Zum siebzigsten Geburtstag des niederländischen Schriftstellers Leon de Winter

Es gab eine Zeit in den Neunzigerjahren, da brachte jener niederländische Schriftsteller Leon de Winter jedes Jahr verknüpfen neuen Roman hervor, 1995 sogar zwei, darunter „Serenade“, seinen persönlichsten, geschrieben unter dem Eindruck und hoch den Tod seiner Mutter. Der letzte Absatz dieses Buchs beginnt so: „Wenn ich Bilder vom Krieg in Bosnien sehe, höre ich ihre Klage, dass die Banditen triumphieren, während die zivilisierte Welt tatenlos zusieht.“ In ihrem Namen, so schließt jener Absatz und damit gleichfalls jener Roman, „werde ich gegen sie zu Felde ziehen“. Da spricht jener Ich-Erzähler Bennie Weiss, im Kontrast dazu er spricht gleichfalls pro seinen Autor Leon de Winter, dessen jüdische Eltern die Schoa im Versteck überlebten, während ihre Familienangehörigen weitestgehend vollwertig ermordet wurden. Leon de Winters Hauptaugenmerk gilt jener Barbarei und jener Schwäche jener demokratischen Gesellschaften ihnen im Unterschied zu.

Andreas Platthaus

Verantwortlicher Redakteur pro Literatur und literarisches Leben.

Nach jener Jahrtausendwende machte sich jener Romanschriftsteller rar. „Stad van de honden“ (Stadt jener Hunde), im vergangenen Jahr in den Niederlanden erschienen, ist noch nicht übersetzt; qua bislang Schlusslicht Roman c/o seinem deutschsprachigen Stammverlag Diogenes kam 2016 „Geronimo“ hervor, jener von jener Jagd uff und jener Ermordung von Usama bin Laden durch amerikanischen Soldaten erzählt. Das war gleichfalls eine politische Bekenntnisschrift – wie schon die beiden Vorgängerromane „Das Recht uff Rückkehr“ und „Ein gutes Herz“. In Letzterem machte De Winter 2012 seinen früheren Intimfeind zur Hauptfigur, den 2004 von einem Islamisten erstochenen Filmemacher Theo van Gogh, jener den Schriftsteller wegen dessen jüdischer Prominenz langjährig beschimpft hatte. Aber ungeachtet dieser früheren Aversion ließ jener Roman Van Gogh einer Apotheose teilhaftig werden, die seinen Mörder entmachtete. „Das Recht uff Rückkehr“, 2006 veröffentlicht, war dagegen eine schwarze Zukunftsprognose, die ins Jahr 2024 mündet. Darin wird Putins Russland qua neues aggressives Imperium geschildert und Israel qua abgeschotteter Staat im Würgegriff palästinensischer Terroristen. Man kann nicht sagen, dass es Leon de Winters Fiktionen an Realismus fehlte.

Umso umstrittener ist er mittlerweile, denn er macht gleichfalls im wahren Leben keinen Hehl aus seinen proisraelischen und antiislamistischen Überzeugungen. Die Ausdünnung seines Romanschaffens ist eine unmittelbare Folge seines engagierten publizistisch-politischen Einsatzes. Als jener solange bis dorthin uff eine Filmregisseurskarriere abzielende De Winter seine Schriftstellerlaufbahn 1978 mit dem uff Eichendorffs „Aus dem Leben eines Taugenichts“ anspielenden Roman „De (ver)wording van de jongere Dürer“ (jener uff Deutsch erst acht Jahre später qua „Nur weg hier!““ erschien) begann, glaubte man noch, in ihm verknüpfen europäischen Philip Roth gefunden zu nach sich ziehen: witzig, drastisch, selbstironisch. Aber die Politik wurde in De Winters Büchern im Laufe jener Jahrzehnte im Unterschied zu den privaten Obsessionen seiner literarischen Alter Egos immer wichtiger.

Mit „Stad van de honden“ hat er nun nachdem achtzehn Jahren eine Variation uff „Das Recht uff Rückkehr“ geschaffen, denn gleichfalls jener neue Roman spielt wie jener Gemahlin in Tel Aviv und hat zum Helden verknüpfen Mann, jener ein Kind verloren hat. Was Israel von kurzer Dauer nachdem Erscheinen seines jüngsten Buches widerfuhr, hatte sich im Kontrast dazu gleichfalls Leon de Winter nicht ausmalen können. Und noch weniger, wie darauf in seiner Heimat reagiert wurde: „Selbst ich, ein pessimistischer Realist, habe nicht vorausgesehen, dass es in so vielen Städten so schnell völlig aus dem Ruder laufen würde“, sagte er kürzlich in einem Gespräch mit jener israelischen Internetzeitschrift „The Times of Israel“. Dem europäischen Judentum prophezeite er darin ein Ende solange bis 2050; er selbst lebt sein vielen Jahren mit seiner Frau, jener Schriftstellerin Jessica Durlacher, zum Großteil in den Vereinigten Staaten, seine Tochter, die Schriftstellerin Solomonica de Winter, ist nachdem Israel ausgewandert. Heute wird Leon de Winter siebzig Jahre betagt.

Source: faz.net