Verhältnis zu China: Deutschland hinaus Schlingerkurs
Kommt das geplante Treffen mit Li Qiang zustande oder nicht? Das war die spannende Frage, bevor Robert Habeck am Freitag auf seiner Asienreise von Seoul nach Peking flog. Der chinesische Ministerpräsident steht im Rang über dem deutschen Wirtschaftsminister und Vizekanzler. Ein Gespräch wäre ein Zeichen der Wertschätzung gewesen. Zunächst sah es gut aus, doch am Vorabend sagte die chinesische Seite kurzfristig ab. Terminschwierigkeiten.
Kaum ein Wort fiel auf dieser Reise so oft wie dieses: „komplex“. So bezeichnet Habeck die Beziehungen zwischen Deutschland und China. Komplex klingt freundlicher als kompliziert. Mit der Ankündigung der EU-Kommission, wegen der hohen chinesischen Subventionen von Anfang Juli an höhere Zölle auf chinesische Elektroautos zu erheben, ist das Verhältnis noch etwas komplexer geworden.
So scharfe Kritik wie lange nicht
Nicht nur in Europa gehen die Meinungen auseinander, wie klug dieser Schritt war. Auch die Bundesregierung ist gespalten. Das Kanzleramt ist nicht glücklich über die Brüsseler Ansage, das Außenministerium schon. Habeck kritisierte China in Peking mit so scharfen Worten wie lange nicht. Er hatte etwas aufzuholen. Im dritten Jahr der Ampelkoalition war er zum ersten Mal in dem Land, das neben den USA der wichtigste Handelspartner Deutschlands ist. Was auch schon ein Statement ist.
Die Chinapolitik der Ampelkoalition mäandert zwischen den Polen Freund und Feind. Auf die markigen Worte am Anfang der Legislatur, als Außenministerin Annalena Baerbock eine Debatte über den Boykott der Olympischen Spiele in Peking anstieß, folgte ein quälend langer Prozess zur Formulierung einer Chinastrategie. Die fiel nach der Redigatur des Kanzleramts freundlicher aus, als sich Außen- und Wirtschaftsministerium das gewünscht hatten.
Gefolgt ist daraus wenig, jedes Kabinettsmitglied macht weiter seins. Baerbock sucht die Provokation, etwa, wenn sie Chinas Präsident Xi Jinping einen Diktator nennt. Olaf Scholz rollte dagegen jüngst ganz in Merkel’scher Tradition den Dax-Chefs den roten Teppich in China aus.
Mit der Planwirtschaft gut arrangiert
Das zweithäufigste Wort der Reise, „De-Risking“ – also eine stärkere Unabhängigkeit von China –, ist bislang mehr politischer Wunsch als Wirklichkeit. Die Investitionsfreude der Unternehmen in China ist ungebrochen. Wer schon vor Ort produziert, baut eher Kapazitäten auf als ab. Mit der Planwirtschaft haben sich die Chinachefs der deutschen Unternehmen gut arrangiert. Von den großen politischen Konflikten – Chinas Unterstützung für Russland im Ukrainekrieg, die Drohungen in Richtung Taiwan, die Menschenrechtsverletzungen – halten sie sich fern. Lieber loben deutsche Manager die Vertreter des Staatsapparats vor Ort in den Provinzen, die die Deutschen nach Kräften unterstützten. Pragmatisch statt komplex.
Rund ein Drittel ihres Umsatzes erwirtschaften die deutschen Autohersteller und auch mancher Industriekonzern in China. Bezogen auf den Gewinn, dürfte die Abhängigkeit noch höher sein. Man kann das kritisieren, wie Habeck das oft tut. Sollte der politische Konflikt eskalieren, träfe das kaum ein Land so hart wie Deutschland. Aber man sollte sich auch ehrlich machen: Das Chinageschäft sichert auch viele Arbeitsplätze der Unternehmen in Deutschland, die sich angesichts der hohen Energiekosten, hohen Steuern und hohen Löhne sonst nicht mehr rechnen würden.
Als Habeck in Peking ein „Update“ der Chinastrategie anregte, klang da auch eine gewisse Anerkennung für China durch, weil das Land so klar formuliert, wo es wirtschaftlich hinwill. Das sollten Deutschland und die EU auch tun, riet er. Das klingt nach noch mehr staatlicher Lenkung, nach noch mehr Subventionen. Doch die Politik kann noch so viele Milliarden für neue Batterie- und Solarfabriken verteilen: Wenn die anderen Standortfaktoren nicht stimmen, wird es schwierig mit der grünen Industrie in Deutschland. Wichtiger als eine neue Chinastrategie wären Freihandelsabkommen mit Südamerika oder Indien. Doch da bremsen nicht zuletzt Habecks Grüne.
Ob es so klug war, die Strategie des De-Riskings mit der Unterstützung Chinas für Russland zu begründen, darf bezweifelt werden. Es bestätigt die Chinesen in ihrem Eindruck, dass die Europäer mit den Zöllen einen ehrgeizigen Konkurrenten ausbremsen wollen.
Wettbewerb ist anstrengend, aber er ist der Treiber von Wachstum und Wohlstand. Ohne die Ankündigungen von BYD & Co., ihre Elektroautos künftig nicht nur zu exportieren, sondern auch in Europa bauen zu wollen, hätten deutsche Autohersteller wahrscheinlich nicht so schnell den Ehrgeiz entwickelt, auch ein Elektroauto unter 20.000 Euro zu bauen.