Zinssenkung dieser EZB: Robert Holzmann ist dieser Abweichler

Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) hat die erste Senkung der Leitzinsen seit fünf Jahren beschlossen. Der ganze EZB-Rat? Nein. Ein unbeugsames Ratsmitglied stimmte offenbar dagegen: Robert Holzmann, 75 Jahre alt, Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB).

Er habe „ein Signal setzen“ wollen, erklärte Holzmann diese Entscheidung bei einer Pressekonferenz am Freitag. Der Kampf gegen die Inflation sei noch nicht gewonnen, der Zeitpunkt der Zinssenkung komme somit zu früh. Er hoffe, dass in Zukunft wieder auf Basis der letzten verfügbaren Daten entschieden werde. Dieses Mal hätten seine Kollegen im EZB-Rat wohl eher dem Druck der Finanzmärkte nachgegeben, ließ er zwischen den Zeilen durchblicken.

War Holzmann wirklich der einzige Skeptiker?

Es wird kolportiert, auch weitere EZB-Räte hätten die jüngsten Daten womöglich für nicht vereinbar mit einer Zinssenkung gehalten. Mit Ausnahme von Holzmann hätten jedoch alle übereingestimmt, dass ein Rückzieher nach der zuvor erfolgten Vorfestlegung ein Fehler wäre.

Der in der Steiermark geborene frühere Saarbrücker Wirtschaftsprofessor und ehemalige Weltbank-Mitarbeiter Holzmann gilt eher als etwas konservativ und scheint im EZB-Rat damit jetzt die Rolle des entschiedensten „Falken“ übernommen zu haben – also des Befürworters einer besonders straffen Geldpolitik, die in früheren Zeiten bisweilen der damalige deutsche Bundesbankpräsident Jens Weidmann eingenommen hatte.

„Zur letzten Verwendung“, so nannten sie bei der Armee früher diejenigen Offiziere, die aufgrund ihres Alters nicht mehr so sehr auf eigene Karriere-Ambitionen zu achten hatten und sich deshalb etwas freier verhalten konnten. Ohne ihm zu nahe zu treten, könnte man vermutlich sagen, dass auch Österreichs Notenbankchef sich aufgrund seines fortgeschrittenen Lebensalters etwas mehr Abweichlertum als andere leisten kann.

Wie EZB-Präsidentin Lagarde reagiert hat

Jedenfalls fiel er in den vergangenen Monaten immer wieder dadurch auf, dass er sich entschieden anders äußerte als die Mehrheit des Gremiums. Im F.A.Z.-Interview hatte Holzmann gesagt, es gebe noch eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass die EZB die Zinsen dieses Jahr gar nicht mehr senke. Später schlug er vor, den Schritt jedenfalls erst nach der amerikanischen Notenbank Federal Reserve (Fed) zu gehen.

Von Österreichs früherem Kanzler Christian Kern (SPÖ) musste Holzmann sich schon „ideologische Verblendung“ vorwerfen lassen.

Und auch EZB-Präsidentin Christine Lagarde scheint von so viel Steiermark-Eigensinnigkeit zumindest nicht übertrieben begeistert gewesen zu sein: In der Pressekonferenz nach der Zinssitzung hob sie hervor, die Entscheidung sei „nahezu einmütig gewesen“ – und fügte lächelnd hinzu, die Augenbrauen hochziehend: „Bis auf einen Gouverneur.“

Source: faz.net