CSD in Berlin: Es war richtig, Kai Wegner und die Konservative auszuschließen

Nein, nein, nein: Die Union hat auf CSDs nichts zu suchen. Es war richtig, zu entscheiden, dass Kai Wegner (CDU), Chef der rechtesten Regierung, die Berlin seit Jahrzehnten hat, der eine Parteienfamilie vertritt, die uns Queers immer wieder zu Wahlkampfzwecken unter den Bus wirft (wie in Bayern), deren Jugendorganisationschef auf X, vormals Twitter, trans* Frauen als „kranke Männer“ diffamiert, nicht den Berliner CSD eröffnen darf. Queerfeinde und ihre Parteifreund_innen haben am höchsten Feiertag im queeren Kalender die Klappe zu halten.

Im Pride Month feiern wir Queers mit unseren Allys auf CSDs und Pride-Märschen die Tatsache, dass 1969 eine Gruppe held_innenhafter Queers –allen voran trans* Sexworkers of Color und die Ikone Marsha P. Johnson – sich gegen die queerfeindlichen Angriffe der korrupten New Yorker Cops zur Wehr setzte, als diese das Stonewall Inn in der Christopher Street, damals einerder wenigen „safe spaces“ für Queers, zum x-ten Mal ohne Anlass durchsuchten.

Ich nehme an, dass die meisten von uns die politische Vorgeschichte des CSD kennen, aber angesichts zweier Tatsachen wollte ich sie noch mal in Erinnerung rufen: Erstens, dass der Pride Month dieses Jahr im Kontext einer spätestens seit der Correctiv-Recherche weithin anerkannten faschistischen Bedrohung der Gesellschaft im Allgemeinen und queerer Menschen im Besonderen stattfindet.

Zweitens, dass darauf natürlich folgt, dass die CSDs in Deutschland dieses Jahr sehr viel politischer sind als noch vor Kurzem. Ob vom schwulen Hausarzt meiner besten Freundin oder von einer coolen jungen Lesbe aus Bayern, die ich auf dem Weg zum Berliner CSD traf – von fast allen, mit denen ich sprach, wurde bestätigt: Endlich, nach Jahrzehnten der Entpolitisierung, war auch der Berliner CSD dieses Jahr nicht nur eine Riesenparty (mit Darkroom in den Büschen des Tiergartens), sondern Teil eines bundesweiten, gar internationalen queeren Fightback gegen die rechte Offensive.

Endlich wieder queer und politisch

Das bedeutet, dass die lange in einer Art postpolitischer Starre verharrende deutsche LGBTIQ*-Szene langsam wieder zu etwas wird, das ich nach 27 Jahren Aktivismus ganz gut kenne: eine Bewegung. Als Bewegung sollten wir uns unserer Stärken bewusst sein.

Moderat oder radikal, diese Frage stellt sich jede Bewegung, jede politische Kraft. Die moderate Position sagt: Die rechten Angriffe auf Queers werden immer härter, wir brauchen natürlich jeden Ally, den wir kriegen können, sogar den stockkonservativen Powerbottom Kai Wegner. Es war ein Fehler, ihn nicht einzuladen.

Die radikale, also meine, also die richtige Position ist aber: Diejenigen, die uns – wenn sie gerade Lust haben und in irgendeinem reaktionären Bundesland Wahlen anstehen – immer wieder unter den Bus werfen und immer wieder glauben, uns ihrer Basis zum Fraß vorwerfen zu können, müssen lernen, dass das Zuwiderhandeln gegen uns und unsere Interessen politische Folgen hat. Nur so können Bewegungen Parteien zwingen, so zu handeln, wie wir das wollen. Politik handelt, wenn sie mit einer Macht konfrontiert ist. Wir müssen zeigen, dass wir sie haben, nur dann werden wir gehört.

Die Moderaten sagen: Es ist acht Uhr, der Club schließt gleich, wir müssen nehmen, wen wir kriegen können.

Ich sage: Die Nacht fängt gerade an, wir sind sexy und charming, und wer uns und unsere Stimmen kriegt, sollte sich glücklich schätzen.

Super Safe Space

Tadzio Müller ist Queeraktivist. Im Newsletter friedlichesabotage.net schreibt er gegen den „Normalwahnsinn“ an. Für den Freitag schreibt er abwechselnd mit Dorian Baganz, Elsa Koester und Alina Saha die Kolumne „Super Safe Space“.