Geschlechtseintrag: Selbstbestimmungsgesetz tritt in Kraft

Seit diesem Freitag ist das neue sogenannte Selbstbestimmungsgesetz in Kraft. Es erleichtert es Menschen, ihren Geschlechtseintrag und ihren Vornamen ändern zu lassen. Die Ampelkoalition hatte es im April begleitet von vielen Diskussionen durchgesetzt

Ab sofort reicht eine einfache Erklärung beim Standesamt, um den Geschlechtseintrag zu ändern – statt wie
bisher zwei psychiatrische Gutachten und ein Gerichtsbeschluss. Dabei gibt es jetzt vier Möglichkeiten: männlich, weiblich, divers – oder keine
Angabe, also dass der bisherige Eintrag auch ersatzlos gestrichen werden kann.

Drei Monate Bedenkzeit

Zuvor galt über 40 Jahre lang das umstrittene sogenannte Transsexuellengesetz. Damit war für Betroffene eine langwierige und kostspielige Prozedur mit Gutachten und Gerichtsbeschlüssen verbunden. Das
Bundesverfassungsgericht hatte die Regelungen des Gesetzes mehrfach in Teilen
für verfassungswidrig erklärt und auf demütigende Verfahren für Betroffene
hingewiesen.

Nun reicht eine Anmeldung beim Standesamt, nach drei Monaten kann die Erklärung abgegeben werden und die Änderung erfolgen. Die Anmeldung dafür war bereits seit August möglich. Die dreimonatige Wartefrist dient nach Angaben des Familienministeriums unter anderem als Bedenkzeit für die Person.

Erneut geändert werden kann der Geschlechts- und Vornamenseintrag frühestens nach zwölf Monaten. Auch für Minderjährige ist eine Änderung unter gewissen Voraussetzungen wie etwa dem Einverständnis der Eltern möglich.

Bundesfamilienministerin Lisa Paus von den Grünen, die auch für
Gleichstellung zuständig ist, sprach von einem „ganz besonderen Tag für
alle transgeschlechtlichen, intergeschlechtlichen sowie nicht binären
Menschen.“ Mit dem Inkrafttreten des Selbstbestimmungsgesetzes werde
„die einfache Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen jetzt
endlich Realität.“

Ataman: Für die meisten Menschen ändert sich nichts

Ihr Parteifreund, der Queer-Beauftragte der
Bundesregierung, Sven Lehmann, sagte: „Deutschland reiht sich damit ein
in die Gruppe der Länder weltweit, die Menschen eine Korrektur ihres
Geschlechtseintrags und Vornamens ermöglichen, ohne sie zu
pathologisieren.“ Ähnliche Regelungen gebe es bereits in 16 Staaten,
etwa in Argentinien, Neuseeland, Irland und der Schweiz.

Die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, begrüßte das Gesetz ebenfalls. Deutschland knüpfe damit an internationale Standards an. „Ein Selbstbestimmungsgesetz
betrifft eine kleine Minderheit und hilft ihr. Für sie wird das Leben
einfacher, für alle anderen ändert sich nichts – anders als vielfach
behauptet“, sagte Ataman den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Zugleich forderte sie, dass der Schutz queerer Menschen auch in der Verfassung verankert wird. „Im Grundgesetz sind queere Menschen noch immer nicht explizit geschützt,
das Diskriminierungsverbot in Artikel 3 muss um das Merkmal sexuelle
Identität ergänzt werden.“

UN-Expertin warnt vor Missbrauch des Gesetzes

Kritik an dem neuen Gesetz kommt dagegen von einer UN-Expertin. Die Sonderberichterstatterin zum Thema Gewalt gegen Frauen und Mädchen, Reem Alsalem, warnte vor Gefahren für Frauen und Mädchen.

Das Gesetz beeinträchtige die Sicherheit, die Privatsphäre und andere Menschenrechte von Frauen und Mädchen, insbesondere von denen, die von männlicher Gewalt betroffen sind, sagte Alsalem. Es fehlten Schutzmaßnahmen, um einen Missbrauch des Gesetzes durch Missbrauchs- und Gewalttäter zu verhindern. Sie verwies auf Frauenhäuser, gemeinsame Toiletten oder Umkleideräume. Alsalem kritisierte an dem Gesetz zudem, dass Mädchen schon mit 14 ohne Einverständnis ihrer Eltern ihr Geschlecht ändern können, wenn ein Gericht zustimmt.

Die Jordanierin ist vom UN-Menschenrechtsrat als Expertin für das Thema Gewalt gegen Frauen und Mädchen berufen worden. Sie ist unabhängig von den Vereinten Nationen. Sie informiert den Menschenrechtsrat bei Bedarf zu dem Thema.

Die Bundesregierung hatte die Kritik zurückgewiesen. In einem Schreiben vom August, das jetzt vom UN-Menschenrechtsbüro veröffentlicht wurde, heißt es, das Gesetz sei in Bezug auf die Menschenrechte aller einwandfrei begründet.