Wahlkampf dieser Union: „Hinter diesem Merz stehe ich“

Sind Sie noch Team Merz? Das wollten wir von unseren Leserinnen und Lesern, die Mitglied in der CDU oder CSU sind, wissen. Hunderte meldeten sich. Mit vier von ihnen – aus Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen – haben wir eine Stunde lang per Videocall über den Zustand der Konservativen diskutiert. 

ZEIT ONLINE: Sie alle haben ein Parteibuch, entweder von der CDU oder der CSU. War der migrationskritische Entschließungsantrag der Union kürzlich der richtige Schritt, obwohl von vornherein klar war, dass er nur mit den Stimmen der AfD durchkommt? 

Pauline Borchard: So klar war das nicht. Die Union hat in der Sitzung nach Kompromissen mit den anderen demokratischen Parteien gesucht. Und ja, den Antrag und das Gesetz einzubringen war nach der Tat von Aschaffenburg richtig.  

Leo Hafner: Das sehe ich genauso. 

Tobias Mitze*: Ich auch.  

Tim Möller: Den Entschließungsantrag vom 29. Januar fand ich nicht richtig. Der Gesetzesentwurf vom Freitag danach war für mich etwas anderes. 

ZEIT ONLINE: Warum? 

Möller: Wir haben uns mit der Abstimmung zum Entschließungsantrag unnötig angreifbar gemacht. Die ganze Empörung, die Populismusvorwürfe hätten wir vermeiden können. Vor allem, weil aus einem solchen Antrag wenig entsteht. Im Gesetzentwurf zwei Tage später ging es um konkrete Maßnahmen. Ich finde es richtig, wenn die CDU sagt: Migration ist unser Thema, nicht das der AfD. Und wir suchen dazu Mehrheiten. 

ZEIT ONLINE: Haben Sie wegen dieser Abstimmungen in den vergangenen Wochen Kritik in Ihrem Umfeld erfahren? 

Borchard: Ich gehe gerne klettern, und die Kletter-Community ist nicht gerade konservativ. Die meisten dort wissen, dass ich für die CDU auf der Landesliste für den Bundestag kandidiere, und ich musste das Verhalten von Friedrich Merz des Öfteren verteidigen. Viele Menschen in meinem Umfeld sind hingegen froh, dass die CDU das Thema angeht. Und innerhalb der Partei erlebe ich mehrheitlich Zustimmung. Klar, es gibt auch hier Leute, die das Vorgehen von Merz kritisch sehen oder komplett ablehnen. Eine Freundin von mir ist aus der Partei ausgetreten. Die kritischen Stimmen bemängeln vor allem die Verabschiedung mit AfD-Stimmen. Und ja, ich verstehe, dass es dazu mehrere Meinungen gibt. 

Mitze: Mich schockiert, dass ich mich gerade rechtfertigen muss, dass ich in der CDU bin, dass Protestierende unsere CDU-Geschäftsstellen belagern und angreifen. Ich habe mich in dieser Partei immer wohlgefühlt. Aber wenn man hört „Ganz Berlin hasst die CDU“ oder „Friedrich von Hindenburg“, dann fühle ich mich als Mitglied missverstanden. Als ich heute Morgen beim Friseur war, habe ich bei einem Gespräch zugehört, das sich um Flüchtlinge und Migration drehte. Das Thema ist einfach präsent und die Leute sind unfassbar unzufrieden damit, wie die Politik es behandelt. Ich wünsche mir, dass wir als Union, dass alle demokratischen Parteien beim Thema Migration Antworten finden. Wir können diese unzufriedenen Menschen nicht ignorieren.  

ZEIT ONLINE: CDU und CSU sind, zumindest dem Namen nach, christliche Parteien: Wer von Ihnen ist denn Mitglied der evangelischen oder katholischen Kirche? 

Herr Mitze und Frau Borchard melden sich.   

ZEIT ONLINE: Was macht das mit Ihnen, wenn sich die beiden großen Kirchen in einer Stellungnahme gegen den Kurs der Partei positionieren? 

Ich war schockiert, als ich den offenen Brief gelesen habe.

Pauline Borchard, CDU-Mitglied aus Baden-Württemberg

Mitze: Nichts. Die evangelische Kirche ist in meinen Augen in den letzten Jahren viel zu politisch geworden. An Weihnachten hatte ich schon Sorge, als ich in der Kirche war, dass wieder irgendeine linke Predigt kommt.  

Borchard: Ich bin aktives Mitglied in der katholischen Kirche. Und ich war schockiert, als ich den offenen Brief gelesen habe. Die so explizite Positionierung gegen eine Partei, die aus meiner Sicht ein christliches Menschenbild in den Mittelpunkt stellt, verwundert mich. Ich war froh, als die katholische Kirche klargestellt hat, dass das nicht mit der deutschen Bischofskonferenz abgesprochen war. In der CDU und von Bischöfen gab es Kritik daran, dass die Kirchen in den Wahlkampf eingegriffen haben. Das sehe ich auch so.