Koalitionsvertrag: Linke kritisiert Koalitionsvertrag denn „Dokument der Ignoranz“

Die Linke hat den von Union und SPD vorgelegten
Entwurf des Koalitionsvertrags
(PDF) als verfehlt kritisiert. „Es ist
ein Dokument der Ignoranz“, sagte Parteichefin Ines Schwerdtner
der Rheinischen Post. „Ignoranz gegenüber den hart arbeitenden
Menschen und gegenüber den großen Herausforderungen unserer
Zeit: gesellschaftlicher Zusammenhalt, explodierende Mieten und
immer weiter steigende Preise, die Zerstörung des Planeten und
internationale Krisen.“ Keine dieser Herausforderungen werde
auch nur annähernd „in ihrer Größe begriffen, und echte Lösungen
vermisst man schmerzlich“, sagte Schwerdtner. Die Linke werde den
Plänen von Union und SPD daher entschlossen entgegentreten.

AfD-Chefin Alice Weidel nannte den Koalitionsvertrag eine „Kapitulationsurkunde“ von Friedrich Merz und der Union. Das Papier trage „durchgehend die Handschrift des Wahlverlierers SPD“ und der im Hintergrund agierenden Grünen. Sie warf Merz Wählerbetrug vor. Der Koalitionsvertrag sei ein „Weiter-so“ der Ära Merkel, das Wohlstand und Sicherheit gefährde. Die „großen Schicksalsfragen“ wie Energie und Migration blieben seitens der „kleinen Koalition“ aus CDU, CSU und SPD unbeantwortet. Die „alten Versager“ teilten sich die Posten im neuen Kabinett auf. Weidel sprach von einer „Lügen- und Brandmauer-Koalition“.

„Geld wie Heu, aber Ideen wie Stroh“

Der Grünen-Bundesvorsitzende Felix Banaszak nannte den Auftritt der vier Parteivorsitzenden „ziemlich schräg und peinlich“. Deren „Klamauk“ zum Beispiel bei der Frage des Duzens oder Siezens werde dem Ernst der Lage nicht gerecht. Auf keine der großen Herausforderungen, etwa den Klimawandel, habe dieses Bündnis eine Antwort: „Diese Koalition macht da weiter, wo die große Koalition 2021 aufgehört hat.“ Im Bereich der sozialen Gerechtigkeit sei von dieser Regierung wenig zu erwarten: „Schwarz-Rot wird die gesellschaftliche Spaltung vertiefen.“ Die Abschaffung des Bürgergeldes sei ein „Armutszeugnis im wahrsten Sinne des Wortes“, kritisierte Banaszak.

Die Grünen-Bundesvorsitzende Franziska Brantner nannte den Koalitionsvertrag „Valium für Europa“. Sie warf Merz „Feigheit vor Trump“ vor. Bei der Rente sei die junge Generation im Stich gelassen worden. Der Vertrag sei „hinten und vorne nicht durchgerechnet“, sehr vieles stünde unter Finanzierungsvorbehalt und werde in Kommissionen verlagert: „Die Koalition hat Geld wie Heu, aber Ideen wie Stroh.“ Statt Bürokratie abzubauen, habe die künftige Koalition ein weiteres Ministerium (für Digitalisierung und Staatsmodernisierung) geschaffen, kritisierte Brantner.

BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht bemängelte, dass der Koalitionsvertrag keine Antwort
auf Wirtschaftskrise und Handelsstreit gebe: „So droht ein drittes und viertes
Rezessionsjahr unter Schwarz-Rot: die Merzession.“ Damit werde der
künftige Bundeskanzler Friedrich Merz die AfD weiter stärken. Wagenknecht appellierte an „vernünftige Abgeordnete“ und die Basis von Union und SPD,
den Koalitionsvertrag zu stoppen.

Christian Dürr, ehemaliger Fraktionsvorsitzender der FDP im Bundestag, warf Union und SPD „Mutlosigkeit und Enttäuschung“ vor. Der Vertrag sei „langweilig geschrieben und mit wenig Inhalten bestückt“. Das Ergebnis der Verhandlungen bezeichnete Dürr als „klein“. Die von der CDU angekündigte Wirtschaftswende sei damit „abgesagt“. Die FDP vermisse steuerliche Entlastungen von Bürgern und Unternehmen.

BDI vermisst Energiekonzept, ver.di moniert Flexibilisierung

„Ansätze für dringend notwendige, entschlossene Strukturreformen“ sieht Tanja Gönner, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. Auch sende der Koalitionsvertrag wichtige Signale, etwa mit einem „kräftigen Anstieg der Infrastrukturinvestitionen“ und einer „spürbaren Entlastung bei den Energiekosten“. Aber etwa die steuerliche Entlastung von Unternehmen komme deutlich später, als notwendig wäre. Auch fehle nach wie vor ein Gesamtkonzept aus notwendigen strukturellen und mutigen Maßnahmen, „die langfristig für international wettbewerbsfähige Energiepreise sorgen“.

Die deutschen Gewerkschaften sehen in dem Koalitionsvertrag zugleich Fortschritte und Versäumnisse. Sie warnen vor allem vor einer Aufweichung des Arbeitszeitgesetzes. Ver.di bezeichnete die Stabilisierung des Rentenniveaus und geplante Investitionen als „wichtige Weichenstellungen für die Zukunft“, übte aber Kritik an der geplanten „Verschlechterung des Arbeitszeitgesetzes“ – etwa durch Flexibilisierungen bei der Wochenarbeitszeit und Anreize zur Mehrarbeit. Ver.di kritisierte außerdem die geplanten Steuersenkungen für Unternehmen, diese „reißen Löcher in die staatlichen Finanzen“. Vermögende und große Erbschaften blieben hingegen unangetastet.

Umweltverbände befürchten eine Aufweichung von Klimaschutzvorgaben und eine Rücknahme bestehender Maßnahmen zur Senkung der Emissionen. „In vielen Bereichen ist ein Rückschlag zu befürchten“, erklärte der Vorsitzende des Umweltverbands BUND, Olaf Bandt. Als Beispiel nannte er das geplante Anrechnen „fragwürdiger Projekte zur Emissionsreduktion im Ausland“ auf das Erreichen der deutschen Klimaziele. Mit der Ankündigung, Umweltinformations- und Verbandsklagerechte einzuschränken, wolle die Koalition demokratische Mitwirkungsrechte beschneiden.