Wirtschaft oder Sicherheit? Jetzt bringt Trump die Briten in eine widerwärtig Klemme

Die EU spiele „komplett unfair“, so US-Präsident Trump. Mit den Briten wiederum könne man „arbeiten“. Diese beiläufige Bemerkung versetzt Europa in Unruhe. Gerade erst wollte sich London Brüssel wieder annähern, um die Wirtschaft in Schwung zu bringen. Doch Trump zu verärgern, ist riskant.
Es war einer jener beiläufigen Kommentare, von denen Donald Trump derzeit viele macht. Vor ein paar Tagen stieg der US-Präsident aus seiner „Air Force One“ und kam auf die wartenden Journalisten zu. „Das Vereinte Königreich spielt nicht richtig fair, aber daran kann man arbeiten. Aber die Europäische Union spielt komplett unfair. Es ist eine Schandtat, die sie an uns begehen.“ Der britische Premierminister Keir Starmer sei „sehr nett“ gewesen, man komme „sehr gut miteinander aus“, fügte Trump hinzu.
Trumps kryptische Beschreibung der US-Handelsbeziehungen mit zwei europäischen Partnern löste auf der anderen Seite des Atlantiks Aufregung aus. Plant der Republikaner den Briten einen „sweet deal“ zu geben, während er die EU bestraft?
Sowohl in London als auch in Brüssel hält sich die Politik bedeckt, wie sie im Fall von Strafzöllen reagieren wird. Doch wie in der ersten Amtszeit zeichnet sich erneut ab, dass der Republikaner Insel und Kontinent gegeneinander auszuspielen versucht. Der Brexit sei „eine großartige Sache“, befand Trump nach dem Referendum 2016. Die Briten hätten sich „ihr Land zurückgeholt. Das ist eine gute Sache.“
Trump ist bekanntermaßen kein Freund des Multilateralismus. Und er ist besessen vom US-amerikanischen Handelsdefizit gegenüber den Europäern, das sich bei Waren im Jahr 2024 auf einen Rekordstand von 267 Milliarden Euro gesteigert hatte. Mit den Briten erzielten die USA laut US Census einen wenn auch überschaubaren Überschuss von rund elf Milliarden Euro.
Für den Briten Starmer ist das Timing für den Neubeginn mit Trump denkbar schlecht. Seine Labour-Regierung versucht derzeit die sachte Wiederannäherung an die EU. Sie hat dabei die öffentliche Meinung auf ihrer Seite. Gerade erst bestätigte eine Umfrage, dass die klare Mehrheit der Briten mehr Handel will mit der EU, und nicht mit den USA.
Der nunmehr fünf Jahre alte Ausstieg aus der EU hat der britischen Volkswirtschaft schwer geschadet. Anfang der Woche reiste Starmer deshalb nach Brüssel, erstmals wohnte ein britischer Premier wieder einem EU-Treffen bei.
„Dass wir entweder mit den USA oder Europa sind, diese Vorstellung ist absolut falsch. Ich weise das kategorisch zurück“, betonte Starmer dort. Aber ganz so einfach ist es in der Realität nicht.
Starmer stehe unvermeidlich zwischen seinem wichtigsten Sicherheitspartner, den USA, und der EU als wichtigstem Wirtschaftspartner, sagt Anand Menon WELT. Der EU-Experte am King’s College London warnt: „Es ist vorstellbar, dass die Briten einen guten Deal mit Trump verhandeln. Aber einige europäische Politiker würden fragen, wieso die EU obendrein nett zu London sein sollte.“
Aus britischer Sicht könnte aber auch ein positives Szenario eintreten, so Menon, sollte Trump der EU schmerzhafte Strafzölle aufbrummen. „Um deren wirtschaftlichen Schaden zu mindern, könnte Brüssel eine Erleichterung der derzeit restriktiven Zollabkommen mit Großbritannien verhandeln“, prophezeit Menon.
Niemand erwartet angesichts von Trumps „America First“-Politik, dass Washington den Briten ein Freihandelsabkommen gibt – der große, aber ferne Traum aller Brexit-Fans. Angebote für sektorielle Vereinbarungen halten Experten hingegen für möglich.
Das aber würde bedeuten, dass die EU Starmer die aktuell erhofften Handelserleichterungen nicht mehr anbieten kann. Denn eine Lieferkette, dank der die berühmten US-Chlorhühnchen mit Zwischenstopp auf der Insel in die EU gelangen, muss Brüssel unbedingt verhindern. Noch striktere Kontrollen wären die Konsequenz.
Wirtschaftliche vs. sicherheitspolitische Interessen
Wie ideologisch aufgeladen die Debatte ist, zeigt der Kommentar eines ehemaligen Beraters von Trump. Stephen Miller forderte Großbritannien jüngst auf, sich mehr an den USA als am „sozialistischeren“ europäischen System zu orientieren. „Wenn das der Fall wäre, glaube ich, dass die Trump-Regierung viel eher bereit wäre, ein Freihandelsabkommen mit Großbritannien abzuschließen“, sagte er der BBC.
Die Opposition zu Hause wirft Starmer derweil vor, seine Prioritäten falsch zu setzen. Andrew Griffith, wirtschaftspolitischer Sprecher der Konservativen, kritisierte in britischen Medien, Starmer klammere sich an die „wirtschaftlich schwächelnde EU“, statt sich um einen Handelsdeal mit den USA zu bemühen.
Die wirtschaftlichen Interessen der Briten sind eindeutig: Die EU ist klar der größte Exportmarkt Großbritanniens. 41 Prozent der Exporte gehen auf den Kontinent, 51 Prozent der Importe kommen von dort. In die USA gehen 22 Prozent der Exporte, 13 Prozent aller britischen Importe kommen von dort.
Sicherheitspolitisch aber ist Washington der wichtigste Partner für London. Beide Länder gehören zu den „Five Eyes“, zu denen auch Kanada, Australien und Neuseeland zählen. Seit dem Zweiten Weltkrieg tauschen diese fünf Staaten auf höchstem Niveau globale Sicherheits- und Geheimdienstinformationen aus. Unverzichtbar für die innere Sicherheit des Königreichs.
Stefanie Bolzen berichtet für WELT seit 2023 als US-Korrespondentin aus Washington, D.C. Zuvor war sie Korrespondentin in London und Brüssel.
Mandoline Rutkowski ist Korrespondentin für die Berichtsgebiete Vereinigtes Königreich und Irland. Seit 2023 berichtet sie für WELT aus London.
Source: welt.de