Lindner verkündet spürbar weniger Steuereinnahmen im nächsten Jahr

Bund, Länder und Kommunen müssen laut der neuesten Steuerschätzung im kommenden Jahr mit 12,7 Milliarden Euro weniger auskommen. Bis 2028 belaufen sich die prognostizierten Mindereinnahmen auf 58,1 Milliarden Euro.

Manche in der Ampel-Koalition hatten in diese Zahlen große Hoffnung gelegt: Wie viele Steuereinnahmen kommen im nächsten Jahr in die Kassen – und helfen sie womöglich, das vertrackte Problem mit dem Bundeshaushalt 2025 zu lösen?

Jetzt haben die Schätzer ihre Prognose veröffentlicht und es ist klar: Für den Haushalt von Finanzminister Christian Lindner (FDP) gibt es eine Mini-Entlastung – doch die Steuereinnahmen allein können das Problem nicht lösen.

Denn: Bund, Länder und Gemeinden müssen in den nächsten Jahren mit geringeren Steuereinnahmen rechnen als noch im Mai dieses Jahres erwartet. Das teilte der Arbeitskreis Steuerschätzung am Donnerstag in seiner Prognose für die Jahre 2024 bis 2028 mit. Demnach sind für den Gesamtstaat in diesem Fünf-Jahres-Zeitraum insgesamt 58,1 Milliarden Euro weniger zu erwarten.

Für den Gesamtstaat, also Bund, Länder und Kommunen zusammen, sagen die Schätzer für 2025 Steuereinnahmen von 982,4 Milliarden Euro voraus. Das ist 12,7 Milliarden Euro pessimistischer als noch im Mai. Auch für das laufende Jahr sieht es mit einem Minus von 8,7 Milliarden Euro mau aus.

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Für den Bund allein rechnen die Schätzer zwar mit einem Mini-Plus von 0,7 Milliarden – das liegt aber vor allem an geänderten Abführungen an die EU. Im Vergleich zur Frühjahrs-Erwartung, auf die Lindners Haushaltsentwurf aufbaut, bringt das kaum neue Spielräume. „Im Gegenteil: Wir werden zusätzlich konsolidieren müssen. Nicht jede staatliche Leistung wird noch möglich sein“, erklärte der FDP-Chef bei Vorstellung der Zahlen in Washington. „Wir brauchen wirtschaftliches Wachstum.“

Der unfertige Bundeshaushalt

Fast 490 Milliarden Euro will die Ampel-Regierung im nächsten Jahr ausgeben, mehr als ein Zehntel davon auf Kredit. Das erlaubt zwar die Schuldenbremse. Opposition, Rechnungshof, Bundesbank und Ökonomen halten Lindners Zahlenwerk aber trotzdem für mehr oder weniger unseriös oder unrealistisch.

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Der FDP-Chef hat den Abgeordneten eine schwierige Aufgabe übertragen, denn bis zum Schluss konnte er sich mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) nicht einigen, wo Geld eingespart werden soll. Dadurch klaffte eine Finanzierungslücke von zwei bis drei Milliarden, als der Entwurf an den Bundestag ging.

Dieses Geld müssen nun die Abgeordneten auftreiben. So massiv mit der Axt an den Haushalt zu müssen, „ist eigentlich nicht der Job des Parlaments“, beschwerte sich die SPD-Haushälterin Bettina Hagedorn bei „Politico“.

Einige hofften auf die Steuerschätzung, doch 0,7 Milliarden Euro stopfen die Lücke nicht. Helfen könnte, dass Fördermittel für die Intel-Ansiedlung in Magdeburg wegen der Verschiebung vorerst nicht gebraucht werden. 2025 wären das drei Milliarden – doch über deren Verwendung sind sich Scholz, Habeck und Lindner noch nicht einig.

Die Union glaubt außerdem, dass die Finanzierungslücke noch viel größer ist als die Ampel angibt. Sie hält die Prognosen zum Bürgergeld und zum Effekt der geplanten Wachstumsinitiative mit Steuererleichterungen und Arbeitsanreizen für schöngerechnet. Unions-Fraktionsvize Mathias Middelberg warnte in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ bereits: Sollte die Ampel-Koalition den Haushalt so beschließen, „droht 2025 erneut ein Spontan-Stopp von Förderprogrammen“.

Die taumelnde Wirtschaft

Ein maßgeblicher Grund für die Ergebnisse der Steuerschätzung sind die mauen Erwartungen der Bundesregierung an die wirtschaftliche Entwicklung. „Die Herausforderungen sind größer, als wir sie uns vielleicht eingestanden haben in den letzten Jahren“, konstatierte Wirtschaftsminister Habeck neulich.

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Gerade hat er für 2024 die zweite Rezession in Folge verkündet. Die Wirtschaftsleistung schrumpft unter anderem, weil sich Unternehmen wie Privatleute angesichts der geopolitischen Lage mit Investitionen zurückhalten. Auch Streit innerhalb der Ampel trage zur Unsicherheit bei, räumte Habeck ein.

Neuer Schulden-Spielraum

Die schlechte Konjunktur beschert Lindner durch einen Mechanismus in der Schuldenbremse allerdings auch Spielraum für neue Kredite. Rund 5,4 Milliarden Euro darf der Finanzminister im kommenden Jahr mehr aufnehmen als zunächst gedacht. Das hilft beim Stopfen der Finanzierungslücke – aber ob es sie ganz schließt, ist ungewiss, denn bei schwacher Konjunktur muss man in der Regel auch höhere Ausgaben zum Beispiel beim Bürgergeld gegenrechnen.

Grüne und SPD haben die Hoffnung nicht aufgegeben, doch noch eine Ausnahme von der Schuldenbremse zu machen oder schuldenfinanzierte Sondertöpfe außerhalb des Haushalts einzurichten.

So könnte die neue Idee von Wirtschaftsminister Robert Habeck – ein Investitionsfonds für die Wirtschaft – finanziert werden. Lindner lehnt neue Sondervermögen ab – und hat in dieser Debatte jetzt ein neues Argument: Denn Deutschland fällt es schwer, die Schuldenregeln der EU einzuhalten. Und hier zählen Sondervermögen voll mit – anders als bei Berechnung der nationalen Schuldenbremse. In Brüssel gilt: Schulden sind Schulden.

Nach der Steuerschätzung wird es nun ernst im Bundestag. Drei Wochen haben die Haushälter noch, um die fehlenden Milliarden aufzutreiben. Dann ist Bereinigungssitzung im Haushaltsausschuss – der legendäre Showdown, der meist bis in die frühen Morgenstunden geht. Im großen Plenum soll der Etat nach jetzigem Stand Ende November beschlossen werden.

dpa/Reuters/rct/jag

Source: welt.de