Nimmt die EU jetzt Google, Meta und Co. ins Visier?

Die EU sei bereit zu reagieren, betonte von der Leyen in einem Statement. Sie bereite Gegenmaßnahmen vor. Vor allem aber bot sie Trump an, über den Abbau von Handelsschranken zu sprechen: „Lassen Sie uns den Konfrontationskurs verlassen und verhandeln.“ Handelskommissar Maroš Šefčovič äußerte sich zunächst gar nicht.

Anders klang das aus dem Europaparlament. Dort forderten Abgeordnete von SPD, CDU, FDP und Grünen gleichermaßen harte Gegenmaßnahmen. Die EU müsse „alle Register ziehen“, sagte die FDP-Abgeordnete Svenja Hahn. Die Kommission müsse „schnell, angemessen und in gleicher Höhe“ zurückschlagen, sagte der CDU-Abgeordnete Daniel Caspary. Die Abgeordneten der Grünen Anna Cavazzini und Rasmus Andresen forderten, den Zugang von US-Unternehmen zu den Banken-, Versicherungs- und Kapitalmärkten der EU zu beschränken, US-Bieter von öffentlichen Aufträgen auszuschließen oder Werbung auf US-Plattformen für soziale Medien zu beschränken. „Eine EU-Digitalsteuer träfe Trumps enge Unterstützer ins Mark“, sagte Cavazzini.

Whiskey, Motorräder von Harley-Davidson, Fitnessgeräte

EU-Diplomaten rechnen hingegen nicht damit, dass die Kommission schnell neue Schritte gegen die USA ankündigt. Sie werde zunächst das ohnehin für Montag in Luxemburg angesetzte Treffen der EU-Handelsminister abwarten. Dort wird es vor allem darum gehen, sich auf eine einheitliche Linie zu verständigen. Es soll jeder Eindruck vermieden werden, dass die EU nicht geschlossen ist. Tatsächlich hatte es daran zuletzt Zweifel gegeben. Länder wie Frankreich, Italien und Spanien hatten auf einen vorsichtigeren Kurs gegenüber Trump gedrungen, nachdem dieser Zölle von 200 Prozent auf Wein und Champagner angedroht hatte. Welche konkreten Schritte die EU in Reaktion auf die neuen Zölle ergreifen könne, werde die EU-Kommission erst nach dem Handelsministertreffen ausarbeiten, heißt es.

Vorantreiben wird die Kommission unterdessen das schon in Reaktion auf die neuen US-Zölle von 25 Prozent auf Stahl und Aluminium angekündigte Paket an Gegenzöllen. Die endgültigen Listen würden Ende kommender Woche stehen und dann am 14. April in Kraft treten, heißt es einhellig in Brüssel. Dabei geht es um Zölle von bis zu 50 Prozent, etwa auf Whiskey, Motorräder von Harley-Davidson, Fitnessgeräte, Angelwaren oder die Einfuhr von Soja. Das betrifft allerdings nur US-Produkte mit einem Einfuhrwert von rund 22,5 Milliarden Euro im Jahr.

Das Handelsvolumen, das Trump mit seinen Zöllen trifft, ist ungleich höher. Es beträgt für Stahl- und Aluminiumzölle aus Europa 26 Milliarden Euro. Hinzu kommen 50 Milliarden Euro an Autos, die die am Donnerstag in Kraft getretenen 25-Prozent-Zölle treffen, von den nun angekündigten pauschalen Zöllen auf alle EU-Importe von 20 Prozent ganz zu schweigen. Wenn die EU in gleicher Höhe zurückschlagen will, müsste sie die Liste der Gegenmaßnahmen also drastisch ausweiten.

Genau deshalb rücken nun der Dienstleistungssektor und die Digitalkonzerne immer stärker in den Fokus. Hier hat die EU anders als bei Gütern keinen Handelsüberschuss mit den USA, sondern ein Defizit. 2023 stand der Einfuhr von Dienstleistungen aus den USA in Höhe von 396,5 Milliarden Euro eine Ausfuhr von 292,4 Milliarden Euro gegenüber. Die amerikanischen Technologiekonzerne erwirtschaften 30 Prozent ihres Gewinns in der EU. Hier könnten die Europäer den Amerikanern und dem direkten Umfeld Trumps wehtun.

Sie hofft auf den Verhandlungsweg

Die nötigen Hebel dafür haben sie. Das neue Anti-Erpressungs-Instrument erlaubt der EU etwa, den Zugang zu öffentlichen Aufträgen sowie Rechte an geistigem Eigentum einzuschränken. Denkbar wären auch neue Abgaben auf die Gewinne von Digitalkonzernen wie Meta, Google und Amazon. Auch das EU-Gesetz für digitale Märkte (DMA) lasse sich offensiv gegen die US-Digitalkonzerne einsetzen, sagen Diplomaten. Der Vorsitzende des Handelsausschusses im EU-Parlament, Bernd Lange (SPD), mahnt dennoch zur Vorsicht. „Das ist unsere Bazooka, das letzte Mittel, es zu nutzen, wäre wirklich eine harte Eskalation“, sagte er am Donnerstagvormittag. Auf dem Tisch liege es. Aber Verhandlungen seien immer besser, als eine Waffe zu ziehen.

Handelsstreit der USADer Weg zum „Befreiungstag“

Diese Linie verfolgt auch die Kommission. Sie hofft darauf, auf dem Verhandlungsweg schnell Erfolge zu erzielen. Offenbar hat Handelskommissar Šefčovič bei seinem Besuch in Washington den Eindruck gewonnen, dass zumindest ein Teil des Umfelds von Trump daran Interesse hat, um sich dann auf die von ihm angekündigte große Steuerreform konzentrieren zu können. Wie Trump und sein wohl wichtigster Berater Peter Navarro das sehen, sei indes unklar, sagt Lange.

Die Kommission hat in Aussicht gestellt, die Zölle auf Autos anzupassen. Hier erhebt die EU bisher zehn Prozent, während die USA nur 2,5 Prozent verlangen. Zudem steht seit Langem das Angebot im Raum, mehr Militärgüter, Agrarprodukte und verflüssigtes Gas (LNG) zu kaufen. Das Problem ist: Der Großteil der Handelsschranken der EU, die Trump auf 30 Seiten hat auflisten lassen, bezieht sich auf europäische Gesetze, nicht zuletzt im Digitalsektor – und die gelten nach bisheriger Lesart als unantastbar.

Davon, dass die Zölle gegen EU-Güter vollkommen fallen könnten, geht auch deshalb in Brüssel niemand mehr aus. Der Vorsitzende des Handelsausschusses Lange sagt, ganz verschwinden dürften die höheren Zölle wohl nicht. Das gilt insbesondere für die fünf Branchen, für die Trump die Reindustrialisierung Amerikas ausgerufen hat: Waren aus Stahl, Aluminium und Kupfer, Halbleiter und Holz sowie – für die EU besonders interessant – Autos und Pharmaprodukte. Für Letztere will Trump noch spezielle Zollsätze ankündigen. In diesen Sektoren ist die Verhandlungsbereitschaft der Amerikaner minimal, ist der allgemeine Eindruck in Brüssel.

Von der Leyen richtete am Donnerstag den Blick entsprechend schon nach innen. Sie kündigte Gespräche über Hilfen für die besonders betroffenen Sektoren an. Den Anfang sollen Stahl, Autos und Pharma machen.