Internationale Pressestimmen zu US-Zöllen: „Wir werden vom Chaos fortgerissen“
Die Zollpolitik der USA beeinflussen die Weltwirtschaft enorm. Die Börsenkurse fallen, teilweise abrupt, Gegenzölle wurden erhoben oder in Aussicht gestellt. Internationale Medien diskutieren über die möglichen, schwer vorauszusehenden Folgen und darüber, wie sich die internationalen Beziehungen durch US-Präsident Donald Trumps Politik verändern könnten. Die Kommentatoren zeichnen dabei, angesichts der potenziell dramatischen Konsequenzen, drastische Bilder.
„Der hasserfüllte Feldzug des US-Präsidenten erfasst den ganzen Globus – und raubt nicht nur Wohlstand, sondern auch Zuversicht und Hoffnung“, schreibt die österreichische Tageszeitung Der Standard. „Die nicht verarbeitbare Flut an Hochgefährlich-Stumpfsinnigem, die seit seiner Angelobung (Vereidigung) täglich über uns hereinbricht, raubt trotz Frühlingssonne jede Zuversicht, jede Hoffnung.“ Gerade deswegen sei es wichtig, „Biotope des Positiven“ zu schaffen. „Nicht nur die Welt ist in Gefahr, auch unser eigenes Seelenheil.“
„Wir
werden vom Chaos fortgerissen“, meint die römische Zeitung La Repubblica. „Am schwarzen Freitag der Weltbörsen
fließen Tränen und verbrennen Milliarden.“ Die Zeitung vergleicht die aktuelle Lage mit der nach den Anschlägen vom 11. September 2001. „Seit dem Dschihadisten-Angriff auf
die Zwillingstürme haben die Märkte nicht so einen krachenden Einbruch
erlitten.“ Jetzt habe der „“der dümmste Krieg der Geschichte“ begonnen, wie das Wall Street Journal diese Zollsalve bezeichnet hat, die der Sheriff
in Washington gegen alles und alle abgefeuert hat.“ Die Zeitung betont: „Wir sind erst am
zweiten Tag nach dem „Liberation Day““.
„An der Einzigartigkeit der transatlantischen Verbindung ändert auch die Präsidentschaft eines Populisten nichts.“
„Noch sind gar nicht alle am Mittwoch verkündeten Zölle in Kraft und schon steht die Welt auf dem Kopf“, kommentiert die slowakische Tageszeitung Sme. „Seit Jahren bereitet sich der kollektive Westen unter Führung der USA auf eine Konfrontation mit China und Russland vor, die die bestehende Weltordnung infrage stellen, doch jetzt ist es ausgerechnet der amerikanische Präsident, der alles durcheinander wirft.“ Die Zeitung unterstreicht jedoch die Bedeutung der transatlantischen Beziehungen: „Ob Trump oder Nicht-Trump, der Partner Europas, wenn es um Systemwerte wie Freiheit, Demokratie, Rechtsstaat, Menschenrechte und Gerechtigkeit geht, sind die USA. An der Überlegenheit und Einzigartigkeit der transatlantischen Verbindung, die im 20. Jahrhundert dreimal Europa rettete, ändert auch die Präsidentschaft eines verwirrten Populisten nichts.“
Die US-Zölle werden das Land aus der „weltumspannenden Wertschöpfungsketten herauslösen“, prognostiziert der Schweizer Tages-Anzeiger und: „Sie werden die Wettbewerbsfähigkeit der US-Unternehmen schwächen, speziell in den Industriebranchen, deren Niedergang Trump lamentiert. Sie werden die Kaufkraft der Löhne schmälern und Konsumentinnen ärmer machen.“ Um dem entgegenzutreten sei es „die Aufgabe der anderen Länder“ sich dieser Politik zu widersetzen. „Sie müssen die internationale Handelsordnung stützen, die mit ihrer multilateralen Architektur und ihren anerkannten Mechanismen zur Konfliktlösung den Wohlstand über die letzten Jahrzehnte gefördert hat.“
„In dieser Woche hat der Präsident der Vereinigten Staaten das Welthandelssystem demoliert, die Welt in Richtung einer erneuten Rezession gestoßen, Geschichte umgeschrieben und die wirtschaftlichen Verhältnisse auf den Kopf gestellt“, meint die britische Zeitung The Independent. „Das entspricht mehr oder weniger dem, was er Amerikas militärischen und sicherheitspolitischen Partnerschaften durch seine Hinwendung zum Kreml und seine Abkehr von der Nato bereits angetan hat.“ Trump führe die USA zurück zum „Isolationismus, Protektionismus und Nativismus einer dunkleren Zeit in seiner Geschichte“.
„Die schlimmsten Befürchtungen bestätigt“
„Wer immer noch daran zweifelte, dass die Globalisierung zu Wohlstand führt, konnte sich in dieser Woche ein Bild davon machen, wie Rückschläge bei der Globalisierung unmittelbar zu Wohlstandsverlusten führen“, schreibt die belgische Zeitung De Tijd. „Auch für jene, die nicht selbst in Aktien investieren, ist das eine schlechte Nachricht. In der Finanzwelt geht es im Wesentlichen um eine Verheißung für die Zukunft. Aktien sind ein Versprechen, künftig an Gewinnen teilzuhaben, sei es durch einen Mehrwert oder Dividenden. Die Tatsache, dass die Aktienkurse in dieser Woche in fast allen Sektoren eingebrochen sind, zeigt, wie sehr das Vertrauen in die Zukunft gelitten hat.“
„Der Tag nach dem „Tag der Befreiung“ von Donald Trump hat die schlimmsten Befürchtungen der Experten bestätigt“, schreibt die spanische Zeitung La Vanguardia. „Die Börsen befinden sich im freien Fall, und die Angst vor einer Rezession wächst.“ Die US-Zölle werden sich auch auf die Preise auswirken. „Um den Schock zu verstehen, den diese Zollmaßnahmen ausgelöst haben, kann der Fall Apple als Beispiel dienen. Die meisten dieser Produkte, darunter das beliebte iPhone, werden in China hergestellt und könnten daher für amerikanische Kunden um bis zu 54 Prozent teurer werden.“ Die Zeitung fragt sich „nicht so sehr, ob Trump seinen Kurs beibehalten wird, sondern ob die Sektoren der amerikanischen Wirtschaft ihren Präsidenten zu einer Korrektur drängen werden“.