Ukrainekrieg: USA und Großbritannien verschärfen Sanktionen gegen Russland
Kurz vor dem Ende der Amtszeit von US-Präsident Joe Biden haben die USA und Großbritannien weitreichende Sanktionen gegen den russischen Energiesektor angekündigt, darunter auch gegen eine Tochtergesellschaft des russischen Staatskonzerns Gazprom.
Die US-Sanktionen beträfen die Ölkonzerne Gazprom Neft und Surgutneftegas, 180 Tanker sowie Händler und Anbieter von Ölfeldern, teilte das Finanzministerium in Washington, D. C., am Freitag mit. Damit werde eine Verpflichtung der G7-Staaten erfüllt, „die russischen Einnahmen aus dem Energiesektor zu verringern“.
Schlag gegen Einnahmequelle für den Krieg
Nach Angaben des Weißen Hauses handelt es sich um die bisher umfangreichsten Sanktionen der USA gegen Russlands Energiesektor. Sie sollen Russland die Finanzierung des Angriffskriegs auf die Ukraine erschweren.
„Die USA gehen mit drastischen Maßnahmen gegen eine wesentliche Einnahmequelle des brutalen und illegalen Kriegs Russlands in der Ukraine vor“, sagte die scheidende US-Finanzministerin Janet Yellen.
Großbritanniens Sanktionen zielen ebenfalls auf die beiden Großkonzerne Gazprom Neft und Surgutneftegas, deren Gewinne nach Angaben des britischen Außenministeriums „Putins Kriegskasse füllen und den Krieg in der Ukraine erleichtern“.
Die beiden Unternehmen förderten täglich mehr als eine Million Barrel Öl. Das entspreche etwa einem Wert von 23 Milliarden US-Dollar (rund 22,5 Milliarden Euro) im Jahr, teilte das Außenministerium mit.
Sanktionen gegen 183 Schiffe
Die US-Regierung sanktioniert darüber hinaus unter anderem 183 Schiffe, die sie zum Großteil zur sogenannten russischen Schattenflotte zählt. Das sind Tanker und Frachter, die Russland nutzt, um bestehende Sanktionen beim Öltransport zu umgehen. Die Briten hatten im November Sanktionen gegen solche Schiffe angekündigt, die nun zum Beispiel nicht mehr britische Häfen anlaufen dürfen.
Die Sanktionen verbieten US-Bürgern und Menschen, die sich in den Vereinigten Staaten befinden, Geschäfte mit den sanktionierten Firmen und Personen. Auch internationale Geschäfte werden nun deutlich erschwert. Die US-Regierung kündigte an, auch eine frühere Bestimmung weiter einzuschränken, wonach bestimmte Finanzgeschäfte im Bereich Energie mit sanktionierten Personen oder Firmen bisher noch möglich waren. Dies soll künftig nicht mehr der Fall sein.
Mit den neuen Maßnahmen wollen die Regierungen in den USA und Großbritannien quasi eine Kettenreaktion in Gang setzen. Die Logik: Mit der Schwächung der russischen Energiewirtschaft wird der russischen Regierung der Unterbau für die Kriegsfinanzierung entzogen. „Unsere Sanktionen wirken wie Sand im Getriebe der russischen Kriegsmaschinerie“, hieß es. „Wir gehen davon aus, dass unsere Maßnahmen Russland jeden Monat mehrere Milliarden Dollar kosten werden.“
Hoffnung auf Schwächung des Rubels
Der britische Außenminister David Lammy sagte: „Öleinnahmen sind die Lebensader von Putins Kriegswirtschaft.“ Jeder Rubel, den man Putin wegnehme, werde dabei helfen, Leben von Ukrainern zu retten.
Die US-Regierung hofft, dass die Maßnahmen die russische Währung weiter schwächen, die Inflation anheizen und die russische Zentralbank dazu bringen, den bereits auf Rekordhoch stehenden Leitzins noch weiter anzuheben. Das wiederum könnte die finanzielle Lage russischer Unternehmen weiter verschlechtern. „Ziel ist es, Putins Kalkül über die Kosten der Fortsetzung eines sinnlosen Kriegs zu ändern und gleichzeitig der Ukraine einen größeren Hebel zu geben – einen Hebel, den sie braucht, um einen gerechten und dauerhaften Frieden auszuhandeln“, hieß es.
Gazprom Neft wies die angekündigten Sanktionen umgehend als „unbegründet und unrechtmäßig“ zurück. Die Entscheidung stehe „im Widerspruch zu den Grundsätzen des freien Wettbewerbs“, zitierten staatliche russische Nachrichtenagenturen einen Vertreter des Unternehmens.
Selenskyj bedankt sich
Dagegen begrüßte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die Ankündigungen aus den USA und Großbritannien. Diese stellten „einen schweren Schlag gegen die finanzielle Grundlage der russischen Kriegsmaschinerie“ dar, sagte er im Onlinedienst X.
Betroffen von den Sanktionen ist auch die serbische Öl- und Gasgesellschaft NIS, die sich mehrheitlich im Besitz von Gazprom befindet. Serbiens Präsident Aleksandar Vučić sagte, er wolle mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin sprechen. NIS ist Serbiens einziger Gaslieferant und Mehrheitseigentümer der beiden Pipelines, welche die serbischen Haushalte und die Industrie im Land mit russischem Gas versorgen.
Seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine vor nun fast drei Jahren haben die G7-Staaten eine Reihe von Sanktionen gegen die russische Wirtschaft – einschließlich des lukrativen Erdöl- und Gassektors – verhängt.
Veränderte Lage auf den Energiemärkten weltweit
Den Zeitpunkt der jüngsten Sanktionen begründete die Regierung in Washington mit einer veränderten Situation auf den globalen Energiemärkten. „Zu Beginn des Kriegs (im Februar 2022) waren die Energiemärkte sehr angespannt, und wir hatten Sorge, dass Maßnahmen gegen Russlands Ölexporte die Preise so stark in die Höhe treiben könnten, dass Russland trotz geringerer Verkaufsmenge am Ende sogar mehr verdient“, hieß es.
Deshalb habe man mit den G7-Verbündeten zunächst mit einem Preisdeckel für russische Ölexporte in Drittstaaten gearbeitet. Die aktuelle Marktsituation mit erhöhten Produktionskapazitäten – etwa in den USA, Kanada und Brasilien – lasse nun eine härtere Gangart zu, ohne den globalen Ölmarkt zu destabilisieren.