Konkurrenz zu Musks SpaceX: Boeings Starliner hebt ab

Boeing hat in seiner Raumfahrtsparte einen dringend benötigten Erfolg errungen. Nach mehreren Anläufen und mit jahrelanger Verspätung gelang dem amerikanischen Konzern am Mittwoch der Start seiner neuen Raumkapsel „Starliner“ zu ihrer ersten bemannten Testmission. Kurz vor elf Uhr morgens Ortszeit hob eine „Atlas V“-Rakete mit der Kapsel vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral in Florida ab. Das Raumschiff hat zwei Astronauten der US-Raumfahrtbehörde NASA an Bord und fliegt zur Raumstation ISS. Dort sollen die Astronauten acht Tage lang bleiben.

Der Starliner-Start markiert einen wichtigen Schritt in einem Raumfahrtprogramm der NASA, in dem Boeing mit dem von Elon Musk geführten Unternehmen SpaceX konkurriert. Es geht dabei um Amerikas Rückkehr in die bemannte Raumfahrt. Nach dem Ende des Spaceshuttle-Programms 2011 war die NASA zwischenzeitlich nicht mehr in der Lage, selbst Astronauten ins All zu bringen, für Missionen zur ISS musste sie Plätze in russischen Sojus-Maschinen buchen. 2014 vergab sie separate Aufträge an Boeing und SpaceX zur Entwicklung von Raumschiffen für bemannte Missionen. Ursprünglich hoffte sie, schon 2017 wieder Astronauten befördern zu können, aber wie oft in der Raumfahrt verzögerten sich die Projekte beider Partner.

SpaceX kam allerdings mit seiner Raumkapsel „Crew Dragon“ viel schneller voran als Boeing und absolvierte im Mai 2020 seinen ersten bemannten Testflug, war somit also schon vor mehr als vier Jahren an dem Punkt, an dem Boeing heute ist. Seither hat SpaceX eine ganze Reihe regulärer Flüge mit Astronauten durchgeführt, im März begann die achte solche Mission. Die NASA hat ihren Vertrag mit SpaceX mittlerweile mehrmals verlängert, insgesamt soll es nun mindestens 14 Missionen geben, was der Behörde nach eigener Aussage bis 2030 den Zugang zur ISS sichert.

NASA kann sich nicht allein auf SpaceX verlassen

Für die NASA ist es wichtig, zwei verlässliche Partner in der bemannten Raumfahrt zu haben und nicht alleine auf SpaceX angewiesen zu sein. Boeing musste mit seinem konkurrierenden Starliner-Projekt aber wiederholt Rückschläge hinnehmen. Erst vor rund zwei Jahren schaffte das Unternehmen eine erste unbemannte Testmission zur ISS. Der geplante Flug mit Astronauten an Bord hat sich seither mehrmals verzögert. Der nun absolvierte Start gelang im dritten Anlauf. Er war zunächst für den 6. Mai angesetzt, wurde dann aber wegen Schwierigkeiten mit einem Ventil abgesagt. Ein weiterer Versuch am vergangenen Samstag wurde nur wenige Minuten vor dem Start wegen eines Fehlers im Computersystem abgebrochen. Elon Musk wünschte Boeing vor dem Start am Mittwoch Glück und verwies auf den Livestream der NASA.

Die Verzögerungen haben Boeing viel Geld gekostet. Der Konzern sah sich in den vergangenen Jahren wiederholt gezwungen, Sonderaufwendungen für das Projekt zu verbuchen, mittlerweile sind es rund 1,5 Milliarden Dollar. Die Aufträge an Boeing und SpaceX wurden zu Festpreisen vergeben, die Unternehmen müssen also etwaige Mehrkosten selbst tragen.

Die Starliner-Schwierigkeiten fügen sich bei Boeing in eine Serie von Turbulenzen in den vergangenen Jahren, wobei sie etwas in den Hintergrund rückten gegenüber den Unfällen, die der Konzern in seiner Zivilflugsparte erlitt. Zwei Abstürze von Modellen des Typs 737 Max in den Jahren 2018 und 2019 resultierten in der größten Krise in der Unternehmensgeschichte. Zu Beginn dieses Jahres erlitt Boeing einen weiteren Rückschlag, als kurz nach dem Start einer 737 Max 9 ein türgroßes Rumpfteil herausfiel und ein Loch in der Kabinenwand hinterließ. Im Zuge dieses Zwischenfalls hat Boeing angekündigt, dass Vorstandschef Dave Calhoun seinen Posten zum Jahresende abgeben wird.