend für die entsprechenden Anpassungen des Lieferkettengesetzes zuständig ist.

Doch im Lichte der 1,4 Milliarden Euro Mehrkosten sei das ein schwacher Trost, hält Stiftungsvorstand Kirchdörfer dagegen. Zum Vergleich: Das vierte Bürokratieentlastungsgesetz, welches der Bundestag gegenwärtig berät, sieht Entlastungen von einer Milliarde Euro vor. „Mit Umsetzung der CSRD-Richtlinie wird die beabsichtigte Entlastungswirkung dieses Gesetzes komplett aufgezerrt“, kritisiert Kirchdörfer. Um den Druck durch den Green Deal und die Flut der damit verbundenen EU-Vorgaben zu mildern, sollte der deutsche Gesetzgeber den Unternehmen zumindest mehr Zeit für die Umsetzung der EU-Vorgaben gewähren.

Die DIHK fordert einen „Einführungszeitraum“, in dem Sanktionen wegen Pflichtverstößen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung ausgesetzt oder zumindest maßgeblich reduziert werden. Denn die neuen Vorgaben seien mit vielen Unsicherheiten und Schwierigkeiten verbunden. Die Stiftung Familienunternehmen und Politik illustriert Probleme bei der Datenbeschaffung an folgendem Beispiel: „Wenn ein Unternehmen den CO2-Fußabdruck eines Produkts angeben soll, das mit 20 Teilen aus Asien hergestellt wird, dann ist das schwierig.“

Die neue Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung soll etappenweise eingeführt werden: Für das laufende Geschäftsjahr 2024 müssen große kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Arbeitnehmern berichten. Bis 2028 werden stufenweise weitere Gruppen von Unternehmen einbezogen. Den größten Zuwachs erwartet das Justizministerium für das Geschäftsjahr 2025, wenn erstmals auch nicht kapitalmarktorientierte, aber bilanzrechtlich große Unternehmen einbezogen werden.