Sinkende Immobilienpreise: Der neue Drang zum Hauskauf
Dieser Eindruck zumindest entsteht, wenn man die Meldungen aus der Immobilienbranche hört. Nachdem im vergangenen Jahr vor allem über die sinkenden Hauspreise gesprochen wurde, dreht sich nun der Tenor. Einzelne Unternehmen wie etwa die Finanzierungsberatung Europace verkünden, dass die Preise für Häuser und Wohnungen teils schon wieder höher sind als noch vor einem halben Jahr. Von einer Trendwende sprechen manche sogar schon.
So weit gehen nicht alle, doch Immobilienfachleute sind sich weitgehend einig: Der breite Preisrutsch ist vorbei. Da ist es wenig verwunderlich, dass so mancher interessierte Hauskäufer aus der Schockstarre erwacht.
Die Angst, etwas zu verpassen
Zwar waren die Immobilienpreise in den vergangenen Jahren vergleichsweise niedrig, doch die gestiegenen Zinsen haben einigen jungen Familien den Immobilienkauf vermiest. Der Baukredit wurde zu teuer, den Traum vom Haus haben sie aufgegeben oder zumindest verschoben.
Nun aber sind die Bauzinsen seit Jahresanfang etwas gesunken, und angesichts der Nachrichten tut sich bei manchen das beunruhigende Gefühl auf: War’s das etwa schon mit dem Abverkauf, steigen die Immobilienpreise bald wieder ins Unermessliche? Verpasst man womöglich die Chance seines Lebens, wenn man nicht noch schnell ein Schnäppchen abgreift?
Die Gedanken sind verständlich. Doch ist die große Aufregung wirklich berechtigt?
Dazu muss man zwei Komponenten verstehen, die emotionale und die faktische Lage. Die Angst, eine tolle Gelegenheit zu verpassen, ist tief in uns verankert. Ganze Bücher haben Verhaltensökonomen über das Phänomen geschrieben. Anleger an der Börse beispielsweise verfallen oft regelrecht in Hektik, wenn die Kurse einer Aktie steigen, in die sie selbst noch nicht investiert haben – und stecken wiederum spontan viel Geld in das Papier.
So treffen Menschen Entscheidungen, die womöglich aus rationaler Sicht nicht die schlauesten waren. Auch abseits der Finanzmärkte wissen Unternehmen wie etwa Händler mit dieser Psychologie zu spielen, indem sie Waren künstlich verknappen oder Abverkäufe zeitlich begrenzen.
In der Immobilienbranche funktioniert der Mechanismus ebenso. „Durch Meldungen von Verkaufsportalen, dass die Preise bald wieder steigen, wird der Kaufimpuls der Leute geweckt“, sagt Sören Gröbel vom Immobilien-Dienstleister Jones Lang LaSalle. Als erstes Zwischenfazit lässt sich sagen: Es tut gut, einmal kurz durchzuatmen und die Fakten genau zu analysieren, bevor eine Entscheidung getroffen wird.
Unsanierte Immobilien könnten noch weiter an Wert verlieren
Womit der zweite Aspekt wichtig wird, die aktuelle Lage auf dem Immobilienmarkt. Psychologische Tricks hin oder her: Die Situation ist tatsächlich gerade ganz gut für Hauskäufer. Die Preise für Wohnimmobilien sind laut dem Häuserpreisindex des Statistischen Bundesamts im vergangenen Jahr durchschnittlich um mehr als acht Prozent gesunken. Das ist der stärkste Rückgang seit der Jahrtausendwende. Sogar in den beliebten Städten wie Berlin oder München sind Wohnungen und Häuser teils deutlich günstiger geworden.
Ein genauer Blick zeigt auch: Besonders die Preise für energetisch unsanierte Bestandsbauten sind stark zurückgegangen. Das dürfte sich so noch etwas fortsetzen. „Bei diesen Immobilien ist die Korrektur noch nicht vollständig vollzogen, die Preise können also weiter sinken. Käufer können hier oft noch ein bisschen nachverhandeln“, sagt Fachmann Sören Gröbel.
Die neuen Regulierungen zur Energieeffizienz von Immobilien haben am Wert jener alten Häuser gekratzt, die schlecht gedämmt sind oder eine alte Gasheizung verbaut haben. So zeigen die Daten des Baufinanziers Interhyp, dass für Immobilien mit den Energieeffizienzklassen F bis H derzeit durchschnittlich Abschläge von fünf Prozent möglich sind, was je nach Wert der Immobilie mehrere Zehntausend Euro ausmachen kann. In den höheren Energieklassen C bis E sind es immerhin drei Prozent. Wichtig ist jedoch, dass Immobilienkäufer bei ihrer Rechnung auch die Kosten und den Aufwand für die Sanierung miteinbeziehen müssen.
Das begrenzte Angebot lässt die Preise steigen
Anders ist die Preisentwicklung bei den Neubauten, hier dürfte laut Experten der Tiefpunkt erreicht sein. „Viel günstiger wird es nicht mehr“, sagt Reiner Braun, Geschäftsführer des Analysehauses Empirica. Das eine oder andere gute Angebot könne man zwar mit ein bisschen Glück noch finden, sagt er. „Die Bauträgerpleite ist noch nicht ganz zu Ende, manchmal werden solche Projekte noch zu vergleichsweise niedrigen Preisen verkauft.“ Doch insgesamt werde das Angebot an neuen Wohnungen immer knapper, sagt er.
So wurden in der jüngsten Vergangenheit wenig neue Bauvorhaben gestartet. Von den geplanten 400.000 Wohnungen, welche die Bundesregierung einst groß angekündigt hatte, ist man weit entfernt. In Deutschland fehlten derzeit 800.000 Wohnungen, wurde jüngst auf dem Wohnungsbautag in Berlin beklagt. Die Zahl der Baugenehmigungen ist deutlich zurückgegangen.
„Die Häuser, die derzeit nicht gebaut werden, fehlen in den nächsten Jahren auf dem Markt“, sagt Reiner Braun. Und das wirke sich auf die Preise aus. „Wohnungen und Häuser werden nun wieder teurer.“ Das Beruhigende ist laut dem Fachmann aber: Die Preise werden wohl nicht mehr ganz so schnell steigen wie in der Niedrigzinsphase zwischen den Jahren 2008 und 2022.
Niedrigere Zinsen sind nicht in Sicht
Höhere Preise wären nicht so tragisch, wenn dafür die Bauzinsen künftig noch stärker sinken würden. Dann könnten die niedrigeren Kosten für den Kredit die steigenden Immobilienpreise ausgleichen. Derzeit blickt die Welt gespannt auf die Notenbanken und rätselt, wann sie die erste Zinssenkung ankündigen. Die Europäische Zentralbank hat in ihrer jüngsten Sitzung entschieden, die Zinsen noch konstant zu lassen. Experten gehen einerseits davon aus, dass sich das bis Anfang des Sommers ändern könnte – und fragen andererseits, ob die recht hartnäckige Inflation die Zinssenkungen kleiner ausfallen lassen wird als erwartet.
Am Ende sollten Hauskäufer sowieso nicht auf eine Senkung der Leitzinsen setzen. Denn die Bauzinsen richteten sich vielmehr nach den Bundesanleihen, sagt Reiner Braun. Und deren Rendite ist über die vergangenen Monate hinweg gesunken. „Die voraussichtlichen Zinssenkungen sind also bereits in den Bauzinsen enthalten“, sagt Braun. Seit Ende vergangenen Jahres sind diese von rund 4 Prozent auf etwa 3,6 Prozent gesunken. „Es ist wahrscheinlich, dass der Zinssatz in den kommenden Monaten zwischen drei und vier Prozent schwankt“, sagt Braun. Niedriger aber werden die Kosten für einen Kredit in nächster Zeit wohl nicht. „Darauf sollten Hauskäufer lieber nicht warten“, sagt Braun.
Baufinanzierungen sind wieder gefragt
Das wird mehr und mehr Menschen bewusst. Zumindest stellen die Baufinanzierer fest, dass sich wieder mehr interessierte Hauskäufer bei ihnen melden und einen Kredit abschließen wollen. „Wir merken, dass sich wieder mehr Leute auf den Käufermarkt begeben“, sagt Michael Neumann, Vorstandsvorsitzender von Dr. Klein. Und Jörg Utecht, Chef des Finanzierungsvermittlers Interhyp, bestätigt: „Der Januar 2024 war sogar der antragsstärkste Monat überhaupt in der Geschichte unseres Privatkundengeschäfts.“
Auch die Bundesbank hat kürzlich einen Bericht veröffentlicht, aus dem hervorgeht, dass die Nachfrage nach Baukrediten bei den deutschen Banken wieder gestiegen ist. Die Bundesbank geht davon aus, dass das sinkende Zinsniveau zu dieser Entwicklung beigetragen hat.
Aber wohl nicht nur: Auch die steigenden Mieten könnten ein Grund dafür sein, dass sich nun wieder mehr Menschen nach Kaufobjekten umschauen. Besonders in den großen Städten sind Neuverträge für Wohnungen und Häuser zuletzt deutlich teurer geworden, eine Besserung ist nicht in Sicht. Für junge Familien, die sich nach mehr Wohnraum sehnen, könnte das Kaufen im Vergleich zum lebenslangen Mieten deshalb nun wieder interessanter werden. Für all diejenigen, die gerade über einen Immobilienkauf nachdenken, bedeutet die zunehmende Nachfrage: Die Konkurrenz steigt, sie müssen sich gegen immer mehr Leute durchsetzen, die ebenso ein Haus oder eine Wohnung kaufen wollen.
Kein Grund für Panik
Bleibt noch ein letzter wichtiger Punkt für die Entscheidung zum Hauskauf: der staatliche Fördertopf. So gibt es Kredite über die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die beispielsweise den Bau oder Kauf von klimafreundlichem Neubau unterstützt. Auch für die Sanierung älterer Wohngebäude oder für das altersgerechte Umbauen können Hausbesitzer Geld vom Staat bekommen, im Sommer soll es dazu das neue Förderprogramm „Jung kauft Alt“ geben.
Sofern Immobilienbesitzer die notwendigen Auflagen erfüllen, können sie einen Antrag stellen und das Geld erhalten. Doch ist auch genug Geld da? Man berücksichtige die Abrufzahlen, um einen möglichst langen Budgetzugriff zu ermöglichen, heißt es vom Bundesbauministerium. Immobilienfachmann Gröbel weist jedoch darauf hin: „Es besteht natürlich immer die Gefahr, dass die Fördermittel genau dann aufgebraucht sind, wenn man sie bräuchte.“
Gründe zur Panik und zu einem überstürzten Hauskauf sind das nicht. Wohl aber kann es durchaus sinnvoll sein, sich nun nach einer passenden Immobilie umzuschauen. Denn bis das Traumobjekt gefunden ist, braucht es ohnehin ein bisschen Zeit.