Markus Söder: Startschuss zur Söder-Show

Bislang war nur Geplänkel: Nun startet die CSU offiziell in den Landtagswahlkampf. Die Delegierten der Christsozialen treffen sich an diesem Samstag in Nürnberg zum Parteitag. Die zwei wichtigsten Punkte auf der Tagesordnung: ein neues Grundsatzprogramm – Titel: „Für ein neues Miteinander“ – und die Wahl von Markus Söder zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl am 8. Oktober.

Kontroversen und Streit sind eher unwahrscheinlich. Söder ist intern weitgehend unumstritten, der ganze Wahlkampf dürfte sich erneut auf ihn ausrichten. Der Terminplan ist ohnehin eng. Um zehn Uhr morgens geht es los, erst spricht Söder, dann Abstimmung per Handzeichen, abschließend die Programmdebatte. Am späten Nachmittag will man schon fertig sein. Zudem steht Ende September schon der nächste Parteitag an. In München wird sich Söder kurz vor der Landtagswahl als Parteichef bestätigen lassen.

Soweit die Formalien. Aber was ist sonst zu erwarten in den kommenden Monaten?

Übersicht:

Südstaaten-Söder gegen die Ampel

Die CSU hat ja bekanntlich eine Art, den Rest des Landes von ihren Wahlkämpfen keinesfalls unbehelligt zu lassen. Vorgesehen ist freilich die Rolle als Watschnmänner.

Rückblick: Vor der Landtagswahl von 2018 riskierte die Regionalpartei mit bundesweitem Erregungspotenzial im Kampf um Wählerstimmen die eigene Bundesregierung. Und sprengte beinahe die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU. Die Kanzlerin drohte mit der Richtlinienkompetenz, Bundesinnenminister Horst Seehofer musste kuschen, die Zurückweisungen von Flüchtlingen an der Grenze kamen nicht, die CSU vergeigte die Wahl.

Diesmal ist die Ausgangslage eine andere und das kommt den Christsozialen zupass: Sie regieren nur noch in München, müssen keinerlei Rücksicht nehmen auf koalitionäre Befindlichkeiten in Berlin oder anderswo. Nicht, dass Rücksichtnahme je zu deren Leittugenden gezählt hätte.

Der Gegner ist diesmal präzise umrissen: die Ampel, besonders die Grünen. Oder wahlweise auch ganz pauschal: der Norden, der natürlich weniger geografisch als emotional umrissen ist, und der dem „freien Süden“ (Söder) nur Böses will.

„Wir setzen auf die Liberalitas Bavariae statt auf wokes, illiberaleres Spießertum“, sagt der Generalsekretär der CSU, Martin Huber, gegenüber ZEIT ONLINE. „Die Ampel in Berlin tritt das Miteinander in unserer Gesellschaft mit Füßen.“

Anders als bei den CDU-Wahlkämpfern in Niedersachsen, Hessen oder Nordrhein-Westfalen muss in Bayern kein aktueller oder potenzieller zukünftiger Partner geschont werden. Hendrik Wüst zum Beispiel hielt sich mit seiner Berlin-Kritik schon um der eigenen Glaubwürdigkeit willen zurück: Mit einem Ampel-Partner, der FDP, hatte er bis zur Wahl selbst regiert, ein zweiter galt mit den Grünen schon im Wahlkampf als potenzieller Koalitionär für danach.

Bayern ist das einzige Bundesland, in dem derzeit weder SPD noch Grüne oder FDP mitregieren. Und weil das wohl auch so bleiben wird, heißt das für Südstaatler Söder: bloß keine Hemmungen.

Bayern natürlich first

Thematisch sortiert sich die CSU gerade erstens als Anwältin all derer, denen das mit dem ökosozialen Wandel derzeit ein bisschen zu schnell und zu weit geht. Sei es bei der Wärmepumpenpflicht, dem Verbrenneraus, der Atomkraft oder dem Bürgergeld.

Zweitens inszeniert sich die CSU wie lange nicht als Wahrerin bayerischer Interessen – die sie durch die Ampel bedroht sieht, wie lange nicht. Die Wahlrechtsreform von SPD, Grünen und FDP ist für die CSU tatsächlich latent existenzbedrohend – und damit natürlich erst recht ein Wachmacher für die eigene Basis. „Die Bundesregierung spaltet mit unsozialen Vorstößen wie dem realitätsfremden Heizungsverbot oder undemokratischen Gesetzen wie der Wahlrechtsreform unser Land“, kritisiert der CSU-Generalsekretär.

Und gegen das Bayern-zahlt-Gesetz, den Länderfinanzausgleich, will die Staatsregierung erneut klagen. Das Kalkül: Auch einige Sozialdemokraten und Grüne könnten ihr Steuergeld im Freistaat besser aufgehoben sehen als im Stützradföderalismus.

Und dann ist da ja noch der Bär. Am Sudelfeld in den bayerischen Alpen soll ein Tier unterwegs sein und ein Wolf noch dazu. In Italien hat die Schwester des legendären „Problembären“ Bruno eine Joggerin getötet. Den Bruder ließ Söders Mentor Edmund Stoiber einst abschießen. Söder – politisch ja erprobt in der Rolle des Büchsenspanners – fuhr jüngst in die Berge, der Wahlkampf ist um ein Thema reicher.

In dieser Mischung aus Trotzstolz und permanenter – und sei es imaginierter – Gefahrenabwehr dürfte dann auch untergehen, dass Söder vielleicht schon lange wusste, aber nicht sagte, dass die zweite S-Bahn-Stammstrecke in München zum Milliardengrab werden würde. Oder dass sich die eigenen Pläne zum Wohnungsneubau im Freistaat etwa so zur Realität verhalten wie die Szenen auf Söders Star-Wars-Tassen zum Leben auf der ISS. Oder dass es eben jener Söder war, der in seiner Zeit als Finanzminister Zehntausende landeseigene Wohnungen verscherbelte.

40 plus X – wenigstens mehr als beim letzten Mal

Eine Besonderheit in Bayern: Das Ergebnis der Wahl steht – nach allem menschlichen Ermessen – fest, wenigstens in zwei Punkten: Die CSU wird Erster und nach der Wahl den Regierungschef stellen. Es geht also nicht um Sieg oder Niederlage, sondern vornehmlich darum, wie deutlich das Ergebnis ausfällt. Konkret: Von der absoluten Mehrheit spricht auch in der CSU niemand mehr offen. Zuletzt lag die CSU in Umfragen aber knapp über der magischen 40-Prozent-Marke. Deutlich mehr als die mageren 37,2 von vor fünf Jahren müssten es am Ende in jedem Fall sein, damit Söder das als Erfolg verbuchen kann.

Die Grünen dürften Zweiter werden, sie pendeln derzeit zwischen 15 und 20 Prozent. Wahrscheinlich steht am Ende eine Neuauflage der Koalition mit den Freien Wählern (um die zehn Prozent).

Das Dominanzparadox

Diese Mehrheitsverhältnisse haben handfeste Auswirkungen auf die Wahlkampfführung. Die CSU kann sich nicht auf negative Mobilisierung durch einen Gegenspieler verlassen. Einen halbwegs aussichtsreichen Zweitplatzierten, der auch nur vorsichtig Anspruch auf die Staatskanzlei stellen könnte, gibt es nicht.

In Niedersachsen lagen SPD und CDU in Umfragen vor der Wahl lang gleichauf – was am Ende vor allem Amtsinhaber Stephan Weil nutzte. In NRW profitierte Ministerpräsident Wüst vom Zweikampf mit der SPD. Und die Regierungschefinnen und -chefs in Ostdeutschland erhalten verlässlich Stimmen anderer Parteien, weil deren Wählerinnen und Wähler einen AfD-Sieg verhindern wollen.

Die CSU dagegen muss in Ermangelung ernst zu nehmender Konkurrenz Reibung, Spannung und Wahleuphorie aus sich selbst heraus erzeugen. Die CSU-Dominanz und das scheinbar unabwendbare Regierungsabo verhindern so paradoxerweise verlässlich einen gesitteten Schlafwagenwahlkampf. Langeweile ist Gift, Aufmerksamkeit ist King – Pardon: Kini.

Die K-Frage dürfte Söder weiter begleiten

Die Union hat – wie zu erwarten – entgegen der eigenen Beteuerungen aus der vergangenen Bundestagswahl nicht gelernt. Ein institutionalisiertes Verfahren für die Kanzlerkandidatenkür gibt es immer noch nicht. Das sorgt schon jetzt für Spekulationen. CDU-Chef Friedrich Merz ist eigentlich die klare Nummer eins, er führt die Machtzentrale der Opposition, die Bundestagsfraktion. Aber auch Hendrik Wüst gilt als Regierungschef im größten Bundesland qua Amt als denkbarer Anwärter.

Und Söder? Der beteuert zwar stets, zuletzt in der Talkrunde von Markus Lanz, das Thema Kanzleramt sei für ihn erledigt. Wer sich aber die Halbwertszeit Söderscher Schwüre vergegenwärtigt, ahnt: So richtig durch ist hier nichts. Nach der Landtagswahl wird abgerechnet. Und ein solides, vielleicht sogar sehr starkes Ergebnis dürfte man in Bayern stets auch als gesamtdeutschen Regierungsauftrag interpretieren.