Arbeit: Was die Ampelregierung fast wie noch für jedes Betriebsräte tun wollte
Ende Juni 2024 hat der Bundestag eine Regelung zur Vergütung von Betriebsräten beschlossen. Das war nötig geworden, weil nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) nicht mehr eindeutig im Betrieb zu regeln war, wie Betriebsräte zu entlohnen sind. Das hatten einige Arbeitgeber für sich genutzt und die Vergütungen teilweise bis zur Hälfte gekürzt.
Ampelkoalition: Union Busting als Offizialdelikt
In der vom Bundestag beschlossenen Regelung heißt es, dass das Entgelt für Betriebsräte künftig nicht geringer bemessen werden darf als die Vergütung vergleichbarer Beschäftigter mit ähnlicher beruflicher Entwicklung. Durch die entstandenen Unsicherheiten und die teilweise geringere Vergütung war die Attraktivität, sich als Betriebsrat für seine Kollegen einzusetzen, geschmälert worden. Das ist nicht die erste Reform des Betriebsverfassungsgesetzes der Ampelkoalition. Bereits 2021 wurde das Betriebsrätemodernisierungsgesetz beschlossen. Darin waren unter anderem das Wahlalter gesenkt, Wahlverfahren vereinfacht und der Kündigungsschutz der Betriebsräte erweitert worden.
Eine andere Änderung, die sogar im Koalitionsvertrag festgehalten wurde, steht aber noch aus. Dort hatten SPD, Grüne und FDP vereinbart, die Behinderung der Bildung und Arbeit eines Betriebsrates als „Offizialdelikt“ einzustufen, also als eine Straftat, die auch ohne Anzeige verfolgt wird. Wann das passieren wird? Eine Sprecherin des Bundesarbeitsministeriums sagte dazu: „Das Ministerium wird zu gegebener Zeit konkrete Vorschläge zur Umsetzung der im Koalitionsvertrag vereinbarten Vorhaben zur Weiterentwicklung der Mitbestimmung vorlegen, wozu auch die im Koalitionsvertrag vereinbarte Einstufung des § 119 BetrVG als Offizialdelikt gehört. Ein konkreter Zeitplan zur Umsetzung besteht noch nicht.“ Die Legislaturperiode dauert noch gut ein Jahr. Es wird also Zeit, auf die Tube zu drücken.
Die Be- und Verhinderung von Betriebsratsarbeit – umgangssprachlich: Union Busting – ist zwar schon jetzt strafbar. Allerdings werden fast keine Verfahren eröffnet. Denn derzeit ist die Betriebsratsbehinderung und -verhinderung ein Antragsdelikt. Das heißt, nur der betroffene Betriebsrat kann sie zur Anzeige bringen. Wie dringend notwendig die geplante Neuregelung ist, hatte das gewerkschaftsnahe Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut in einer Studie herausgefunden. Dort hatten 31 Prozent der befragten Beschäftigten angegeben, sie seien bei der Gründung eines Betriebsrats vom Arbeitgeber behindert worden, am Ende sei auch kein Betriebsrat gewählt worden. Genauere Zahlen gibt es nicht, aber man kann als gesichert annehmen, dass aktuell sehr viel öfter „Union Busting“ stattfindet als juristisch verfolgt wird.
Nur 44 Prozent in Betrieben mit Betriebsrat
Dies zu verfolgen, ist auch wichtig, weil die Zahl der Betriebsräte beständig sinkt: Die Hans-Böckler-Stiftung schreibt, dass 2010 noch 44 Prozent aller Beschäftigten in Betrieben mit Betriebsrat beschäftigt waren. Dies galt im Jahr 2022 nur noch für 39 Prozent in Westdeutschland und sogar nur noch für 34 Prozent der Beschäftigten in Ostdeutschland.
Betriebsräte sind aber nicht nur wichtig, weil sie für die Einhaltung der Arbeitsrechte sorgen und sich für die Interessen ihrer Kollegen starkmachen. Die Mitbestimmung am Arbeitsplatz ist auch ein zentraler Hebelpunkt im Kampf gegen rechte Einstellung und antidemokratische Haltungen. Das hatte die IG-Metall-nahe Otto-Brenner-Stiftung vergangenes Jahr in einer Studie herausgefunden. Darin heißt es: „Wer positive Beteiligungserfahrungen im Betrieb macht, stimmt hingegen seltener rechtsextremen und autoritären Aussagen zu, wie etwa der Verklärung des historischen Nationalsozialismus, antisemitischen Schmähungen oder dem Ruf nach einer Diktatur.“ Und was brauchen wir gerade mehr als effektive Hebel gegen genau diese Faschisierung?