Flüchtlingsgipfel: Bundesländer werfen Kanzleramt falsche Zahlen zu Flüchtlingen vor

Abweichend von der Linie der Ampel-Regierung hat sich die Grünenvorsitzende Ricarda Lang der Forderung der Bundesländer nach mehr Geld vom Bund für die Versorgung von Flüchtlingen angeschlossen. Zu den „tatsächlichen Problemen“ vor Ort gehöre „vor allem das mangelnde Geld“, sagte Lang am Abend in der ARD-Sendung Bericht aus Berlin. „Jetzt geht es darum, besonders belastete Kommunen zu schützen.“ Diese forderten zudem zu Recht, „dass wir in dieser Situation schnellere Verfahren brauchen“.

Angesichts steigender Flüchtlings- und Asylbewerberzahlen sehen sich viele Kommunen am Rande der Leistungsfähigkeit. Um die Finanzierung der Flüchtlingshilfe wird schon lange gestritten; am Mittwoch beraten Bund und Länder erneut im Kanzleramt darüber. Langs Haltung zur Finanzierung der Kosten widerspricht einer Beschlussvorlage der Ampel-Regierung, die dem ARD-Hauptstadtstudio vorlag. Demnach plant die Bundesregierung keine wesentliche Erhöhung der Flüchtlingshilfen für Länder und Kommunen. In dem Papier heißt es, der Bund unterstütze schon jetzt in Milliardenhöhe, während Länder und Kommunen Milliardenüberschüsse verzeichneten.

Die Bundesländer hingegen werfen dem Kanzleramt falsche Berechnungen vor. Faktisch habe der Bund seine Hilfen in den vergangenen Jahren trotz steigender Flüchtlingszahlen sogar zurückgefahren, heißt es in einem internen Papier der Finanzministerkonferenz, das der Nachrichtenagentur Reuters vorliegt. Es wurde am Abend vom niedersächsischen Vorsitz der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) an die anderen 15 Länder versandt.
Auch die Argumentation, der Bund verfüge über einen immer geringeren Anteil der Steuereinnahmen, wird bestritten.

„Nach der Abgrenzung der amtlichen Statistik betrug im Jahr 2021 der Anteil des Bundes am Steueraufkommen 41,2 Prozent, während der Länderanteil bei 40,5 Prozent liegt“, heißt es in dem Papier. „Bei allem Verständnis für Unannehmlichkeiten der Finanzpolitik in Zeiten enger werdender finanzieller Spielräume muss der Bund endlich anfangen, seine Haushaltsprobleme in den eigenen Ausgabenpositionen zu lösen und keine Scheindebatte führen, die Länder seien an seinen Haushaltsproblemen schuld.“

Die Bundesregierung lehnt ihrerseits eine von den Ländern geforderte Erhöhung der Zuweisungen mit dem Argument ab, dass laut Grundgesetz Länder und Kommunen zuständig seien und der Bund in den vergangenen Jahren freiwillig Leistungen übernommen habe, die sich im Jahr 2023 über verschiedene Töpfe ohnehin schon auf 15,6 Milliarden Euro belaufen würden.

Länder wollen 1.000 Euro Fallpauschale

Während der Bund darauf verweist, dass die Zahl der Asylbewerberinnen und Asylbewerber jetzt etwa auf dem Niveau von 2014 liege – also bevor der Bund massiv in finanziellen Hilfen eingestiegen sei –, wird in dem neuen Länder-Papier anders argumentiert: 2022 habe es zwar mit 244.000 Erst- und Folgeanträgen auf Asyl eine geringere Zahl als in den Jahren 2015/16 gegeben. Sie sei aber deutlich höher als in allen anderen Jahren. Zudem wird auf die Dynamik verwiesen: Die Zahl der Asylanträge (ausgenommen der Ukraine-Kriegsflüchtlinge) seit 2022 sei bereits mehr als 20 Prozent höher als 2014 gewesen und in den ersten drei Monaten 2023 nochmals 80 Prozent höher als vor der Jahresfrist.

In dem Papier wird die Darstellung des Bundes bestritten: „Der bisherige Höhepunkt von Bundesleistungen an die Länder im Rahmen der Flüchtlingsfinanzierung lag im Jahr 2016 bei 9,1 Milliarden Euro. Im Jahr 2023 gibt der Bund an Länder fluchtbedingte Leistungen von insgesamt 2,75 Milliarden Euro. Im Jahr 2024 fällt der Betrag auf 1,25 Milliarden Euro und bleibt nach geltendem Recht unverändert auf diesem Niveau.“ Die Länder fordern vom Bund unter anderem eine Rückkehr zu einer Fallpauschale pro Flüchtling. Statt der früheren Pauschale von 670 Euro monatlich wollen sie aber einen höheren Betrag. „Aus einer Aktualisierung auf der jüngsten Datengrundlage ergäbe sich ein Betrag von circa 1.000 Euro je Flüchtling“, heißt es in dem Papier.