Reporter ohne Grenzen: Zahl dieser Angriffe gen Journalisten in Deutschland hat sich verdoppelt
Im vergangenen Jahr haben sich die Angriffe auf Pressevertreter in Deutschland laut einer Auswertung mehr als verdoppelt. Die Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen (RSF) dokumentiert und belegt in ihrem jährlich erscheinenden Überblick Nahaufnahme Deutschland 89 tätliche Angriffe auf Medienschaffende. Die meisten Attacken wurden am Rande von Kundgebungen, vor allem zum Nahostkonflikt, aber auch bei Veranstaltungen der rechten Szene und von Abtreibungsgegnern gemeldet.
Bei 75 dokumentierten Vorfällen handelte es sich demnach um direkte Angriffe gegen Menschen, die zum Beispiel als Reporter berichteten. 14 Angriffe richteten sich gegen Redaktionsräume oder Wohnhäuser. Am häufigsten waren körperliche Angriffe in Form von Tritten und Schlägen oder mit Gegenständen wie Fahnenstangen. Als Angriff gewertet wurden diese, sofern sie Körper oder Ausrüstung tatsächlich trafen.
Die NGO dokumentiert das Spektrum der Gewalt gegen Medienschaffende: Sie wurden zusammengeschlagen, zu Boden gestoßen, in die Genitalien getreten, mit Kaffeebechern oder rohen Eiern beworfen oder mit Pfefferspray attackiert. 66
der 89 Attacken fanden im Rahmen von politischen Demonstrationen statt. „38 Fälle körperlicher Gewalt ereigneten sich allein auf Nahost-Demonstrationen in Berlin“, teilte RSF mit. „21 weitere Angriffe kamen aus dem verschwörungstheoretischen und rechtsextremen Umfeld.“
Meiste Angriffe wurden in Berlin gemeldet
Vergleicht man die Bundesländer, dann kam es am häufigsten in Berlin zu Übergriffen: 49
der 89 dokumentierten Angriffe wurden dort gemeldet. Dahinter
folgen Bayern und Sachsen mit jeweils acht Vorfällen.
Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Zahl der Angriffe um 48 Fälle. Nur im Coronajahr 2022 war mit 103 Übergriffen ein höherer Wert als 2024 verzeichnet worden. 2021 hatte die Zahl der Angriffe noch bei 80 gelegen. Vor der Pandemie im Jahr 2019 hatte RSF dagegen nur 13 Attacken gegen Journalisten erfasst.
Die Auswertung von RSF wird seit 2015 jährlich veröffentlicht. Die Organisation geht von einer hohen Dunkelziffer aus, denn in die Statistik fließen nur Vorfälle ein, die sich eindeutig belegen lassen. Gerade mit Blick auf Angriffe aus dem rechtsextremen Lager spricht RSF
von vielen nicht gemeldeten Attacken, „da gerade Lokalreporterinnen und
-reporter, die immer wieder angegriffen werden, dies nicht jedes Mal
melden“.
Zunehmende Pressefeindlichkeit
Aber auch abseits körperlicher Angriffe erleben Reporterinnen und Reporter in Deutschland dem Bericht
zufolge „eine zunehmende Pressefeindlichkeit und ein verengtes
Verständnis von Pressefreiheit“. Viele Leute würden Menschen aus der
Medienbranche, die nicht ihrem eigenen politischen Spektrum entstammen,
mittlerweile als Gegner ansehen, schreibt Reporter ohne Grenzen in der Analyse.
Das betreffe wiederum vor allem das Thema Nahost. Als Beispiel nannte die NGO die Berichterstattung über den Krieg im
Gazastreifen: „Vor allem nach dem 7. Oktober 2023 wurde RSF aus mehreren
Redaktionen von einem stark verengten Meinungskorridor bei der Arbeit
zu Israel und Palästina berichtet.“ Wer über das Thema jüdisches Leben berichte, sehe sich einem erhöhten Maß an Anfeindungen und Hetze im Netz ausgesetzt, schreibt die NGO.