Debatte um Finanzpaket: Scheitert Merz vor Verfassungsgericht?

Die Vorbereitungen für die kurzfristige Verabschiedung des milliardenschweren Finanzpakets für Verteidigung und Infrastruktur laufen auf Hochtouren. Damit gerät auch das Bundesverfassungsgericht immer stärker ins Blickfeld: Könnten die Karlsruher Verfassungshüter die Pläne von CDU und SPD zur Finanzierung der Landesverteidigung und zahlreicher Sanierungsvorhaben zu Fall bringen?

Spätestens seit dem Haushaltsurteil von 2021 weiß die Politik, wie eisern das Gericht auch in politisch und finanziell schwierigen Zeiten über das Grundgesetz wacht – mögen dann auch Haushalt und Regierung aus den Fugen geraten. Damals ging es um Kreditermächtigungen in Höhe von 60 Milliarden Euro. Mit dem nun geschnürten Finanzpaket steht ein Vielfaches auf dem Spiel.

AfD und Linke haben schon entschiedenen Widerstand angekündigt. Beschließe der Bundestag noch in seiner gegenwärtigen Zusammensetzung über die erforderlichen Grundgesetzänderungen für das Finanzpaket, sei das „verfassungswidriger Wahnsinn“, empörten sich AfD-Politiker. Die Linke findet das geplante Prozedere „demokratisch höchst fragwürdig“ und prüft noch, ob es verfassungskonform ist.

Situation erinnert an Kosovo-Beschluss von 1998

Das geplante Vorgehen ist jedoch kein völliges Novum. Am 16. Oktober 1998 fasste der Bundestag in einer Sondersitzung einen Beschluss zur Beteiligung der Bundeswehr an NATO-Luftoperationen im Kosovokrieg; es handelte sich um den ersten Kriegseinsatz deutscher Soldaten nach dem Zweiten Weltkrieg. Drei Wochen vor dem Kosovo-Beschluss war die schwarz-gelbe Bundesregierung unter Helmut Kohl (CDU) abgewählt worden. Am 27. Oktober 1998 trat der neue Bundestag zusammen. Gerhard Schröder (SPD) wurde Bundeskanzler der ersten rot-grünen Koalition.

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Die Parallelen zu 1998 haben allerdings Grenzen. So musste für den Kosovo-Beschluss nicht das Grundgesetz geändert werden. Auch wurde der alte Bundestag im Jahr 1998 nicht deswegen tätig, um eine Blockade durch den neuen Bundestag zu verhindern. Vielmehr war man sich mehrheitlich einig, dass angesichts der Lage im Kosovo schnelles Handeln geboten sei. Nun ist es aber so, dass AfD und Linke im neu gewählten Bundestag gemeinsam mehr als ein Drittel der Sitze bekommen. Mit dieser Sperrminorität können sie Grundgesetzänderungen verhindern.

Für den Gang nach Karlsruhe bräuchte die AfD die Hilfe der Linken

Doch für eine Normenkontrollklage gegen die geplante Absegnung des Finanzpakets durch den alten Bundestag hätten AfD und Linke für sich genommen nicht die nötige Stärke, auch nicht im neuen Bundestag. Dafür braucht es ein Viertel der Mitglieder. Das wären 158, die AfD kommt auf 152 Sitze. Dass Abgeordnete der Linken der AfD zum Gang nach Karlsruhe verhelfen würden, erscheint wenig wahrscheinlich.

Eine Verfassungsbeschwerde einzelner AfD-Abgeordneter, ähnlich wie sie FDP-Abgeordnete gegen den Solidaritätszuschlag erhoben, scheidet nach Einschätzung der Staatsrechtslehrer Frank Schorkopf (Universität Göttingen) und Hanno Kube (Universität Heidelberg) aus. Die FDP-Abgeordneten beriefen sich auf ihre Grundrechte als Steuerbürger, erläutert Schorkopf. Im Streit über das Finanzpaket sehe er keine individuelle Betroffenheit, sagt Kube. Abgesehen davon, ist noch nicht gesagt, dass die Soli-Klage der FDP-Abgeordneten zulässig ist. Das Urteil wird am 26. März verkündet.

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Schorkopf verweist aber auf ein juristisches Manöver, das jedenfalls in der jüngeren Parlamentsgeschichte ein Novum wäre: AfD oder Linke gehen für den neuen Bundestag gegen den alten Bundestag vor. Praktisch könne man sich das so vorstellen, dass eine Fraktion die noch amtierende Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) verklagt, verbunden mit einem Eilantrag, die geplante Abstimmung zu verhindern oder das Finanzpaket dann jedenfalls im Hauptsacheverfahren zu kippen.

Allerdings stellt sich die Frage, welche Verfassungsrechte durch die Beschlüsse über das Finanzpaket überhaupt verletzt sein könnten. Der Rechtsprofessor Kyrill-Alexander Schwarz (Universität Würzburg) verwies im Interview mit dem „Spiegel“ auf eine Gefährdung des Demokratieprinzips, wenn noch der alte Bundestag entscheide. Schorkopf hält dagegen, dass der Bundestag vollständig legitimiert und handlungsfähig bleibe. Das Grundgesetz sei hier eindeutig. Der Göttinger Rechtsprofessor verweist auf Artikel 39. Demnach endet die Wahlperiode des Bundestages mit dem Zusammentritt des neuen Bundestages – also nicht mit der Bundestagswahl. Diskutiert wird außerdem eine mögliche Verletzung des Budgetrechts des neuen Bundestages wegen der entstehenden Zinslasten. Noch einen Schritt weiter gehen Überlegungen, dass sogar die Ewigkeitsgarantie des Grundgesetzes verletzt sein könnte, da die erhebliche neue Verschuldung die Leistungsfähigkeit des Bundes übersteige.