US-Auslandsmedien: Angriff aufwärts die globale Meinungsfreiheit

Wie leicht kann man angesichts der Flut an
Dekreten und Erlassen aus dem Weißen Haus gerade den Überblick verlieren!
Beinahe täglich werden staatliche Behörden geschlossen oder massiv
zusammengestrichen. Eine angekündigte Deregulierung reiht sich an die nächste.
Und alle zusammen werden zum Bad-News-Rauschen: Keiner hat mehr Zeit, die
Folgen zu bedenken. Schlimmer noch: Die mediale Überforderung gehört zur
Strategie der Trump-Regierung. Und sie richtet sich auch ganz direkt gegen
Medien. Etwa diejenigen, die der US-amerikanische Staat selbst finanziert und
betreibt.

Ende vergangener Woche unterzeichnete
Präsident Donald Trump ein Dekret, das eine radikale Mittel- und Stellenkürzung
bei der United States Agency for Global Media (USAGM) ankündigt, ohne diese
genau zu beziffern. Der Behörde, die eigentlich über ein geplantes Jahresbudget
für 2025 von 950 Millionen Dollar verfügt, unterstehen alle staatlich
finanzierten US-Auslandsmedien, darunter die so renommierten wie
traditionsreichen Rundfunksender Voice of America, Radio Asia und Radio Free Europe. USAGM-Angaben zufolge erreichen deren journalistische Inhalte momentan
420 Millionen Menschen in 63 Sprachen und 100 Ländern, und das entweder über
die eigenen Kanäle oder in Zusammenarbeit mit lokalen Partnern.

Damit ist Schluss, die Gelder sind eingefroren:
Denn die Sender, so die Begründung der Trump-Regierung, seien zu Werkzeugen
der „Propaganda“ degeneriert und würden zudem dem Steuerzahler unnötig auf
der Tasche liegen. Ergo: Weg damit! Bereits kurz nach Erlass des Dekrets
erfuhren viele USAGM-Mitarbeiter per Mail, dass sie nicht mehr in ihre
jeweiligen Redaktionen zu kommen brauchen. Ein Sprecher des Weißen Hauses
schickte den so Entlassenen auf dem Nachrichtendienst X noch ein höhnisches
„Auf Wiedersehen!“ hinterher.

Sang- und klanglos wollten die
Chefredakteure der betroffenen Sender das allerdings nicht
über sich ergehen lassen. Er sei zutiefst traurig, schrieb etwa Michael Abramowitz, Direktor
von Voice of America, auf Facebook, dass sein Sender im 83. Jahr des Bestehens
nun zum Schweigen gebracht werde. 1.300 seiner Mitarbeiter wurden beurlaubt, um
sie später zu entlassen. Und Stephen Capus, Chef von Radio Free Europe/Radio
Liberty sprach gar von einem großen Geschenk, das Donald Trump den Feinden
Amerikas damit mache: „Die iranischen Ajatollahs, die kommunistischen Führer Chinas
und die Autokraten in Moskau und Minsk können sich über das Verschwinden von
RFE/RL nach 75 Jahren nur freuen.“ 

Im Äther herrscht nun Vakuum

Ähnlich sieht es Peter Limbourg, Intendant der Deutschen Welle (DW). Als deutscher Auslandssender
arbeitet die DW traditionell eng mit den US-Kollegen zusammen. Am Montag wollte
Limbourg per Pressekonferenz Aufmerksamkeit schaffen und gleichzeitig
Solidarität demonstrieren für die Partnersender, die immer ausgewogen und seriös
berichtet hätten. Denn die Schließung der US-Auslandsmedien sei weit mehr als
eine amerikanische Binnenangelegenheit, ist Limbourg überzeugt: „Das Dekret
wird dramatische Folgen für die Presse- und Meinungsfreiheit weltweit haben.“

Die betroffenen Sender seien
schließlich kein kommerzieller Dudelfunk: Seit dem Zweiten Weltkrieg sollen
sie, zwar staatlich finanziert, aber redaktionell frei, unabhängige
Informationen und demokratische Werte in genau die Weltgegenden tragen, wo man
Demokratie und Pressefreiheit mit Füßen tritt. Richtete sich Radio Free Europe
etwa anfangs vor allem an Oppositionelle und potenzielle Widerstandskämpfer in
Nazideutschland, waren später die Bevölkerungen der Staaten des Warschauer
Paktes Adressat der Berichterstattung. Heute sind es die Menschen in modernen
Diktaturen oder Autokratien, etwa in Nordkorea, Myanmar und vor allem China. 

China ist der momentan größte Systemrivale der USA und eigentlicher
Hauptgegner der Außenpolitik der Trump-Regierung, zumindest behauptet der
US-Präsident das ständig. „Doch mit der aktuellen Entscheidung hat Trump die
Freiheit geschwächt“, sagt Limbourg, und das werde Konsequenzen haben, auch
und gerade für die Vereinigten Staaten. Schon heute investierten Russland und China
schließlich massiv in Berichterstattung fürs Ausland, und deren
Sender seien wirkliche – und nicht nur behauptete – Propagandaorgane.


US-Auslandsmedien: Peter Limbourg ist seit 2013 Intendant der Deutschen Welle.

Peter Limbourg ist seit 2013 Intendant der Deutschen Welle.

Hier müsse ein Gegengewicht
her, so Limbourg. Doch mit der Reduzierung der USAGM auf ein gesetzlich gerade
noch vertretbares Rumpfprogramm und der Unterstellung der Behörde unter einen
Trump-Vertrauten sei das kaum möglich. „Die Reichweite dieser Sender
aufzugeben“, sagte Limbourg am Montag, „ist im höchsten Maße fahrlässig.
Man muss sich wirklich fragen: Weiß Trump, was er da tut? Oder tritt er
mittlerweile aktiv für die Interessen von Autokraten ein?“

Für die Zukunft jedenfalls
ist Limbourg pessimistisch: Zwar sei USAGM nicht der einzige Player, der
unabhängige Informationen global verbreite, doch könnten die Europäer, allen
voran die Deutsche Welle, die BBC und France Médias Monde, das journalistische Vakuum
nicht füllen, das Trump durch das Schleifen der eigenen Sender hinterlasse.
Dafür fehlten die Ressourcen. Der DW-Intendant fodert, Europa müsse mehr tun.
Was genau, das ließ er offen.

Vermutlich hofft Limbourg darauf,
dass die Auslandssender nicht vergessen werden, wenn Europa sich ertüchtigt für
den Verteidigungsfall. Denn spätestens seit dem russischen Einmarsch in die
Ukraine und dem Amtsantritt Donald Trumps ist klar: Die Sicherung des eigenen
Einflussraums ist heute so wichtig wie lange nicht. Auch der globale Äther sei
einer dieser Einflussräume, sagt Limbourg. Er werde nicht leer bleiben, nur
weil der US-Präsident es gerne so will. Entweder füllten die Russen und
Chinesen ihn, oder jemand anders. Doch solange Europa dafür der Wille und die
Mittel fehlten, könne er nicht mehr als hoffen, fürchten, warnen.

Ob er noch ein Schlusswort
geben könne, bat ihn ein Journalist am Montag nach einer halben Stunde
Untergangsstimmung während der DW-Pressekonferenz. Peter Limbourg überlegte
kurz und sagte dann: „Never surrender!“ Doch kämpferisch klang das
nicht, eher abgekämpft und müde.