Kohlendioxid-Emissionen im Verkehr: Innovationen statt Folterinstrumente zum Besten von Autofahrer

Kann der Verkehrssektor in Deutschland seinen CO2-Aus­stoß verringern? Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) wurde in den vergangenen Wochen dafür gescholten, dass der Verkehr seine Klimaziele nicht erreicht habe. Nur die Änderung des Klimaschutzgesetzes habe den Minister vor der Pflicht zu Sofortmaßnahmen bewahrt. Die Kritiker hatten aber die Lage dramatisiert: Der Verkehrssektor war 2023 um 12 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente vom politisch festgelegten Pfad abgewichen, 1,7 Prozent des – insgesamt kräftig gesunkenen – CO2-Ausstoßes Deutschlands. Damit überhaupt eine alarmierende Zahl präsentiert werden konnte, wurde angenommen, dass die Emissionen des Verkehrssektors nahezu konstant bleiben, und eine Pro­gnose für 2021 bis 2030 als Erfüllungslücke von 180 Millionen Tonnen CO2 präsentiert.

Was das Umweltbundesamt vor wenigen Tagen dann im Bericht 59/2024 „Verkehrssektor auf Kurs bringen“ als Programm für die Korrektur der Verkehrsemissionen präsentierte, liest sich wie eine Liste von Folterinstrumenten für Individualverkehr, Autofahrer und Güterspediteure: Tempolimits sind da noch eine Kleinigkeit. Gefordert wird auch ein Malus für Verbrennermotoren, zu bezahlen mit der Kraftfahrzeugsteuer im ersten Jahr. Von 2025 an wären das für einen gewöhnlichen Volkswagen Golf Benziner mit 150 PS (110 kW) Leistung 2760 Euro zusätzliche Steuer, von 2030 an 30.240 Euro, gnädigerweise reduziert auf 50 Prozent des Kaufpreises.

Der Wunsch nach weniger Individualverkehr

Gefordert wird auch eine Kilometerabgabe für alle privaten Autos von anfangs 1,3 Cent, später mehr als 7 Cent je Kilometer. Vergünstigungen für E-Autos sollen abgeschafft werden. Der Individualverkehr im Auto soll so um ein Viertel schrumpfen. Auch der Güterverkehr soll zahlen: mit Straßenmaut für alle Lastwagen und Strecken, die zudem noch drastisch erhöht werden müsse.

Grund für die drakonischen Forderungen soll die Schuld des Verkehrsministers sein, der nicht für genügend Wechsel auf klimaneutrale Fahrzeuge – also solche mit Elektroantrieb – gesorgt habe. Doch was kann der Verkehrsminister dafür, dass es noch nicht genügend Lademöglichkeiten für E-Autos nahe an den Eigenheimen oder Arbeitsplätzen gibt oder längst nicht genug grüner Strom für die Verkehrs- und Energiewende geliefert werden kann? Die Verantwortung dafür, auch für die Prämien zum Kauf von E-Autos, liegt beim grünen Wirtschafts- und Klimaminister.

Robert Habeck könnte die deutsche Nachfrage nach Elektroautos mit einem neuen Umweltbonus verstetigen, womöglich finanziert durch einen Zuschlag auf die Mineralölsteuer für fossile Brennstoffe. Weil noch lange Energie importiert werden muss und der Fuhrpark an Autos nicht in kurzer Zeit erneuert werden kann, muss noch einmal neu über importierte klimaneutrale Treibstoffe (E-Fuels) nachgedacht werden. Bisher dürfen E-Auto-Batterien in China mit Kohlestrom gebaut, in Deutschland mit Kohlestrom geladen werden und gelten dennoch als klimaneutral.

Die Bedeutung der deutschen Emissionen

Für E-Fuels gilt dagegen das Prinzip „alles oder nichts“: Erzeugung, Lieferung, Verteilung und Tanken müssten 100 Prozent klimaneutral sein. Ein schneller Weg, den bestehenden Verkehr klimafreundlicher zu machen, bestünde darin, den bisherigen Treibstoffen in Stufen wie 2 Prozent, 5 Prozent und 10 Prozent steuerbegünstigte E-Fuels beizumischen. Entsprechend würde der CO2-Ausstoß sinken.

Die Forderungen deutscher Klimaschützer haben vor allem das Pro­blem, dass sie nur in Deutschland ein Exempel statuieren wollen, aber den Rest der Welt gerne vergessen: In Deutschland sind die gesamten CO2-Emissionen von 1990 bis 2022 um 37 Prozent gesunken, in der EU um 27 Prozent, in der Welt sind sie dagegen in diesem Zeitraum um 62 Prozent gewachsen, in China um 285 Prozent. Die Emissionen des deutschen Verkehrssektors schrumpften in der gleichen Zeit um 10 Prozent, während sie in der EU um 19 Prozent stiegen, global um 72 Prozent.

Mit einer Senkung der 1,4 Prozent von Deutschlands Anteil an den globalen Gesamtemissionen 2022 oder der 0,27 Prozent für den deutschen Verkehrssektor wird das Klima aber nicht gerettet. Selbst mit von oben verordneter Reduzierung des Individualverkehrs nach nordkoreanischem Vorbild oder einem faktischen Ende der Neuwagenverkäufe wie in Kuba wäre Deutschland bloß ein abschreckendes Beispiel. Teile der deutschen Klimaschützer scheinen sich ein Ende der heimischen Autoindustrie zu wünschen. Das Gegenteil wäre nötig: In Innovationen der Autobranche, einer klugen Regulierung und genügend Veränderungswillen der Konsumenten liegt die Chance, die globalen Verkehrsemissionen wirklich zu senken.