Amnesty-Jahresbericht: Menschenrechtslage laut Amnesty „so dramatisch wie lange nicht“

Die Nichtregierungsorganisation Amnesty International sieht in ihrem Jahresbericht für 2024 weltweit einen Rückschritt für die Menschenrechte. Der internationalen Staatengemeinschaft warf sie ein „globales Versagen“ vor. Autoritäre Praktiken seien auf vielen Kontinenten auf dem Vormarsch. Angriffe auf den Rechtsstaat und das Völkerrecht verschärften die globale Menschenrechtskrise aktuell „so rasant und dramatisch wie lange nicht“, heißt es in dem Bericht. Rechtsbrüche werden laut dem Bericht „zunehmend gerechtfertigt“.

Den US-Präsidenten Donald Trump sieht Amnesty als „Brandbeschleuniger“. Mit seiner Wiederwahl drohe das
Ende der Regeln, die nach dem Zweiten Weltkrieg
geschaffen worden seien, um Frieden, Freiheit und Würde aller Menschen auf der
Welt zu sichern, sagte Julia Duchrow, Generalsekretärin von Amnesty Deutschland. Das Abschneiden humanitärer Hilfe bringe Gefahr für
Millionen Menschen, sagte Duchrow. In den USA soll die insbesondere
auch für Afrika bedeutende Entwicklungshilfebehörde USAID bis zum 1.
Juli zerschlagen werden
.

Erneut Völkermordvorwurf gegen Israel

Amnesty listet in dem Bericht mehrere mutmaßliche Kriegsverbrechen gegen die Zivilbevölkerung auf. Dabei geht die NGO auch detailliert auf die Lage im Sudan, in der Ukraine und im Gazastreifen ein. Israels Vorgehen im Gazastreifen habe katastrophale Folgen für die palästinensische Zivilbevölkerung gehabt, heißt es im Jahresbericht. Amnesty wirft Israel zudem erneut vor, im Gazastreifen einen Völkermord begangen zu haben.

Auch der Vorwurf, Israel setze im Westjordanland ein Apartheidsystem durch, findet sich in dem Bericht erneut wieder. Willkürliche Inhaftierungen, Tötungen und staatlich unterstützte Angriffe israelischer Siedler auf palästinensische Zivilisten hätten 2024 stark zugenommen.

In Israel steht Amnesty International wegen seiner Haltung zum Nahostkonflikt schon seit Längerem in der Kritik. Erst Ende 2024 hatte Amnesty International Israel Völkermord vorgeworfen, in einem 2022 erschienenen Amnesty-Bericht war Israel als Apartheidstaat bezeichnet worden, was für Kritik sorgte. In dem Zuge wurden auch Antisemitismusvorwürfe gegen die Organisation laut.

Großes Leid in der Ukraine und im Sudan

In der Ukraine sind laut dem Bericht durch die anhaltenden russischen Angriffe die Lebensbedingungen für die ukrainische Zivilbevölkerung immer untragbarer geworden. Kinder und ältere Menschen seien besonders stark betroffen gewesen. Den Sudan sieht Amnesty mit insgesamt mehr als elf Millionen Binnenvertriebenen als Schauplatz der größten Vertreibungskrise weltweit.

Für den UN-Sicherheitsrat fordert die NGO in ihrem Bericht eine Reform, um zu verhindern, dass ständige Mitglieder Schritte blockierten, die zu einem Ende und der Aufarbeitung von Gräueltaten führen würden. 

In Bezug auf den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) forderte Amnesty die Regierungen auf, Strafbefehle des Gerichtshofes zu vollstrecken und Mitarbeiter vor Sanktionen zu schützen. Dabei geht es um Haftbefehle gegen israelische Regierungsmitglieder wie Regierungschef Benjamin Netanjahu. Zahlreiche Verbündete Israels hätten mitgeteilt, diese nicht zu vollstrecken. Die USA verhängten Sanktionen gegen Mitglieder des IStGH. Die Mongolei habe außerdem einen Haftbefehl gegen Russlands Präsidenten Wladimir Putin ignoriert.

Sexualisierte Gewalt in Konflikten „alarmierend“

Bei sexualisierter Gewalt in Verbindung mit bewaffneten Konflikten warnte Amnesty vor einem alarmierenden Ausmaß in manchen Ländern. In der Zentralafrikanischen Republik seien in der
ersten Jahreshälfte 2024 mehr als 11.000 Fälle von
geschlechtsspezifischer Gewalt bekannt geworden. Im Sudan hätten Untersuchungen der UN festgestellt,
dass Mitglieder der paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) in
großem Umfang sexualisierte Gewalt verübt haben
. Auch die Terrororganisation Hamas setzte bei ihrem Überfall auf Israel sexualisierte Gewalt ein. 

Frauen
und Mädchen seien generell in bewaffneten
Konflikten unverhältnismäßig stark betroffen, schreibt Amnesty.

Amnesty kritisiert Deutschland für Umgang mit Nahostprotesten

Die Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit seien 2024 rund um die Welt stark unter Druck geraten. Auch Deutschland wird von der NGO im Umgang mit Demonstrierenden kritisiert. Die Polizei sei beispielsweise bei Protesten für ein Ende des Gazakrieges mit „exzessiver Gewalt“ gegen Demonstranten vorgegangen. Auch die Abschiebung von 28 Menschen nach Afghanistan und eine „migrationsfeindliche Rhetorik“ in Deutschland führt Amnesty kritisch in dem Bericht auf. Zudem werden in dem Jahresbericht deutsche Rüstungsexporte nach Israel und Saudi-Arabien als „unverantwortlich“ bemängelt.  

Den von Schwarz-Rot vorgelegten Koalitionsvertrag wertet Amnesty als einen „Angriff auf die Zivilgesellschaft“. Amnesty-Generalsekretärin Julia Duchrow nannte den Kurs von Union und SPD in der Asylpolitik einen „Rechtsbruch mit Ansage“.

Insgesamt umfasst der Jahresbericht zur Lage der Menschenrechte weltweit 408 Seiten. Er untersucht 150 Länder.