Berufsunfähigkeitsversicherung: BGH rügt „Telematik“-Tarife von Generali

Nur wer regelmäßig Sport treibt, auf seine Ernährung achtet, zur Vorsorge geht und alles brav in eine App einträgt, soll von Prämienrabatten seines Versicherers profitieren. Was auf den ersten Blick nach einem fairen Interessenausgleich zwischen Versicherten und Versicherern aussieht, ist für die Branche seit Jahren ein äußerst konfliktträchtiges Feld.

Dies gilt insbesondere für den Bereich der Berufsunfähigkeitsversicherung (BU). Aus dieser Police erhält der Versicherte eine monatliche Rente, wenn er aus gesundheitlichen Gründen arbeitsunfähig ist.

Verhaltensüberwachung in der Kritik

Verbraucherschützer monieren die Intransparenz und die Missachtung von Datenschutz solcher „Telematik“-Tarife, die sich aus der laufenden Verhaltensüberwachung von Versicherten wie etwa schon länger im Kfz-Bereich auch in das BU-Geschäftssegment entwickelt haben. Am Mittwoch nun musste der vierte Zivilsenat am Bundesgerichtshof (BGH) in letzter Instanz über mehrere strittige Vertragsklauseln in „Vitality“-Tarifen des Versicherungskonzerns Generali entscheiden (Az. IV ZR 437/22).

Für ihre Meldungen erhielten Versicherte Punkte, die sie in Kategorien von Bronze bis Platin eingruppierten: Je höher die Kategorie, desto mehr Prämiennachlass gewährte die Dialog Lebensversicherung aus Augsburg, eine Tochtergesellschaft des Generali-Konzerns. Die höchsten Zivilrichter in Karlsruhe rügten, dass ein Versicherter in einem solchen Anreizsystem nicht erkennen könne, welches Gewicht ein gesundheitsbewusstes Verhalten für die Rabattierung hat. Die Klausel sei daher intransparent und unwirksam. Das gilt auch für eine Klausel, die den Verlust des Nachlasses für eine Nichtmeldung oder die zu späte Meldung vorsah.

Programm nicht in Frage gestellt

Wie Generali auf Anfrage der F.A.Z. mitteilte, werde man die in dem Verfahren monierten Teilklauseln entsprechend anpassen und die knapp 100 betroffenen Kunden anschreiben. Im Übrigen sieht der Konzern sein gesundheitsförderndes Programm nicht grundsätzlich in Frage stellt. „Insofern bestätigt das Urteil den Grundsatz der Vertragsfreiheit, wonach jeder im Rahmen der bestehenden Gesetze frei entscheiden kann, wie und bei wem er oder sie sich versichert“, heißt es aus München.

Der Konflikt geht bis ins Jahr 2016 zurück, als die Generali in Deutschland ihr Programm „Vitality“ einführte und später auf alle ihre Lebensversicherungsmarken ausweitete. Das Angebot rief jedoch den Bund der Versicherten (BdV) auf den Plan. Da die Dialog Lebensversicherung nach Ansicht der Verbraucherschützer mehrere intransparente Klauseln in ihrem Gesundheitsprogramm verwendete, zogen sie vor das Landgericht München. Bei einer Klausel sei für den Versicherungsnehmer nicht ersichtlich, welchen Effekt seine Teilnahme am Programm auf die Überschussbeteiligung habe.

Eine weitere Klausel übertrug das generelle Risiko der Übermittlung auf den Versicherungsnehmer – blieb die „termingerechte Information“ aus, behielt sich der Versicherer das Recht vor, dies als nicht gesundheitsbewusstes Verhalten zu werten, beanstandete der BdV. In beiden Vorinstanzen hatten die Richter eine unangemessene Benachteiligung der Verbraucher bejaht.

Source: faz.net