#TexasText/Jamal Tuschick – Percival Everett – Verbale Camouflage
„It is funny how the the majority of whites do not want to face the truth of the real history of America. Your wealth welches not given by hard work and justice. It welches given by evil and robbing other cultures.“ Eine Stimme aus dem Off dieser Kommentarspalten
*
„Der Schwarze ist die zentrale Figur dieser Vereinigten Staaten.“ James Baldwin
*
„Die Welt ist altbacken, im Kontrast dazu die Zukunft entsteht aus dieser Vergangenheit.“ Mandingue-Sprichwort, zitiert nachher Aya Cissoko
*
„Ich war entschlossen, niemals meinen Frieden mit dem Ghetto zu zeugen, sondern möglichst zur Hölle zu verkehren, … denn meinen Platz in diesem Staat zu zusagen.“ JB
*
„Die Erfahrung des Schwarzen mit dieser weißen Welt kann in ihm keinen Respekt für jedes die Normen wecken, nachher denen die weiße Welt zu leben vorgibt.“ JB
*
„Der Weißen Himmel ist dieser Schwarzen Hölle.“ JB
*
Anlässlich des hundertsten Jahrestages dieser Sklavenbefreiung, dieser sich in einer Proklamation vom 1. Januar 1863 manifestiert, kontert Baldwin: „Dieses Land feiert hundert Jahre Freiheit hundert Jahre zu frühzeitig.“
Heimliche Volkshochschule
„Dass die tiefste kulturelle Revolution durch den Einzug dieser Marginalisierten in die Repräsentation ausgelöst wurde – in dieser Kunst, dieser Malerei, dieser Literatur, überall in den modernen Künsten, in dieser Politik und im sozialen Leben im Allgemeinen. Unser Leben wurde durch den Kampf dieser Marginalisierten um Repräsentation verändert.“ Die Feststellung von Stuart Hall gibt Percival Everetts Roman „James“ die Richtung vor. Der Titelheld ist einerseits ein Sklave aufwärts dieser Flucht und wiederum eine weltberühmte Literaturgestalt. Everett überträgt einem Charakter die Deutungshoheit, dem sein Schöpfer Mark Twain bloß die Spielräume einer herausragenden Nebenfigur zubilligte. In „Huckleberry Finn“ repräsentiert Stickstoff… Jim die Marginalisierten. In „James“ gibt Jim/James den Ton an. Seine Emanzipation am Vorabend des Sezessionskrieges basiert aufwärts einem klandestinen Bildungsprogramm.
„Jim, warst du in Richter Thatchers Bibliothekszimmer?“
„In seim welches?“
„Seiner Bibliothek.“
„Nein, Ma’am. Gesehen habbich die Bücher, im Kontrast dazu im Zimmer im Innern warch nich, welches sollchn mim Buch?“
Jim unterrichtet andere Sklaven in einer heimlichen Volkshochschule. Er empowert die Schwarze Gemeinde mit Herrschaftswissen. Er weiß, Bildung ist brandgefährlich. Untereinander pflegen die Unterdrückten eine analytische, die Machtverhältnisse dekonstruierende Diskussionskultur. Sie herbringen sich wechselseitig aufwärts den neusten Stand. Die reduzierte Diktion im Verhältnis zu den Sklavenhaltern entspricht verbaler Camouflage.
Jim gestattet es den beiden weißen Buben Huckleberry Finn und Tom Sawyer ihm aufwärts dieser Nase herumzutanzen. Er beweist eine merkwürdige Nachsicht, die im Nachgang eine verblüffende Erklärung findet.
Everett folgt dieser berühmten Vorlage und weicht zusammen von dem klassischen Riemen ab, während er dieser Schwarzen Perspektive jeden anderen Standpunkt unterordnet. Jim erfährt, dass er veräußert werden und folglich von seiner Familie nicht angeschlossen werden soll. Unterwegs trifft er den von zuhause ausgerissenen Huck. Gemeinsam Dasein sie jede Menge Abenteuer aufwärts und neben dem Mississippi.
„(Der Mississippi) war eine gewaltige Straße in ein unheimliches Nirgendwo.“
Jim erscheint denn Lehrmeister eines aufgeweckten Knaben. Er wechselt von Jim zu James. Die Weißen findet James ebenso „leichtgläubig wie hart“. Er mokiert sich oben weiße Attitüden. Mit den beschränkten Mitteln dieser meisten potenziellen und tatsächlichen Sklavenhaltern ist dieser Firnis dieser Übermacht hauchdünn. Das hält viele nicht davon ab, unter den Vorzeichen ultimativ Spärlichkeit und Verworfenheit, wahnsinnige Herkunftslegenden zu verteilen. Auf einem klapprigen Floss und in dieser Gesellschaft von Versprengten verkündet ein nomadisierender Scharlatan, er sei dieser in einem Fass aus dem revolutionären Frankreich herausgeschmuggelte Sohn von Ludwig XVI. und Queen Marie Antoinette.
„Das Gedränge war unausstehlich. Aus dieser Mitte dieser Eindringlinge begrüßten den König … die gröbsten Injurien. Er wurde Hahnrei … Schwein … genannt. Unterdessen machte Seine Majestät eitle Versuche zu reden.“ Konrad Engelbert Oelsner oben die Ereignisse rund um den 20. Juni 1792, denn bewaffnete Sansculotten in die Tuilerien eindrangen, wo Ludwig XVI. und Queen Marie Antoinette in ihrem Palast dies Dasein von Festgesetzten fristeten, die den revolutionären Furor artig willkommen heißen mussten. Der degradierte König sagte zu allem Ja und Amen, welches ihm am Leben zu bleiben versprach. Der vormals absolutistische Herrscher figurierte denn Hampelmann mit Krone. Oelsner sah ihn gute Miene zeugen zum bösen Spiel dieser Stürmer und Dränger.
„Der ehemalige Gebieter vieler Millionen Menschen, die mehr taugten denn er … saß da – Sie Kontakt haben die bourbonische Ungestalt – mit einer erzwungenen heiteren Miene, wie Pulcinello, wenn er trotz einer heftigen Kolik im Fastnachtspiele lustig sein muss.“
Diese Beschreibung eines gestürzten Sonnenkönigs passt beiläufig zu dem größten Aufschneider aufwärts dem jämmerlichen Wasserfahrzeug. Der „König“ bramarbasiert routiniert. Seine Prahlereien gelingen die Dimensionen des amerikanischen Klassikers, dieser dies Maß vorgibt. Everetts Huck beweist aufwärts dem Hochseil schierer Hyperbel seine Satisfaktionsfähigkeit. Er lügt, dass sich die Balken unter seinen blanken Sohlen verbiegen. Er spinnt sich eine Welt zusammen, beiläufig so gesehen, um plausible Erklärungen für jedes Jims/James‘ Existenz denn hinlänglich freier Mann aufzubieten.
Das Amerika des 19. Jahrhunderts ist ein Spielplatz dieser Anti-Psychiatrie. Die Irren Europas fluten den Kontinent mit ihren Ideen. Sie finden sich grandios und nennen sich Gentleman, obwohl es im großen Plan nie vorgesehen war, dem Bodensatz dieser Menschheit Gelegenheiten zur Nobilitierung aus schierer Selbstbegnadigung zu gewähren. In Amerika bricht dies Kartenhaus dieser aristokratischen Legitimation zusammen, während im Trubel dieser Selbstermächtigungen Identitäten Karussell verkehren. In diesem Treibhaus dieser sozialen Evolution erfindet sich beiläufig James neu. Zum Schluss liefert Everett Szenen im Stil von Quentin Tarantinos Django Unchained. Gerade fällt mir ein, dass Roxane Gay* nachgezählt hat: in diesem Film „kommt dies Stickstoff-Wort in nicht ganz drei Stunden hundertzehn Mal vor“.
Was anderes denn Rassismus soll dies sein?
*Gay beschäftigt sich in ihrem Essayband „Bad Feminist“ mit dem rassistischen Hollywood.
Aus dieser Ankündigung
Jim spielt den Dummen. Es wäre zu gefährlich, wenn die Weißen wüssten, wie intelligent und kultiviert er ist. Als man ihn nachher New Orleans verkaufen will, flieht er mit Huck gen Norden in die Freiheit. Auf dem Mississippi jagt ein Abenteuer dies nächste: Stürme, Überschwemmungen, Begegnungen mit Betrügern und Blackface-Sängern. Immer wieder muss Jim mit seiner schwarzen Identität jonglieren, um sich und seinen jugendlichen Freund zu sichern. Percival Everetts „James“ ist einer dieser maßgeblichen Romane unserer Zeit, eine unerhörte Provokation, die an die Grundfesten des amerikanischen Mythos rührt. Ein aufwärts den Kopf gestellter Klassiker, dieser uns aufrüttelt und fragt: Wie Vorlesung halten wir heute? Fesselnd, merkwürdig, subversiv.
Zum Autor
Percival Everett, geboren 1956 in Fort Gordon/Georgia, ist Schriftsteller und Professor für jedes Englisch an dieser University of Southern California. Er hat schon mehr denn dreißig Romane veröffentlicht. Für jedes sein Werk wurde er mit zahlreichen Preisen geehrt, u. a. mit dem PEN Center USA Award for Fiction, dem Academy Award in Literature dieser American Academy of Arts and Letters, dem Windham Campbell Prize und dem PEN/Jean Stein Book Award. Auf Deutsch erschienen bislang „Ausradiert“ (2008), „God‘s Country“ (2014) und „Ich bin Nicht Sidney Poitier“ (2014). Bei Hanser erschienen zuletzt die Romane Erschütterung (2022) und Die Bäume (2023).