Tarifrunde: IG Metall weist Forderung welcher Arbeitgeber kategorisch zurück

Die Botschaft, die Harald Marquardt in diesen Tagen an die Adresse der IG Metall richtet, bewegt sich zwischen einer Kampfansage und einer Bitte um Zusammenarbeit. Der Verhandlungsführer, der für die baden-württembergischen Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie im Herbst einen neuen Tarifvertrag aushandeln soll, hat am Montag erläutert, wie sich die Lage aus Arbeitgebersicht darstellt – und was das für die Gespräche in wenigen Monaten bedeutet.

„Es gibt nichts zu Verteilen. Eine Forderung jenseits der Nullrunde seitens der IG Metall wäre in die Schublade ‚Mangelnde Verantwortung für den Standort Deutschland’ zu stecken“, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Verbandes Südwestmetall, um wenig später die Gewerkschaft um konstruktive Verhandlungen zu bitten. Vor allem hohe Arbeitskosten seien es, unter denen die Unternehmen leiden – und genau das „ist unser Spielfeld gemeinsam mit der IG Metall.“

Marquardt bezog sich auf eine aktuelle Umfrage von Südwestmetall, in der der Verband rund 200 Unternehmen in Baden-Württemberg befragt hat, die mehr als 235.000 Mitarbeiter vertreten. 91 Prozent von ihnen haben angegeben, dass aktuell die hohen Arbeitskosten ihre Geschäftsentwicklung besonders belasten – noch vor Bürokratie und hohen Energiepreisen. 68 Prozent der Unternehmen rechnen 2024 demnach mit zurückgehenden Auftragseingängen, 66 Prozent mit einer sinkenden Produktion. In den ersten vier Monaten des Jahres ist die Auftragseingang im Vergleich zum Vorjahr bereits um 8,2 Prozent, die Produktion um 9,2 Prozent gesunken.

Investitionen gehen wegen Arbeitskosten ins Ausland

Große Sorgen macht sich Südwestmetall, dass Unternehmen ihre Investitionen zunehmend ins Ausland – und da vor allem nach Osteuropa und Asien – verlagern. 68 Prozent der Unternehmen haben ihre Neuinvestitionen im Ausland in den vergangenen fünf Jahren ausgeweitet, 41 Prozent der Unternehmen planen, in den nächsten fünf Jahren genau das ebenfalls zu tun. 86 Prozent geben als Grund für die Verlagerungen auch hier die hohen Arbeitskosten in ihrer Heimat an.

Der Trend sei erwartbar gewesen, der „massive Ausschlag hat mich aber dann doch überrascht“, sagte Südwestmetall-Hauptgeschäftsführer Oliver Barta bei der Präsentation der Zahlen. Er wies zudem darauf hin, dass bei den Arbeitskosten natürlich nicht nur die Löhne, sondern auch die durch die Politik vorgegebenen Sozialabgaben eine Rolle spielten. „Wenn wir die aktuelle Initiative zur Rente sehen, haben wir große Sorgen, weil da weitere Abgaben hinzukommen werden“, sagte Barta. „Im Vergleich dazu, kann die Reform des Bürgergelds aus der Portokasse gezahlt werden.“

Wenn Investitionen aber ins Ausland abwanderten, werde in Deutschland die angestrebte Transformation der Wirtschaft nicht zu schaffen sei. Das sei ein „Prozess, der im Stillen abläuft“, sagte Barta. Neulich sprach der Motorsägenhersteller Stihl davon, dass die Lohnkosten in der Schweiz 15 bis 20 Prozent geringer seien als in der Heimat – und in Rumänien sogar 30 Prozent niedriger.

„Der IG Metall fehlen die Argumente“

Nach Zahlen des Münchner Ifo-Instituts von vergangenem September rechneten 38 Prozent der Unternehmen der deutschen Metall- und Elektroindustrie mit einer Umsatzrendite von unter 2 Prozent oder sogar mit Verlusten. „Damit kann man kein Unternehmen umtreiben“, sagte Marquardt – und forderte von den Gewerkschaftsfunktionären der IG Metall Verständnis für die Situation der Unternehmen.

„Die Produktivität ist mit dieser Entwicklung nicht einher gegangen, die Inflation ist nahe bei dem angestrebten Zielwert, zudem haben die Inflationsprämien die Teuerung mehr als ausgeglichen“, sagte Marquardt. „Wenn die IG Metall ihrer eigenen Logik folgt, fehlen ihr Argumente und Grundlage, wenn sie auf ein hohes Entgeltplus drängt.“

Die IG Metall weist diese Argumentation zurück. „Die Belastungen durch gestiegene Lebenshaltungs- und Energiekosten sind für die Kollegen weiterhin sehr hoch, weswegen für uns eine tabellarische Erhöhung der Entgelte oberstes Ziel sein wird“, sagte Barbara Resch, Bezirksleiterin der IG Metall Baden-Württemberg der F.A.Z.

Fit für die Zukunft?

„Nur so kann auch wieder der Konsum angekurbelt werden, der für die Wirtschaft sehr wichtig ist. Das zeigt auch unsere Befragung, an der sich 90.000 Beschäftigte in Baden-Württemberg beteiligt haben.“ Nicht zielführend sei es „den Standort Baden-Württemberg schlecht zu reden“, sagte die Gewerkschafterin weiter. „Ganz im Gegenteil. Es geht darum die Betriebe für die Zukunft fit zu machen.“

Einig waren sich die Sozialpartner dagegen darüber, dass beide Seiten die Gespräche besonnen führen wollen – gerade im Hinblick darauf, dass Debatten zunehmend populistisch und unsachlich geführt werden, wie der Wahlkampf zur Europawahl gezeigt habe. „Beide Seiten müssen daran arbeiten, dass die Radikalisierung in der Tarifrunde keine Rolle spielt, genau so müssen wir in den Betrieben kommunizieren“, sagte Barta.

IG-Metall-Bezirksleiterin Resch nannte den Wahlausgang der Europawahl am Sonntag „besorgniserregend“. Die Gewerkschaft nehme Ergebnisse sehr ernst. „Dazu gehört für uns, dass wir uns weiterhin für eine starke Tarif- und Betriebspolitik einsetzen. Dass die Gespräche mit Südwestmetall fair und konstruktiv ablaufen, ist für uns eine Selbstverständlichkeit“, sagte Resch weiter.

Ob Baden-Württemberg wie schon oft in der Vergangenheit den Pilotabschluss der Tarifeinigung für ganz Deutschland abschließe, sei offen. „Das entscheidet sich im Laufe der Tarifrunde. Dabei ist für uns die Prämisse, dass der Bezirk den Piloten macht, der das beste Ergebnis für die Beschäftigten herausholen kann.“