Indische Ingenieure springen zu Gunsten von Deutschland in die Bresche
Weil Ingenieure und Informatiker fehlen, gehen der deutschen Wirtschaft jährlich 9 bis 13 Milliarden Euro an Wertschöpfung verloren. Wegen der schlechten Konjunktur ist die Zahl der unbesetzten Stellen mit technischem Profil im ersten Quartal zwar um gut 15 Prozent auf 148.200 gesunken. Dennoch bleibt die Lücke groß, ergibt eine am Mittwoch vorgestellte Studie des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) und des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW).
Am gravierendsten ist der Ingenieurmangel in den Bereichen Energie- und Elektrotechnik, gefolgt von Bau, Vermessung, Gebäudetechnik und Architektur. Viel Personal fehlt auch im Maschinen- und Fahrzeugbau sowie der Informatik. Gemessen werden die Engpässe anhand der offenen Stellen je 100 Arbeitslose in den einzelnen Bereichen. So ergibt sich etwa für die Energie- und Elektrotechnik eine Engpassziffer von über 500 und für die Informatik von rund 300.
Anteil der ausländischen Ingenieure hat sich verdoppelt
VDI-Direktor Adrian Willig fordert als Mittel gegen den Mangel eine breite Palette an Maßnahmen, um junge Menschen für Technik und Wissenschaft zu begeistern. „Um die Fachkräftelücke zu schließen, sind auch ausländische Ingenieurinnen und Ingenieure unerlässlich“, sagte Willig. Wie der vom VDI und IW erhobene Ingenieurmonitor zeigt, wäre der Mangel an technisch geschultem und erfahrenem Personal noch weit schlimmer, würden nicht zahlreiche ausländische Ingenieure und Informatiker nach Deutschland kommen. Demnach stieg von Ende 2012 bis September 2023 die Zahl der ausländischen Beschäftigten in Ingenieurberufen um 146 Prozent auf über 114.600 Personen. Der Anteil der ausländischen Ingenieure verdoppelte sich in diesem Zeitraum beinahe und stieg von 6 auf 11 Prozent. Der Zuwachs an Beschäftigten in den Ingenieurberufen wurde zu 26 Prozent von ausländischen Fachkräften getragen. Woher kommen sie?
Die meisten sozialversicherungspflichtigen ausländischen Ingenieure kommen aus Indien (12.769), der Türkei (8328), Italien (6665), China (6362), Frankreich (5196) und Spanien (5123). Die Zahlen beziehen sich auf Ende September 2023. Seit dem Jahr 2012 besonders stark gewachsen ist dabei die Zahl indischer Ingenieure. Rechnet man weitere Berufe aus dem Bereich Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) hinzu, ergibt sich laut VDI und IW eine sogar noch deutlich größere Zahl an sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit indischer Staatsangehörigkeit von 30.700 Personen. Davon entfällt der größte Teil auf den Bereich Informatik.
Nach Einschätzung von VDI-Direktor Willig wird der Bedarf an Ingenieuren und Informatikern wegen der Digitalisierung und des Klimaschutzes in den kommenden Jahren steigen. Gleichzeitig sinkt durch die Alterung der Bevölkerung der Anteil junger Arbeitskräfte. Daher brauche es neben der Zuwanderung ausländischer Fachkräfte auch Anstrengungen, um mehr junge Leute und insbesondere auch Frauen für technische Berufe zu begeistern. Der Anteil von Frauen in den MINT-Berufen sei in den vergangenen Jahren zwar deutlich gestiegen, liege mit rund 20 Prozent aber immer noch auf niedrigem Niveau.
Warum gibt es so wenig Ingenieurinnen?
Ein Problem sei, dass Mädchen ihre Fähigkeiten auf diesem Feld häufig unterschätzten. Auch Eltern würden die technischen Fähigkeiten ihrer Töchter oft geringer einschätzen als die ihrer Söhne, selbst wenn die Kompetenzen gleichwertig seien. Schon in den Schulen solle man noch stärker transparent machen, wofür der Lernstoff später angewendet werden könne. So könne man zum Beispiel Anwendungsbezüge zwischen dem Klimawandel und der Mathematik herstellen.
Auch aus Sicht von IW-Ökonom Axel Plünnecke ist es entscheidend, Deutschland als Standort für ausländische Arbeitnehmer attraktiv zu machen. Wirkungsvoller als etwa Steuervorteile für einzelne Gruppen sei der Abbau von bürokratischen Hürden für die Einwanderung von Fachkräften. Vor Kurzem hatte eine Idee der Bundesregierung für Debatten gesorgt, ausländische Arbeitskräfte mit Steuerrabatten nach Deutschland zu locken. Ökonomen und Arbeitgeber hatten sich stattdessen für Steuersenkungen für breite Teile der Bevölkerung ausgesprochen.