Steueränderungen: Worauf Bewohner und Betriebe jetzt wünschen können
Der vom FDP-Vorsitzenden Christian Lindner ausgerufene Herbst der Entscheidungen beginnt mit einem politischen Knall. Am Mittwoch überlagert der angekündigte Rücktritt der Grünen-Parteivorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour die Sacharbeit – etwa zur Umsetzung der Wachstumsinitiative, die an Bedeutung gewinnt, je mehr sich die Einschätzungen zur weiteren Entwicklung der deutschen Wirtschaft verdüstern. Schlechte Nachrichten kommen in kurzer Folge hinzu, allein am Mittwoch: Die Industrieländerorganisation OECD berichtet, dass Deutschland zu den sich am schwächsten wachsenden Ländern unter den großen Wirtschaftsnationen gehört; das Ifo-Institut präsentiert sinkende Exporterwartungen; das Statistische Bundesamt informiert über einen sinkenden Auftragseingang im Bauhauptgewerbe.
„Die wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land ist absolut unbefriedigend“, konstatiert Finanzminister Christian Lindner (FDP) zum Auftakt seiner Befragung im Bundestag. Seit zehn Jahren sinke die Wettbewerbsfähigkeit. Nach seinen Worten geht es nicht zuletzt darum, die Bedingungen auf der Angebotsseite der Wirtschaft zu verbessern, also die Voraussetzungen für private Investitionen.
An normalen Tagen hätte seine Befragung – zusammen mit der für Umweltpolitik zuständigen Kabinettskollegin Steffi Lemke von den Grünen – einige Aufmerksamkeit auf sich gezogen; ebenso die für den Nachmittag angesetzte kleine Regierungsrunde. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Lindner wollten darüber beraten, was man am besten mit den Milliarden macht, die der Bund erst einmal nicht dem Halbleiterhersteller Intel zukommen lassen muss, weil der Konzern aus Amerika seine in Magdeburg geplante Fabrik später bauen wird, wenn überhaupt noch.
Anpassung von Grundfreibetrag und Kinderfreibetrag
Wird das Geld nun genutzt, um die notdürftig kaschierten Löcher im Haushalt zu schließen? Oder kann die unter Druck geratene Autoindustrie auf neue Hilfen zur Förderung der E-Mobilität hoffen? Solche Fragen, die sonst das Land bewegt hätten, selbst wenn sich die Protagonisten ausschweigen, werden wie alles andere an diesem Mittwoch nachrangig. Die Debatte, was der Rückzug der Grünen-Spitze für die Ampel-Koalition bedeuten könnte, dominiert, auch wenn die Folgen kurz nach der Ankündigung kaum absehbar sind.
Und doch gibt es das politische Tagesgeschäft, das auch an so einem Tag vorangetrieben werden muss. Am Abend steht das Jahressteuergesetz auf der Tagesordnung des Bundestages; es ist ein eher langweiliges Sammelsurium von technisch anmutenden Rechtsanpassungen, die zumeist über Brüssel oder Gerichte auf den Bund zugekommen sind. Ausnahmen sind das Mobilitätsbudget, mit dem die vom Arbeitgeber finanzierte Nutzung von E-Scootern, E-Bikes, Car-Sharing-Angeboten und Fahrtdienstleistern pauschal besteuert werden soll. Bis zu 2400 Euro im Jahr wären nach dem Entwurf mit 25 Prozent zu versteuern. Oder die Biersteuer. Die Freigrenze soll von 2 auf 5 Hektoliter steigen.
Gewichtiger, auch finanziell bedeutsamer ist die rückwirkende Anpassung von Grundfreibetrag und Kinderfreibetrag, die sich aus der jüngsten starken Erhöhung des Bürgergelds zwingend ergibt. Das soll mit einem eigenen Gesetz geregelt werden. Sonst könnte jeder Steuerzahler gegen seinen Steuerbescheid für dieses Jahr vorgehen. Die daher dringend gebotene Anpassung steht an diesem Donnerstag in erster Lesung auf der Tagesordnung des Bundestags, zusammen mit der Korrektur des Steuertarifs in den Jahren 2025 und 2026. Dieses Gesetz mit der schönen Überschrift Steuerfortentwicklung soll das Vehikel sein, mit dem die steuerpolitischen Maßnahmen aus der Wachstumsinitiative zügig umgesetzt werden. Diese sollen dort später eingebaut werden.
FDP pocht auf schnelle Verabschiedung
Die Initiative von Anfang Juli enthält einige Punkte mit Bezug zum Steuerrecht: schnellere Abschreibungen, was das Investitionskalkül in vielen Fällen verbessern dürfte, eine Ausweitung der Forschungszulage, wovon vor allem kleinere und mittlere Unternehmen profitieren dürften, den Ausgleich der kalten Progression, damit die Geldentwertung nicht schleichend zu einer Mehrbelastung der Steuerzahler führt (deshalb wurde das Steuerfortentwicklungsgesetz auf den Weg gebracht), Verbesserungen bei der Besteuerung von E-Dienstwagen, um die Autoindustrie auf diesem Feld zu unterstützen, Steuerfreiheit für Mehrarbeit, die über die tariflich vereinbarte Vollzeitarbeit hinausgeht, und eine steuerliche Begünstigungen für Prämien, die zur Ausweitung einer Teilzeit ausgereicht werden, um das Arbeitsangebot für die Wirtschaft zu erhöhen. Dem letztgenannten Ziel sollen auch steuerliche Anreize für ausländische Fachkräfte dienen.
„Wichtig ist, dass der Bundestag die innerhalb der Bundesregierung geeinten Gesetzentwürfe zügig berät und verabschiedet“, sagte der FDP-Finanzpolitiker Markus Herbrand der F.A.Z. Ideologische Grabenkämpfe oder gar eine Blockadehaltung wären Gift für Volkswirtschaft und Konsumklima. „Weder die Ampel noch die von den Gesetzen betroffenen Unternehmen und Privatpersonen können sich Zeitverzögerungen bei den Beratungen leisten“, mahnte er nicht zuletzt in Richtung Koalition. Sein SPD-Kollege Michael Schrodi sagte der F.A.Z, es liefen koalitionsinterne Gespräche, ob es für die Familien eine zusätzliche Kindergelderhöhung geben könne. „Eine mögliche Finanzierung dafür könnte durch eine geringere Einkommensteuersenkung für hohe Einkommen ab dem Spitzensteuersatz erfolgen.“ Ob da die FDP mitzieht? Schwer vorstellbar.
Herbrand erinnerte an das Schicksal des Wachstumschancengesetzes. Die Union habe es mit schmutzigen Tricks ein halbes Jahr verzögert und in seinem Mitteleinsatz mehr als halbiert. „Geholfen hat die Union damit niemandem, außer natürlich den extremen politischen Rändern, die die langwierige Blockade für ihre Zwecke ausschlachten konnten.“
Lagerübergreifend rechnen die Parteien damit, dass es abermals zu einem Vermittlungsverfahren zu dem neuen Wachstums-Steuergesetz kommen wird. Die Anhörung ist für den 7. Oktober geplant, die abschließend Lesung Mitte desselben Monats. Damit hätte man etwas Luft für das Vermittlungsverfahren.