G7-Gipfel in Italien: Ukraine erhält Milliardenkredit, Selenskyj fordert Marshall-Plan

Zum G7-Gipfel im italienischen Apulien haben die Mitgliedstaaten sich auf weitere Unterstützung für die Ukraine geeinigt. Die französische und die US-amerikanische Regierung teilten mit, dass bis Ende des Jahres ein Kredit in Höhe von 50 Milliarden US-Dollar (rund 46,5 Milliarden
Euro) an die Ukraine ausgezahlt werden solle. Es handelt sich dabei um Zinserträge aus russischen Vermögen, die von den EU-Staaten nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs eingefroren wurden.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nannte die Einigung einen „historischen Schritt“. Der Beschluss sei ein Zeichen an den russischen Präsidenten Wladimir Putin, dass er den Krieg nicht aussitzen könne, sagt Scholz am Rande des G7-Gipfels. Damit sei zudem klar, dass sich die Ukraine die nötigen Waffen beschaffen und den Wiederaufbau finanzieren könne.

Weitere Unterstützung für den Wiederaufbau forderte hingegen der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Er rief die wichtigsten westlichen Wirtschaftsstaaten dazu auf, einen Marshall-Plan für sein Land zu unterstützen. Das nach dem Zweiten Weltkrieg von US-Präsident Harry Truman beschlossene Programm sah 13,3 Milliarden Dollar für den Wiederaufbau Europas vor. Dies entspricht heute einer Summe von rund 176 Milliarden Dollar.

Sunak kündigt ebenfalls Hilfszahlungen an

Auch der britische Premierminister Rishi Sunak sicherte Selenskyj auf
dem Treffen weitere Hilfe zu. Aus Großbritannien sollen in den kommenden
Monaten weitere 242 Millionen Pfund (etwa 286,3 Millionen Euro) an die
Ukraine fließen. Damit solle der unmittelbare Bedarf in den Bereichen
humanitäre Hilfe, Energie und Stabilisierung gedeckt werden, teilte
Sunaks Büro mit. „Wir müssen entschlossen und kreativ sein in unseren
Bemühungen, die Ukraine zu unterstützen und Putins illegalen Krieg in
diesem kritischen Moment zu beenden“, sagte Sunak.


Großbritanniens Staatschef Rishi Sunak und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj auf dem G7-Gipfel in Italien.

Die Ukraine und Japan unterzeichnen am Rande des G7-Gipfels in Italien ein Sicherheitsabkommen. „Im Jahr 2024 wird Japan der Ukraine 4,5 Milliarden Dollar zur Verfügung stellen und uns während der gesamten zehnjährigen Laufzeit des Abkommens weiter unterstützen“, sagt Präsident Wolodymyr Selenskyj. 

Auch US-Präsident Joe Biden plant, auf dem Gipfel einen Vertrag mit der Ukraine zu schließen. Dieser werde
deutlich machen, dass „unsere Unterstützung bis weit in die Zukunft reichen wird
(…), insbesondere im Bereich Verteidigung und Sicherheit„, sagte der
nationale Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan, auf dem Weg nach Italien. „Mit der Unterzeichnung des Abkommens signalisieren wir Russland unsere Entschlossenheit.“

EU-Ratspräsident Michel kritisiert China

Indes kritisierte EU-Ratspräsident Charles Michel die chinesische Führung. Sie hatte zuletzt angekündigt, die Ukraine-Friedenskonferenz boykottieren zu wollen, die am kommenden Wochenende in der Schweiz stattfinden soll. Insgesamt werden dort Delegationen von 90 Staaten und Organisationen erwartet. „Es ist enttäuschend, dass China nicht teilnehmen wird“, sagte Michel. China hatte sein Fernbleiben damit begründet, dass eine deutliche Lücke zwischen der Gestaltung der Konferenz und den Anforderungen Chinas sowie den allgemeinen Erwartungen der internationalen Gemeinschaft bestehe.

Der G7-Gipfel im italienischen Borgo Egnazia läuft noch bis Samstag. Die Gruppe besteht aus den USA, Kanada, Großbritannien, Japan, Frankreich, Italien und Deutschland trifft sich seit Mitte der 1970er Jahre einmal im Jahr. Als weitere Gäste werden am Freitag unter anderem die Staats- und Regierungschefs aus Indien, Brasilien, Saudi-Arabien und der Türkei erwartet. Auf Einladung von Gastgeberin Giorgia Meloni nimmt zudem erstmals seit fast 50 Jahren wieder der Papst an einem Treffen der sieben großen Industrienationen teil.