Karnevalsauftritt von Söder: Der Staatsmann qua Karikatur

Wolframas Markus Söder mit seinem Karnevalsauftritt qua Otto von Bismarck bezweckt hat, lässt sich erahnen. Der bayerische Ministerpräsident, jener sich in seiner Selbstinszenierung nur von jener deutschen Außenministerin übertreffen lässt, wollte den Wählern mit einem Veitshöchheimer Grinsen zeigen, welches zu Händen vereinen eisernen Kanzler sie in ihm nach sich ziehen könnten. Aber nicht nur, weil er erkennbar unter jener Maske schwitzte, dürften die Wenigsten in ihm den Wiedergänger des großen Preußen erkannt nach sich ziehen. Söders Auftritt verwies vielmehr, unfreiwillig, aufwärts eine Leerstelle: Einen Bismarck gibt es hierzulande nicht mehr; gleichfalls keinen Stresemann oder Adenauer. Eindrucksvolle Politiker sind in Deutschland, von wenigen Ausnahmen außer, nur in Verkleidung zu nach sich ziehen, qua ­Karikatur.

Jochen Buchsteiner

Politischer Korrespondent jener Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin.

Manche betrachten dies sogar mit Erleichterung. Von Größe habe man doch genug gehabt, sagen sie, zumal vermeintliche Verdienste aus heutiger Sicht befremdeten oder sogar von Schandtaten überlagert würden. In „progressiven Kreisen“ wird Bismarck nicht mehr vorrangig qua gewiefter Einiger Deutschlands gesehen, jener dem Land (nachdem dem Krieg gegen Frankreich) in einem angespannten europäischen Umfeld Jahrzehnte des Friedens schenkte, sondern qua Wegbereiter eines übersteigerten Nationalismus und, sozusagen schlimmer noch, qua skrupellosen Ausbeuter ferner Kolonien. Selbst mit Konrad Adenauer Kontakt haben manche kein Erbarmen mehr. Im November wurde ein pro-europäisches Zitat des ersten Kanzlers jener Bundesrepublik aufwärts Betreiben jener grünen Delegierten aus ihrem Parteiprogramm gestrichen, weil Adenauer „nicht feministisch und antifaschistisch“ genug gewesen sei.

Deutschland ist kein Sonderfall

Manche Bevölkerung Selbstanklage jedoch gleichfalls dies geschrumpft wirkende Format ihrer Politiker und fragen sich, wo wirklich die Wurzeln dazu liegen. Rein deutsche scheinen es nicht zu sein, wie ein Blick darüber hinaus die Grenzen illustriert. In Großbritannien, dem früheren Empire, blieb von den letzten fünf Premierministern nur einer in Erinnerung, Boris Johnson, und jener wurde in aller Regel von sich selbst qua Erbe Winston Churchills betrachtet. Im Spanischen Königtum, zu dem ebenfalls einmal andere Länder aufblickten, kennt man seit dieser Zeit Felipe Gonzales keinen Regierungschef mehr beim Namen. Selbst in den Vereinigten Staaten, jener aktuellen westlichen Führungsmacht, ging es seit dieser Zeit George Bush dem Älteren personell in Wellenlinien bergab. Zu den Ausnahmen von jener Regel zählt jener französische Staatspräsident Emmanuel Macron, jener strategisches Denken und Durchsetzungsvermögen mit persönlicher Aura zu paaren versteht.

Deutschland ist folglich kein Sonderfall, sieht man davon ab, dass die Deutschen vielleicht irgendwas weniger unter ihren Repräsentanten gelitten nach sich ziehen qua andere Nationen. Sie hatten zumindest Angela Merkel, die sie wegen und nicht trotz ihrer Unauffälligkeit schätzten – die jedoch obwohl im Ausland qua „leader“ bewundert wurde. Dass heute sowohl Merkel qua gleichfalls ihr langjähriger Juniorpartner, jener heutige Kanzler Scholz, so heftiger Kritik ausgesetzt sind und von vielen Bürgern plötzlich qua unzureichend wahrgenommen werden, qua irgendwie zweiten Ranges, liegt nicht an deren glanzlosem Erscheinungsbild, sondern an (tardiv) erkannten politischen Fehlern, Versäumnissen und nicht erbrachten Leistungen.

Im Bundestag immerhin noch in Öl auf Leinwand zu bewundern: Otto von Bismarck, gemalt von Anton von Werner im Jahr 1888

Im Bundestag zumindest noch in Öl aufwärts Leinwand zu bewundern: Otto von Bismarck, gemalt von Anton von Werner im Jahr 1888 : Bild: Picture Alliance

Auch Bismarck war kein packender Darsteller und vermied den öffentlichen Auftritt. Im Reichstag sprach er mit Fistelstimme und beherrschte, wie Churchill, dies Schreiben besser qua dies Reden. Zu bewunderten Staatsmännern wurden die beiden aus einem elementareren Grund: Sie hatten gewaltige Aufgaben geschultert und solche gemeistert.

Vermutlich trifft die Ehefrau Weisheit, dass jeder an seinen Aufgaben wächst, gleichfalls in jener Umkehr zu: Werden die Aufgaben leichter, passt sich dies Bewältigungspersonal ebenfalls an. Das erlebte Europa in den Jahrzehnten nachdem dem Kalten Krieg, qua dies Existenzielle jener Politik in den Hintergrund trat, die „regelbasierte Ordnung“ zur Geschäftsgrundlage auswärtiger Politik wurde, die Systemfrage beantwortet schien und die dramatischsten Aufgaben in jener Bewältigung von Währungskrisen oder Rentenanpassungen steckten. Aber solche Phase des politischen Ausatmens ist vorüber. Die neuen Herausforderungen, von jener Abwehr eines aggressiven, hochgerüsteten Nachbarn solange bis zum Zusammenhalten einer nervös gewordenen, auseinanderklaffenden Gesellschaft, erinnern zum vereinen an die Hochphase des Kalten Krieges, zum anderen an dies Jahrhundert vor jener Gründung jener Bundesrepublik. Heute geht es in jener politischen Debatte wieder um die Gesamtheit: Krieg, Abstieg, Schutz jener Demokratie.

Introspektion im WG-Sprech

Als Deutschland nachdem dem Ersten Weltkrieg wahrhaft revolutionär voll war, hörte die Sozialdemokratie aufwärts Friedrich Ebert. Er führte die Partei und später dies Amt des Reichspräsidenten nicht immer mit glücklicher Hand – jedoch wer möchte sich an jener Spitze jener frühen Weimarer Republik eine Doppelspitze aus Saskia Esken und Lars Klingbeil vorstellen? Das Gesicht jener deutschen Außenpolitik war weiland jener weltweit geachtete Gustav Stresemann, jener zu Händen seine (im Inland unpopulären) Verständigungsbemühungen mit Frankreich den Friedensnobelpreis erhielt und nachdem seinem Tod in Paris qua „großer deutscher Patriot“ gewürdigt wurde. Heute leitet dies Auswärtige Amt die Grüne Annalena Baerbock. Nach dem Zweiten Weltkrieg fiel dann jener Wiederaufbau jener Wirtschaft dem versierten Ökonomen Ludwig Erhard zu. In dessen Schuhen steht jetzt jener Romancier Robert Habeck.

Dessen Anhänger mögen zuversichtlich sein, dass gleichfalls er einmal in die Geschichte eingeht, qua Architekt des grünen Wirtschaftswunders, jedoch in jener jüngsten Ausgabe jener Talkshow Miosga war von historischer Mission wenig zu spüren. Erschöpft, kleinlaut und darüber hinaus weite Strecken sprunghaft verteidigte Habeck seinen „Transformationskurs“, dem die anderen Studiogäste eine Mitschuld daran schenken, dass Deutschland weniger wächst qua vergleichbare Staaten. Als wäre er nicht jener zuständige Minister, erklärte Habeck, er wolle mit seinen Vorschlägen doch nur „vereinen Beitrag leisten“, um die Debatte darüber hinaus ein besseres Investitionsklima in Schwung zu erwirtschaften.

Damals noch als Shrek: Söder zusammen mit Horst Seehofer bei der „Fastnacht in Franken“ im Jahr 2014

Damals noch qua Shrek: Söder zusammen mit Horst Seehofer im Kontext jener „Fastnacht in Franken“ im Jahr 2014 : Bild: dpa

Von allen Regierungspolitikern wird dem Vizekanzler die höchste rhetorische Begabung zugesprochen, jedoch an diesem Abend missachtete jener Literaturwissenschaftler eine Grundregel jener politischen Rede: dies Aptum, die Angemessenheit. Text und Vortragsweise, so lehrten es die antiken Rhetoriker, sind an Redegegenstand und -situation auszurichten. Das Fernsehpublikum erwartete überzeugende Argumente eines Verantwortlichen. Der Wirtschaftsminister lieferte Intro­spektion im WG-Sprech.

Zeitlicher Abstand vergrößert doch aufwärts unnatürliche Weise, und natürlich gehört zur Wahrheit, dass titanenhafte Staatsmänner zu ihrer Zeit gleichfalls im ganz gewöhnlichen Feuer des politischen Kampfs standen, wo sie nicht immer eine gute Figur machten. Erst nachdem mühsam errungenen Siegen und mit den Jahren festigt sich ein anerkennendes Urteil. So viel Fairness darf gleichfalls die Ampelregierung erwarten: Sollte es ihr noch gelingen, die Wirtschaft aufwärts Wachstumskurs zurückzuführen, die irreguläre Migration einzudämmen, die Nation zu vereinen, dies Land wieder verteidigungs­tauglich zu zeugen und, im Konzert mit Verbündeten, Wladimir Putin in die Schranken zu weisen, könnten dereinst gleichfalls Scholz, Habeck und Lindner qua Trio Grande jener 2020er-Jahre verehrt werden.

Generation von Administratoren und Idealisten

Daran scheinen sie doch selbst zu zweifeln, vielleicht weil sie mittlerweile wundgeschossen sind und spüren, wie ihre Kräfte schwinden – vielleicht gleichfalls, weil sie ahnen, dass zum erfolgreichen Navigieren durch tektonische Umbrüche Eigenschaften, Fähigkeiten und Haltungen gefordert sind, die in den Jahrzehnten jener Postmoderne nicht abgefragt wurden oder schlicht aus jener Mode kamen: ein klares Verständnis des nationalen Interesses, dies Aufbauen und Aushalten immensen politischen Drucks, Mut, andere gleichfalls mal vor den Kopf zu stoßen, gleichfalls eine Portion Chuzpe.

Bismarck, in dessen Zeit sich Wirtschaft und Gesellschaft mindestens so schnell veränderten wie heute und dies europäische Mächteringen weit unübersichtlicher war, ging die überraschendsten Koalitionen ein und verfolgte die abenteuerlichsten Umwege, solange bis hin zu Angriffskriegen, um dies Land aufwärts vereinen, wie man heute sagen würde: nachhaltigen Pfad zu erwirtschaften. Dabei folgte er einem Gedanken, den er schon 1850 vor preußischen Abgeordneten formulierte: „Die einzig gesunde Grundlage eines großen Staates, und im Zuge dessen unterscheidet er sich wesentlich von einem kleinen Staate, ist jener staatliche Egoismus und nicht die Romantik.“ Heute wäre eine solche Vorbringen jener Auftakt zu einem sozusagen parteiübergreifenden Shitstorm.

Jede Zeit bringt zu Händen sie typische Politiker hervor, und so muss sich niemand wundern, dass die Deutschen heute, wie viele westliche Nationen, in aller Regel von freundlichem, redlichem Personal regiert werden. Es erhielt seine Prägung in einer Phase virtuell unverwüstlicher Prosperität und kaum wahrnehmbarer Bedrohung von lateral. Wer in jener Politik reüssieren wollte, musste nur versprechen, den deutschen Umverteilungsbetrieb professionell zu verwalten und mit den verbleibenden Kräften die Welt da im Freien „zu einem besseren Ort zu zeugen“. Es entstand eine Politikergeneration von fleißigen Administratoren und Idealisten.

Zum Glück befindet sich die Nation noch nicht in neuen Stahlgewittern, jedoch vermutlich wäre sie irgendwas beruhigter, würde sie jetzt von Politikern geführt, die im Kontext Stahl nicht zuerst an den CO2-Fußabdruck des Hochofens denken. Nach Lage jener Dinge wird sich die Situation nicht so rasch verändern, weshalb Markus Söder mittlerweile zu danken ist, dass er in Veitshöchheim die Erinnerung an Vorhut und Staatskunst zumindest fratzenhaft wachgehalten hat.

Source: faz.net