Ampelkoalition: SPD-Chef Lars Klingbeil spricht von einer „Woche der Entscheidung“
Im Streit in der Ampelregierung stehen in dieser Woche viele Treffen und Gespräche an. Die Themenliste für die Koalition aus SPD, Grünen und FDP ist lang. Darunter die Zukunft des Ampel-Bündnisses, die Ausrichtung der Wirtschaftspolitik und das Ergebnis der US-Wahl. Bereits am Sonntagabend trafen sich Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Kanzleramt zum Gespräch. Scholz kam außerdem mit den SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken sowie Generalsekretär Matthias Miersch zusammen, um über die Situation der Ampelkoalition zu beraten.
Lindner sowie FPD-Fraktionschef Christian Dürr haben Verbände zu einem „wirtschaftspolitischen Spitzengespräch“ eingeladen. Am Montag und Dienstag sind nach Angaben aus Regierungskreisen auch Dreierrunden von Scholz, Lindner und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) angesetzt. Nach Informationen der Nachrichtenagentur sind ab Montag zwei bis drei solche Gespräche geplant.
Am Mittwoch, dem Tag nach der US-Wahl, soll der Koalitionsausschuss zusammenkommen, dem auch die Partei- und Fraktionsvorsitzenden angehören. Dabei soll es vor allem um zwei Streitthemen der Ampel gehen: das Milliardenloch im Bundeshaushalt und den Kurs, um aus der Wirtschaftskrise zu kommen.
Klingbeil: „Woche der Entscheidung“
SPD-Chef Klingbeil sprach in der ARD-Sendung Bericht aus Berlin von einer „Woche der Entscheidung“. „Und ich glaube, was für den Koalitionsausschuss am Mittwoch wichtig ist, ist, erst mal zu klären: Haben alle noch genug Puste, dass wir diesen Weg, – der herausfordernd ist, der auch anstrengend ist – dass wir den jetzt weitergehen gemeinsam (…)“ Es müsse gemeinsam verabredet werden, was getan werden könne, um Arbeitsplätze zu sichern, die Wirtschaft voranzubringen und Wirtschaftswachstum zu fördern.
FDP-Chef Lindner sagte in der ZDF-Sendung Berlin direkt, Deutschland brauche angesichts der aktuellen Herausforderungen und auch mit Blick auf die Zeit nach der US-Wahl „eine Regierung, die einen klaren Kurs hat“.
Auf die Frage, ob er die Koalition mit SPD und Grünen beenden wolle, wenn es bis zu der für den 14. November geplanten Haushaltsbereinigungssitzung keine Einigung gebe, antwortete Lindner, er werde sich nicht dazu verleiten lassen, ein Ultimatum zu formulieren. Er habe einen Vorschlag gemacht, „wie wir unser Land auf einen Wachstumskurs führen“.
Lindner sieht SPD am Zug
Der Streit innerhalb der Koalition hatte sich zuletzt durch Habecks Vorschlag für einen staatlichen Investitions- und Infrastrukturfonds und ein Papier von Linder mit Ideen für eine wirtschaftspolitische Kehrtwende verschärft.
Darin fordert der FDP-Chef eine „Wirtschaftswende“ mit einer „teilweise grundlegenden Revision politischer Leitentscheidungen“. Konkret ist von einem sofortigen Moratorium zum Stopp aller neuen Regulierungen die Rede. Weiter heißt es, als Sofortmaßnahme sollte der Solidaritätszuschlag für alle entfallen, und nationale Klimaziele müssten durch europäische ersetzt werden.
Lindner bekräftigte, dass das Papier zunächst nicht zur Veröffentlichung bestimmt war: „Ich hab das Papier nicht selbst in Umlauf gebracht, sondern es gab eine Indiskretion.“ Aber unabhängig davon sollte nicht „derjenige, der Vorschläge macht, wie man das Land aus der Krise führt“, sich rechtfertigen müssen, fügte er an. „Sondern andere müssen sich rechtfertigen, wenn sie keine Vorschläge machen.“
Linder sieht demnach die SPD am Zug. Er sagte, die Koalitionspartner würden nun miteinander die unterschiedlichen Konzepte ansehen. „Meine, unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch“, und er warte jetzt „auf die Vorschläge von anderen“.
Klingbeil fordert gemeinsamen Kampf gegen die Wirtschaftskrise
SPD und Grünen-Politiker ermahnten Lindner angesichts der Weltlage. Der Bewerber für den Grünen-Vorsitz, Felix Banaszak, sagte in der ARD-Sendung Bericht aus Berlin, er könne niemandem raten, „gerade öffentlich die ganze Zeit mit einem Koalitionsende zu spielen. Wie gesagt, in zwei Tagen wählen die USA und die Frage ist: Kommen wir da noch mal einigermaßen gut durch oder haben wir wieder Donald Trump?“
SPD-Chef Lars Klingbeil sagte in der Sendung: „Wir haben eine internationale Situation, die an vielen Stellen wirklich herausfordernd ist. Wir wissen nicht, was am Dienstag bei den Wahlen in den USA passiert.“
Er forderte die Parteien der Ampelkoalition zum gemeinsamen Kampf gegen die Wirtschaftskrise auf. „Es darf dabei keine Tabus geben“, sagte Klingbeil der Augsburger Allgemeinen. Es gehe dabei nicht um Parteiinteressen, sondern um das Land und um die Rettung von Arbeitsplätzen.
Der SPD-Vorsitzende wies dabei Kritik am Alleingang des Kanzlers beim Industriegipfel zurück. „Wenn der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland sagt, ich rette die Industriearbeitsplätze in diesem Land, dann braucht er dafür keine Erlaubnis“, sagte er. Es sei richtig, dass der Kanzler hier eine klare Priorität gesetzt habe. „Und ich erwarte, dass alle diese Priorität erkennen und ihn dabei unterstützen“, appellierte Klingbeil an die Koalitionspartner.
Er erwarte, dass auch Lindner dies im Zweifelsfall ähnlich sehe. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein liberaler Finanzminister sagt, dass es ihm egal sei, was in diesem Land mit Unternehmen, mit der wirtschaftlichen Stärke oder mit Industriearbeitsplätzen passiert“.
Kritik aus der SPD an der Ampel
Der SPD-Abgeordnete Ralf Stegner warf der Ampel-Koalition Unprofessionalität vor. „Was sich zwischen den Ampel-Spitzen abspielt, ist an Unprofessionalität nicht mehr zu überbieten. Niemand im Land versteht mehr, warum sich die Verantwortlichen in der Regierung so zerlegen, wo es doch um uns herum riesige Probleme und eskalierende Kriege gibt“, sagte Stegner der Rheinischen Post.
Der Kanzler sei nun in der Verantwortung. „Olaf Scholz hat selbst für einen Hanseaten das maximale Maß an Langmut ausgeschöpft, jetzt wird das ein Ende haben müssen. Die Politik ist derzeit absurder, als es sich Kabarettisten ausdenken könnten, das darf so nicht weitergehen“, sagte Stegner.
Im Streit in der Ampelregierung stehen in dieser Woche viele Treffen und Gespräche an. Die Themenliste für die Koalition aus SPD, Grünen und FDP ist lang. Darunter die Zukunft des Ampel-Bündnisses, die Ausrichtung der Wirtschaftspolitik und das Ergebnis der US-Wahl. Bereits am Sonntagabend trafen sich Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Kanzleramt zum Gespräch. Scholz kam außerdem mit den SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken sowie Generalsekretär Matthias Miersch zusammen, um über die Situation der Ampelkoalition zu beraten.